Einer der kühnsten Customizer des Planeten kommt aus Taiwan. Winston Yeh verstört und betört – mit dieser Yamaha MT-07 genauso wie mit vielen seinen anderen Werke.
Geschmackssache, ein Wort, das wir gern gebrauchen. Denn in Handwerk und Kunst muss alles erlaubt sein dürfen. Wenn sich beide die Hand reichen, umso besser. Winston Yeh beherrscht sein Metier perfekt, sein Stil ist oft düster und brutal, seine Motorräder dabei aber immer smart und fahrbar.
Unverkennbare »Rough Crafts«-Kreationen
Wir haben uns zur Demonstration seiner Arbeit eine MT-07 herausgegriffen. Um die ganze Welt von Meister Yeah zu verstehen, bedarf es aber auch dem Blick auf andere Kreationen aus seiner Werkstatt »Rough Crafts«, denn der Taiwanese hat schon diversen Basisbikes seinen unverkennbaren Stempel aufgedrückt.
Als ein Kundenauftrag Yamahas Mittelgewichts-Star MT-07 in Winstons Werkstatt spülte, zeigte sich der Customizer erfreut. Zum einen vom Auftrag, eine schnelle, agile Maschine zu bauen, die den extremen Verkehr in Taipeh locker bewältigen kann, zum anderen vom Vertrauen des Kunden, der dem Customizer die nötige freie Hand in der optischen Gestaltung ließ.
Yamaha MT-07 – Motor als tragendes Element
»Tatsächlich ist der Rahmen der MT-07 das interessanteste Teil am Motorrad«, erklärt Winston, der besonders die eckigen Formen, die den Motor als tragendes Element in Szene setzen, zu schätzen weiß. So behält Winston das Fahrwerk bei, nimmt nur leichte Modifikationen vor und befreit an den nötigen Stellen von Plastik und überflüssigen Halterungen.
So bleibt die kantige Grundstimmung des Bikes erhalten, Optimierungsbedarf sieht Winston an anderer Stelle. »Die Gabel ist für mich ein Manko am Originalbike, viele Fahrer empfinden sie als zu weich«, erklärt der Customizer. Er beauftragt die Fahrwerksspezialisten von Gears Racing damit, das Frontend zu modifizieren.
Gabelcover in brutal-muskulösem Stil
Die kürzen die Originalgabel und fügen eine Vorspannung ein, die Gabelcover kommen von Winston selbst in brutal-muskulösem Stil. Da es in Taipeh 165 Tage im Jahr regnet, bieten die tatsächlich auch einen nützlichen Schutz. Um das nun optisch massive Frontend auszugleichen, werden Tank und Heck in ähnlich eckigem, breitem Stil konstruiert und gebaut.
Auch die 17-Zoll-Räder sind Einzelanfertigungen, gebaut von Wukawa Designs und besohlt mit Pirelli-Regenreifen. In Deutschland sind die nicht für öffentliche Straßen zugelassen, dem Bike aus Taiwan verpassen die Sportreifen mit dem auffälligen Muster einen Look, der dem Meister gefällt, »und ihr erinnert euch, viel Regen hier«, grinst er.
Yamaha MT-07 – Rough-typische Details
Wer bei den offensichtlichen Details genau hinschaut, wird noch viele weitere Rough-typische Teile entdecken, die sich diskret über das Bike verteilen. Da wären zum Beispiel die gefinnten Riser, der seitlich auf dem Spritgefäß versenkte Tankdeckel oder der Scheinwerfergrill.
Die Griffe und Lenkerendenblinker kommen von motogadget, die Bremsensteuerungen von ISR. Und Winston hat die original Yamaha-Instrumente in den Tank integriert, stilistisch nahezu perfekt. Kunst darf also am Ende tatsächlich alles, auch gern in eine perfekte Fahrmaschine verpackt sein.
Info | roughcrafts.com
Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.