Liebe auf die ersten Kilometer war das nicht zwischen Sebastian und seiner Yamaha XS 650, das kam erst mit dem Aufbau.

Morgen verkauf ich das Ding wieder.« Nach einer Stunde Fahrt auf seiner frisch gekauften XS 650 war Sebastian entsetzt. Der Vorbesitzer der Japanerin hatte den Twin mit einem schwülstigen Apehanger geschmückt. »Zuhause sank der Blutdruck aber wieder. Gekauft hatte ich die XS ja nicht wegen ihres Lenkers.« Und die passenden Stummel lagen sowieso schon im Schrank, die Tage des Lenkgeweihs waren damit gezählt.

Yamaha XS 650 – länger und flacher

Früh hatte der eigene Vater mit seiner Honda Clubman Sebastians Liebe zu flachen, sportlichen Alltagsmaschinen geweckt. Dieses Gefühl hatte der Sohn schon während seiner Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker kompromisslos ausgelebt, etliche Zweiräder können ein Lied von den ersten Custom-Gehversuchen singen.

Die Kombination von Lenkerstummeln und vorverlegten Rasten löst bei Orthopäden Schnappatmung aus. Ein kurzer Ritt auf der geduckten XS kuriert das aber zuverlässig, der optimierte Motor geht wunderbar nach vorne. Wer dabei keinen Endorphin-Schub bekommt, muss halt über Zurückverlegte nachdenken

Nicht jedes der Projekte fiel so spektakulär wie gewünscht aus, erfolgreich waren sie aber alle: Mit jeder Stunde in der Garage wuchs in Sebastian die Gewissheit, einen Motorradumbau komplett alleine stemmen zu können. Sogar den einer XS 650 in Softchopper-Optik.

Eigenbau-Loop fürs Heck

Deren klobige Sitzbank war das erste Opfer und verschwand in einer dunklen Ecke. Das gab den Blick auf den zu langen Heckrahmen frei, den Sebastian hinter der Stoßdämpferaufnahme kappte. Nach dem Einschweißen eines Eigenbau-Loops mit dezentem Aufwärtsschwung ging auch der Serientank den Weg allen Altmetalls. Eine selbst entworfene Höckersitzbank und ein Sportstertank nahmen den Platz ein und brachten die XS schon deutlich in Richtung der gewünschten Optik. Flach und sportlich, wir erinnern uns.

»Ich wollte den Lack unbedingt selbst machen. Silber soll besonders schwierig sein, deshalb habe ich mir genau das ausgesucht.«

Gestört wurde diese Linie aber durch die steil aufragende Gabel des Zweizylinders. Abhilfe schafften neue, sanft gereckte Gabelbrücken. In Kombination mit durchgesteckten Gabelholmen und kurzen Stoßdämpfern hinten streckte das die XS entscheidend. Außerdem brachte es den Zweizylinder näher zur Straße.

Mehr Punch für die Yamaha XS 650

Damit stimmte die Linie des Bikes, es wurde Zeit für die Details. K&N-Filter und eine deutlich reduzierte Elektronik räumten das Rahmendreieck frei. Gekürzte Schutzbleche und ein seitlicher Kennzeichenhalter rückten die Räder ins rechte Licht, Faltenbälge und Treckerscheinwerfer betonten die neue, rustikale Seite der XS.

Familientradition: Bei Lotzwiks wird aus japanischer Massenware bevorzugt flaches, sportliches Alltagsgerät

Schließlich wurden auch die Stummellenker entstaubt und in Position gebracht.Auch dem Motor widmete Sebastian etwas Aufmerksamkeit: Neben einer Hubraumerweiterung sorgen optimierte Zylinderköpfe und Kurbelwelle für mehr Punch. Selbstverständlich wurde die Ventilsteuerung darauf abgestimmt, unterstützt wird sie von einer Boyer-Zündung.

Racer-untypisch: Fußrasten vorn

So weit entspricht das gängiger Cafe Racer-Praxis. Genau diesen Eindruck wollte Sebastian aber partout vermeiden. Dabei kamen ihm die vom Vorbesitzer montierten vorverlegten Fußrasten sehr gelegen: Er versetzte sie nicht, denn sie verleihen sie der XS optisch und ergonomisch Eigenständigkeit. Und erinnern nebenbei an die geschmackliche Fehlleistung vorheriger Halter.

Tomaselli-Stummel, brettaharte Eigenbau Sitzbank-Höcker-Kombi, Sportster-Tank – Sebastian bewies Stilsicherheit. Nur über die Vorverlegten lässt sich diskutieren

Durch die Position der Rasten kommt auch das markanteste Detail des Umbaus bestens zur Geltung: Die Auspuffanlage des Twins besteht aus nicht mehr als zwei hoch verlegten, penibel geraden Rohren. Die sehen höllisch laut aus, sind es dank integrierter Dezibel-Eater aber nicht. »Ungedämpft klingt die Yamaha grauenhaft. Das hätte ich nicht lange ausgehalten, ich will mir ja nicht selber auf den Sack gehen.«

Nostalgisches Rot für die Yamaha XS 650

Die Farbe der Yamaha XS 650stand schon vor ihrem Kauf fest. »Ich wollte den Lack auf jeden Fall selber machen und hatte gehört, dass gutes Silber besonders schwierig aufzutragen sei. Also wollte ich genau das versuchen.« Mit gesundem Optimismus deckte er sich im Baumarkt ein, grundierte den Lacksatz schwarz und trug dann großflächig Silber auf.

Punktuell eingesetztes Schleifpapier verlieh dem Ganzen Nutzoptik. Die roten Akzente an Hinterrad, Schutzblechen und anderen Bauteilen erinnern Sebastian an seine Kindheit. »Mein größter Stolz damals war ein Liliput-Dreirad. Das hatte rote Radkappen.« Aber ohne Apehanger.

 

 

Max Link