Aus unserem alten Heavy-Metal-Sack kramen wir heute die Indian Chief von Tante Louise raus. Immer noch mit das Schärfste, was man aus diesem stattlichen V2-Cruiser machen kann!

Wenn Kinder ein Motorrad malen: schwarzer Schwurbel als Motor, vorn und hinten ein Rad. Darauf ein ungesund gebeugter Fahrer. Wenn Kay Blanke ein Motorrad malt: ein chromtriefender Motor, vorn und hinten ein Rad. Darauf ein ungesund ernährter Fahrer: ich. Louis Engina ist ein fahrender Motor mit der Gewalt einer ganzen Indianerhorde. Ja ja, dieser Motor …

Ventilteller mit dem Durchmesser von Kinderhänden

Man nehme: Je Hand eine Konservendose mit 900 Millilitern Füllmenge, kreuze die Unterarme im 49-Grad-Winkel und führe eine kreisende Bewegung aus den Schultern aus. Dazu führen zwei weitere Hände je eine Red-Bull-Dose am oberen Umkehrpunkt auf und ab. Was klingt wie aus einem Fitnessvideo zur Schwangerschaftsrückbildung ist sehr bildlich ausgedrückt das, was in einem echten V2 mit 1800 Kubik passiert, dessen Ventilteller die Durchmesser von Kinderhänden haben. Im konkreten Fall sind es 1811 Kubik und die gehören zum Motor einer Indian Chief.

Ein kleines großes Meisterwerk ist wieder einmal die Rohrflechterei von Sam Wassermann. Der Schweißergott hat ein knappes Kleid um den riesigen, mittragenden Motor gelegt und die Stahlrohre dabei herrlich unbeschichtet gelassen. So kommt der Rahmen roh und echt rüber

In jenes Triebwerk ist Louis-Presse-Chef Kay Blanke schon seit seiner Präsentation heftig verliebt und daraus sollte irgendwann ein leichter Sprintracer à la Louis entstehen. Irgendwann ist längst durch und aus einer 357-Kilo-Indian ist Engina geworden. Wahrgemachter Leichtbautraum mit dem mächtig getunten Herz einer Schwermetallerin. Eckdaten: Wenig über 210 Kilogramm vollgetankt, 125 Mustangs und 185 Nm an der Kupplung. Vorher: 72 PS, 132 Nm. Fragen zu Druck oder Durchzug nach dem Tuning? Ich denke nicht.

Indian Chief mit fast 50 Prozent Leistungsplus

Für die 47 Prozent Mehrleistung ist Tuner Ulf Penner verantwortlich. Sein zunächst einfacher Plan, die schlappen Steuerzeiten per neuer Nockenwellen zu schärfen, sollte nur der erste Schritt zum umfassenden Motortuning sein. Die Zylinderköpfe wurden ordentlich geplant, um die Verdichtung zu erhöhen. Anschließend wurde der gesamte Ventiltrieb mit Tuning-Teilen frisch für mehr Drehzahl gemacht: Durch das neue Mapping darf der dicke Twin gute 900 Touren höher drehen – bei den bewegten Massen ist das eine Ansage.

Extra dafür hat Gilles Tooling eine knappe Fußrastenanlage entworfen. Übrigens wird Sams erster Rahmen-entwurf von Kay mit den Worten: »Sorry, aber so hält das nie.« abgelehnt

Doch dem nicht genug wurden die Ventilsitze in einem anderen Winkel geschliffen und die Ansaugbrücke und Einlasskanäle mit Epoxydharz für schnellere Gaswechsel umgestaltet. In Verbindung mit dem offenen Ansaugtrichter und einer ebenso offenen Auspuffanlage ist jetzt mächtig Druck im Zylinder. Für die Diät von gut 140 Kilogramm ist größtenteils Sam Wassermann von UNO verantwortlich. Er schweißte einen gänzlich neuen Rohrrahmen und gab dem Triebwerk so den gewünschten, prominenten Auftritt.

Indian Chief mit der Gabel einer BMW S 1000 R

An der Serienschwinge änderte er die Aufnahme, um ein Wilbers-Federbein direkt anzulenken. Im Frontend werkelt die Gabel einer BMW S 1000 R mit einem Wilbers-Cartridge-Kit. Fest im Griff gehalten von speziell gefertigten Gabelbrücken von Alpha-Racing. Von der BMW wurde auch gleich das Brembo-Bremsenpaket übernommen. In Schwinge und Gabel rotieren – wie könnte es heute anders sein – maßgefertigte Kineo-Felgen. Über den mächtigen Zylindern und dem neuen Rohr durfte sich Blechpapst Michael Naumann austoben.

Achtung Unterdruck! Diese Warnung muss in der Nähe des Schlundes stehen, über den der Motor mit Luft versorgt wird. Unachtsam lümmelnde Hände oder anderes Kleinvieh werden beim beherzten Gasstoß einfach angesaugt und vergehen mit einer kleinen Fehlzündung. »Puff«

Mit Hammer und Sack (also den Werkzeugen) entstanden der tropfenförmige Tank, das schmalste Heck der jüngeren Geschichte und die kampfeslustige Frontmaske. Übrigens ist entsprechend der Form des Tank auch sein Volumen: Es passen nur wenige Tropfen Brennbares rein – was ich ungewollt lernen durfte. Egal. Für die Lackierung war erneut das Schrammwerk zuständig und Danny nimmt das Thema Indianer ernst. Nach vielen Stunden in der Kabine zierte Engina der Federschmuck eines großen Häuptlings würdig – Geronimo lässt grüßen. Leider ist beim optischen Finish der Zeitdruck deutlich zu sehen und spüren: Die Louis-Aufkleber an Tank und Maske sind aufgeklebt und nicht überlackiert. Unschön. Man wird ja auch mal meckern dürfen.

Der Titan-Krümmer schrabbelt früh über den Asphalt

Übrigens auch dafür, dass ich den Titan-Krümmer ordentlich hab schleifen lassen. Schon bei wenig Kurve schrabbelt das Edelrohr früh über den Asphalt. Stünde mehr Schräglagenfreiheit zur Verfügung würde Engina eine echte Kurvenräuberin werden, das Fahrwerk könnte das auch mehr als nutzbar bieten. Superagil, einfach und zielgenau lässt sie sich durch lange wie enge Kurven jagen. Zwar ist die mächtige Schwungmasse zwischen den Beinen (der Motor!) deutlich zu spüren, steht aber auch eindrucksvoll als handliches Beispiel für zentralisierte Massen. Ein herrliches Fahren.

Immer wieder geil: die indianische Chromorgie am Motor

Und immer wieder dieser bestialische Druck aus dem Reaktor unter dir. Ab 3000 U/min prügelt der Twin derart übelst Leistung raus, dass es dazu eigentlich einen Waffenschein braucht. Zwar nur weitere 3000 Touren lang, aber die schneiden mir ein Lächeln ins Gesicht. Daran nicht ganz unschuldig: der offene Shark-Endtopf. Der haut einen gewaltigen Schalldruck an den leicht rieselnden Deich und im seismologischen Observatorium schlagen die Erdbebenanzeigen aus. Legal: Nein. Machbar? Ja, für die Kleinigkeit von 60.000 Euro kann Engina gebaut werden. Ich bin dann mal im Keller Pfandflaschen suchen.

Info |  louis.de

 

Jens Kratschmar