Bayrische Backsteine sind schon einige Jahre ganz schön angesagt, und eigentlich wissen wir gar nicht so genau, warum. Da stellt uns der Ulf ein Bike vor die Füße, das sich gewaschen hat – und die BMW K 75 in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt.

Boxer, ja, die bauen im Moment viele. BMW ist die Basis der Stunde und gerade, wer in der Cafe Racer- und Scramblerszene wühlt, muss mindestens eine BMW im Portfolio der selbstgebauten Visitenkarten haben. Dabei ist die Sache mit den coolen Boxern gar nicht mal so schwer. Alles wegreißen, was möglich ist, dazu ein bisschen Stilgefühl und schon habt ihr einen coolen Bajuwaren am Start.

BMW K 75 – Ungeliebter Sprössling

Aber mal ehrlich, der wahre Reiz liegt doch nicht bei den Lieblingskindern einer Marke, sondern bei den schwarzen Schafen, den Stiefkindern, den ungeliebten Sprösslingen. Selbst BMW hat mit seiner K-Baureihe sowas zu bieten. 1985 rauschend vorgestellt, war es zehn Jahre später schon wieder vorbei mit den Dreizylinder-Tourern, alle anderen Ks waren vierzylindrig unterwegs. Irgendwie hatte es so kommen müssen, denn schön war so eine K 75 halt einfach nicht.

Die verbaute Duolever-Vorderradführung ist ein Patent von BMW. Die Konstruktion mit doppelten Längslenkern entkoppelt Radführung und Federung

Und doch, aktuell probieren sich viele daran, die alten Tourer umzubauen. Das ist der großen aktuellen Beliebtheit von BMWs in der Umbauszene geschuldet, zumal die Boxermodelle nicht mehr für kleines Geld zu haben sind. Zum anderen kann man kaum besser als mit einer K beweisen, was man so auf dem Kasten hat. Denn neben unschöner Rahmenform, wartet das Modell auch mit der ungeliebten Wasserkühlung und jeder Menge Elektrik auf – viele Herausforderungen für amtliche Schrauber. Und einer, der sich ihnen gestellt hat.

»Ich kann, will und werde einen Fukker bauen«

Ulf hatte sich mit breiter Brust für unseren Wettbewerb der Privatschrauber beworben: »Ich kann, will und werde einen Fukker bauen«, heute schmunzelt er ein wenig, »ja, das war schon etwas großkotzig. Gerade die letzten sechs Wochen waren einfach brutal.« Klar, denn schließlich hatte der Münchner ein ehrgeiziges Projekt gewählt, trat zudem als Einzelkämpfer an und schraubte aus Rücksicht auf seine Familie nur an den Abenden unter der Woche.

Ulf Musekamp trat als Einzelkämpfer zum Contest an. Für das »Dragstarr«-Projekt hatte er eine Bauzeit von zwei bis drei Jahren veranschlagt – dann kamen wir und gaben ihm fünf Monate Zeit

Aus einer K75 wollte er einen starren Dragracer bauen, mit einem eigenen Rahmen, für den er zunächst eine Rahmenlehre anfertigen musste. Dass er im wahren Leben gelernter Industriemechaniker und Diplom-Ingenieur ist, machte die Sache zwar einfacher, aber auch Ulf musste Lehrgeld bezahlen. »Ich habe zum Beispiel meine Drehbank nochmal neu liebgewonnen«, erzählt er. Zahllose Teile entstanden auf ihr, auch solche, die die Ein- und Ausrichtung des selbstgebauten Rahmens überhaupt erst möglich machten.

Die Duolever-Gabel aus der BMW K 1200 S ist eine massive Ansage

Aus Rohren von 35 und 50 mm Dicke war das Fahrwerk entstanden, das im Heck ungefedert ist. Hinten starr, vorn wuchtig, die Duolever-Gabel aus der BMW K 1200 S ist eine massive Ansage. Dazu sorgt ein gekürztes Federbein für etwas Komfort. Gekürzt, weil die Karre von Anfang an tief liegen sollte. Auch ein möglichst dicker Hinterreifen stand auf dem Wunschzettel, ein 200er-Slick dreht jetzt auf der Ducati-Felge, »fährt sich erstaunlich gut«, versichert Ulf.

Der Ingenieur hat es allen gezeigt, besonders sich selbst. »So eine Nummer hat einen echt großen Lerneffekt. Ich habe mir das Schweißen nochmal neu beigebracht und Techniken umgesetzt, die ich nur aus Lehrbüchern kannte.«

Für den Aufbau musste der Münchner außerdem seine Schweißkenntnisse neu auffrischen. Da der Rahmen lackfrei geblieben ist, zeigt er auch deutlich, dass dieser Punkt gut funktioniert hat, die Schweißnähte sind sauber gezogen. Dazu setzte Ulf alte Techniken aus Lehrbüchern um. Den Heckfender – seinen ersten überhaupt – trieb er klassisch mit Sandsack und Hammer in Form. Ulf ist im Kopf schon wieder am Tüfteln. Sieben BMW-K-Modelle stehen noch in seiner Werkstatt, aus ihnen sollen völlig unterschiedliche Custombikes entstehen, »so fünf Jahre Zeit habe ich dafür mal eingeplant.«

BMW K 75 Dragstarr – (Fast) ein One-Man-Project

Die Erkenntnisse aus der Fukker-Nummer könnten dabei hilfreich sein. Da wäre zum einen die Einsicht, dass es doch hier und da Freunde braucht, die helfen können – gerade wenn die Zeit knapp ist. So konnte Ulf die sonnengelbe Lackierung von Tank und Gabel am Schluss nicht mehr ganz allein durchziehen, sondern holte sich Hilfe. Auch bei anderen Teilen ließ er Freunde nochmal prüfend drüber schauen, bevor montiert wurde. Und noch was hat er gelernt: »Das Leben ist zu kurz für schlechtes Werkzeug.« 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.