In Brooklyn pulsiert die Bikerseele des Big Apple. Und an einem Tag in jedem Jahr schlägt das Herz des Stadtteils noch ein bisschen mehr im Motortakt als sonst. Ein Abstecher nach New York zur Brooklyn Invitational …
Eine ganze Zweiradwelt in ein paar Häuserblocks, zu Fuß abzulaufen und doch voller Inspiration und Geschichte, Customgeschichte vor allem. Am meisten lässt sich der Mikrokosmos in Brooklyn in jedem September genießen, wenn drei Menschen, die hier tief verwurzelt sind, zu ihrer kleinen, aber hoch angesehenen Show laden. Keino Sasaki, John Copeland und Jessica Wertz sind die Veranstalter der »Brooklyn Invitational«. Keino ist selbst großartiger Bikebuilder, John ein versierter Künstler des Big Apple und passionierter Chopperfahrer und Jessica Besitzerin der »Black Bear Bar«, dem Biker-Hotspot des Viertels.
Ihre Show ist eine Non-Profit-Sache, die eingeladenen Bikebuilder und ihre Maschinen handverlesen. Uwe Ehinger, der Deutsche, wurde eingeladen, eine Ehre. Er nahm das Abenteuer Brooklyn mit einem guten Freund in den Fokus. Jasin Phares baut ebenfalls Motorräder. Mit seiner Manufaktur »Harold’s USA« ist er Insidern bekannt. Den Respekt dem Deutschen gegenüber spürt man, wenn er erzählt, »Ich hätte mit keinem besseren in New York sein können. Uwe baut seine Bikes seit den 70er-Jahren. Für alle noch so verrückten Ideen hat er eine Lösung.
Brooklyn Invitational – Von der Rennsportgeschichte inspirierte Motorräder
Es ist das Gleiche wie bei mir: Unsere einzige Einschränkung ist unsere grenzenlose Fantasie.« Wie Uwe auch stellte Jasin ein Motorrad in Brooklyn aus, das von Rennsportgeschichte inspiriert ist – viele der derzeitigen amerikanischen Custombikes nehmen das für sich in Anspruch. Anders als Ehingers UL/Knuckle-Speedster, Baujahr 1937, setzt Jasin auf ein moderneres Sport-Aggregat in seinem Dragster namens »Usurpator«. Wesentliche Teile des Bikes sprechen in der Sprache der Renngeschichte North Carolinas, das Bike fährt die Viertelmeile in 9,6 Sekunden.
Und so treffen sich Jasin und Uwe in den Root-Studios in Williamsburg, einem Teil von Brooklyn, um ihre Bikes zu präsentieren. Und obwohl die Invitiational an diesem Tag im September der größte Zusschauermagnet ist, bleibt auch Zeit für anderes. Wie gesagt, Motorradkult schlummert hier immer nur eine Straßenecke entfernt. So ist für die Bikebuilder ein Besuch bei Indian Larry Pflicht. Gerade, weil die jährliche Block Party zu Ehren des großen Customhelden gleichzeitig statfindet.
In Kalifornien regieren Motorräder, Kunst ist dort aber nicht das Thema
Genauso wie es Pflicht ist, bei Paul Cox vorbeizuschauen, der seine Werkstatt etwa eine halbe Meile von der Show, auf dem McGuinness Boulevard betreibt. Jedes Jahr lädt auch er Bikebuilder und Freunde anlässlich der Invitational zu einer eigenen Party ein. Eine gute Gelegenheit zu sprechen, zu lachen und vielleicht ein bisschen zu philosophieren. Zum Beispiel darüber, warum Kunst und Zweiräder gerade hier so eng zusammenpassen. Warum das Herz in der Großstadt doch so anders schlägt als zum Beispiel auf der anderen Seite des riesigen Landes, wo Motorräder zwar regieren, Kunst aber nicht das Thema ist.
Es mag sein, dass der pulsierende Big Apple daran seinen Anteil hat. Dass das Gefühl schon ein anderes ist, weil man, um zur Invitational zu gelangen, in die Straße einbiegt, an deren Ende die andere Seite des East River mit der beleuchteten Skyline Manhattans auf die Biker herabblickt. »Atemberaubend«, sagt Uwe Ehinger, «und ein bisschen surreal.« Es mag ihn an seine Heimatstadt Hamburg erinnern, wo auch er der Künstler unter den Customizern ist. Ein gutes Gefühl, das alle in Brooklyn Anwesenden teilen. Und das ein bisschen mehr mit dir macht, als ein Bikertreffen auf der grünen Wiese.
Brooklyn Invitational – Community mit großem Herz
Dabei ist die Community in Brooklyn auch eine mit großem Herz. Das wird deutlich im Gedenken an Ray Abeyta. Er war eine wichtige Persönlichkeit der lokalen Szene. Auch er war Maler und Biker, wie so viele hier. Er besaß den »Union Pool«, eine Bar und das »Hotel Delmano« in Williamsburg. Die Motorrad-szene würdigte ihn auch an diesem Tag in September. Rays Triumph hatte einen Platz auf der Show bekommen, ein großes Porträt des Künstlers hing dahinter.
Am Ende des Blocks parkte sein alter Ford-Truck. Er war so übersäht mit Blumen, dass es schien, als würden sie aus der Straße wachsen. Ein Sinnbild für die Zweiradszene dieser unglaublich starken Gemeinschaft, mitten in einer der pulsierendsten Städte der Welt. Ein Mikrokosmos, in den jeder einmal tief eintauchen sollte.