Aus der fixen Idee, mal ein Sprintrennen zu fahren, wurde ein feines Bobber-Customprojekt auf Basis einer Yamaha XS 650. Obwohl, eigentlich nur mit deren Zweizylinder-Motor.

Das mit den Ideen ist so eine Sache. Kaum sind sie einmal ausgesprochen, können sie ganz schnell eine Eigendynamik entwickeln, der man sich nicht mehr entziehen kann. Erst recht nicht, wenn sich zwei Freunde dabei noch gegenseitig hochschaukeln. Wolfgang und Thomas, das ist eine gewachsene Freundschaft mit der gleichen Leidenschaft für Motorräder, vor allem für die Yamaha XS 650. Mit seiner Firma Twins-Inn, einem Onlineshop für Parts von Yamahas Kultbike, hat sich Wolfgang zudem ein Standbein neben seinem Hauptjob geschaffen. Und wenn schon die XS 650 im Mittelpunkt des Interesses liegt, was wäre da naheliegender, als einen weiteren Aufbau gemeinsam durchzuziehen? Erst recht, wenn die Teilnahme an einem durchgeknallten Sprintrennen der Grund dafür ist.

Wolfgang und Thomas haben sich bei diesem Projekt gegenseitig hochgeschaukelt

»Thomas kam irgendwann mit der Idee, einmal ein Sprintrennen fahren zu wollen«, so Wolfgang. »Da habe ich ihm gesagt, er solle sich um einen Startplatz kümmern, ich kümmere mich ums Bike. So fing das Ganze an.« Thomas hat dann auch tatsächlich einen Startplatz bekommen. 2015 bei den »Starr Wars«, einem Sprintrennen für Starrrahmen, das während dem Glemseck 101 ausgetragen wird. Für die beiden gleichzeitig auch ein Motivationsschub, denn damit stand auch der Termin für die Fertigstellung fest.

Den Motor spendet eine von Wolfgangs Rennmaschinen

Beim Stil ist von Anfang an klar, in welche Richtung es gehen soll: »Wir wollten auf jeden Fall eine flache Linie haben. Auch bei den Rädern hatten wir die Größe schon festgelegt. Alles natürlich im Hinblick auf das bevorstehende Sprintrennen.« Als Antriebs-Aggregat greift Wolfgang auf einen Motor aus einer seiner Rennmaschinen zurück. Das Teil wird modifiziert, der Zylinderkopf bearbeitet, Nockenwellen mit längeren Ventilöffnungszeiten sowie größere Ventile und Schmiedekolben eingebaut. Der Hubraum steigt auf rund 710 Kubikzentimeter.

Die Mikuni-Flachschiebervergaser atmen durch offene Luftfilter

Den letzten Schliff gibt eine feingewuchtete Kurbelwelle, womit auch gleichzeitig die Vibrationen reduziert werden. Über die Leistung indes schweigen sich die beiden schmunzelnd aus. »Genug«, lautet die knappe und gleichzeitig vielsagende Antwort. Geheimnisse machen interessant und außerdem will man ja der mitlesenden Konkurrenz für die nächsten Starr-Wars-Rennen nicht allzuviel verraten.

Yamaha XS 650: Flachschiebervergaser für mehr Leistung

Leistungsfördernd wirken sich auch die Flachschiebervergaser aus, die die Gleichdruckvergaser ersetzen. Sie sprechen direkter und genauer an, verlangen aber eine sorgsame Einstellung und entsprechende Bedüsung. Da Wolfgang im Rennsport aktiv ist, kam auch nichts anderes in Frage. Performance muss dann doch sein.

»Nelly«, wie die XS liebevoll genannt wird, ist gespickt mit unzähligen Details. Egal wohin man blickt, es gibt immer etwas zu entdecken

Den Starrrahmen besorgen sie aus dem Zubehör, ebenso wie Gabel und Tank. Der gehörte ursprünglich auf eine Triumph BDG und wurde bei E-Bay versteigert. »Da stand sogar noch der Name drauf. Also haben wir »Nelly« einfach übernommen und das Bike so getauft. Nach und nach entsteht aus vielen Einzelteilen und individuellen Lösungen das Bike. Die Motivation bleibt ungebrochen, obwohl sich mit zunehmender Dauer natürlich auch Druck aufbaut. Ein  Termin ist ein Termin, lautet ein leider zutreffendes Klischee.

Grübeln, planen, machen, verwerfen – nur um wieder von vorn anzufangen

Das klingt zwar immer so einfach, kann aber auch zu Stress führen, erst recht, wenn man im zuerst im Hauptberuf Leistung bringen muss. So bleiben Thomas und Wolfgang mehr oder weniger nur die Wochenenden zum Schrauben, und auch hier müssen Kompromisse zugunsten von Familie und Freunden eingegangen werden, schließlich muss etwas Privatleben auch sein. Trotzdem verbringen die beiden fast jeden Samstag in Wolfgangs Werkstatt, hirnen, grübeln, planen, machen, verwerfen wieder, um von vorn anzufangen. Das übliche Prozedere, dem sich jeder Schrauber unterwerfen muss und das vielen von uns bekannt vorkommen dürfte.

Nix Klappensteuerung: Die Abdeckung der Endtopföffnung hat lediglich optische Gründe

Und so fliegen die Wochen dahin, folgt Samstag auf Samstag, bis im September 2015 der Hammer fällt. Es ist Sprintwochenende am Glemseck, Europas dem inzwischen größten Treffen für Cafe Racer und sportliche Motorräder in Europa. »Nelly« ist fertig, Wolfgang und Thomas auch. Was sich in rund 400 Arbeitsstunden an Anspannung aufgebaut hat, gipfelt nun im bevorstehenden Kampf zwischen Mensch und Maschine und alle gegeneinander.

Die Yamaha XS 650 schlägt sich tapfer bei den Sprints

Mit seinem ersten Rennen erfüllt sich für Thomas ein alter Wunsch, aus dem eine Idee für ein richtig schönes Motorrad wurde. Dank ihrer Erfahrung und der guten Vorbereitung schaffen es die beiden tatsächlich unter die letzten acht, bevor sie aus dem Starr-Wars-Sprintrennen ausscheiden. Das ist mehr als ein Achtungserfolg. Ebenso der dritte Platz bei der Ride-Inn-Bikeshow auf Thunderbikes Jokerfest. Alles richtig gemacht. Nelly, eine kleine Erfolgsgeschichte.

Info | www.twins-inn.com

Christian Heim