Potente Breitensportler gibt’s zuhauf. Doch welche Athleten haben das Talent zum Cafe-Racing? Team Metisse liefert gleich zwei mögliche Antworten auf Basis von Harleys XR 1200 und KTMs 690er Duke.
Horst heißt der Mann – Horst Edler. Sein Nachname ist Programm, manifestiert sich darin doch gleichsam der Anspruch an die eigene Arbeit: Edler soll’s werden. Als Kopf von Team Metisse – einer niedersächsischen Talentschmiede für den motorisierten Breitensport – kümmert er sich bevorzugt um moderne Rohdiamanten von Triumph, BMW, Harley oder KTM – und verpasst ihnen individuellen Feinschliff. Sein Fokus liegt dabei auf der Steigerung von Effizienz, vor allem durch sehr viel Liebe zum Detail. Stupides Pumpen in der Muckibude kann schließlich jeder. Horst aber widmet sich den Maschinen wohlüberlegt, speckt hier ein bisschen ab, trainiert dort definiert an. All dies meistert er, ohne seine Zöglinge technisch zu überfordern. Schließlich sollen sie noch präziser, unterhaltsamer und flotter performen.

Das Ergebnis beeindruckt und ist dank reproduzierbarer Trainingsmethoden sowie einem ordentlich sortierten Online-Shop auch auf den Fuhrpark der Allgemeinheit übertragbar. Wir wollen die Metisse’sche Arbeitsweise deshalb mal näher betrachten und entlassen dazu zwei gut trainierte Wettkämpfer aus dem Trainingslager. Wir sind zu diesem Zweck in Berlin. Hier, in der engen Großstadt, wo flotte Zweiräder weder zu Hause noch besonders willkommen sind, lassen sich die Probanden unter besonders widrigen Bedingungen auf den Zahn fühlen. Die tiefstehende Sonne wirft bereits am frühen Nachmittag lange Schatten. Fast zärtlich betätschelt das Licht mit letzter Kraft die gestrafften Silhouetten der beiden Maschinen.
Team Metisse mit zwei komplett unterschiedlichen Cafe Racern
Ultragedrungen steht die KTM CR 690 auf Basis der eintöpfigen Duke da. Zierlich, ja fast hager kommt sie daher. Die fürstlichen Gene aus Mattighofen sind offensichtlich – nur vornehme Zurückhaltung ist nicht so ihr Ding. Das angriffslustige Orange des Rahmens schreit mit österreichischem Akzent: »Ey, will jemand auf die Fresse?!« Der tiefergelegte Einzylinder mit dem ungewöhnlichen Cafe-Racer-Heck scheint stets kampfbereit. Ganz anders die Harley VCR 1200. Wäre die KTM ein übermotivierter Judoka – die verfeinerte XR würde glatt als unaufgeregter Rugby-Spieler durchgehen: »Sag Bescheid, wenn du Stress willst. Bis dahin bin ich an der Bar.«

Massiv und bullig kommt die Maschine daher. Straight forward. Mit viel Muskelmasse bepackt und in einen patriotischen Dress aus blau-weiß-rotem Hochglanzlack gekleidet, ist sie der Gegenentwurf zum wesentlich filigraneren KTM-Konzept. Das klassische Ensemble bestätigt aber: Auch Übergrößen können passen … Doch genug von Körperbau und Statur. Vielmehr zählt, was die Wettkämpfer wirklich zu leisten im Stande sind. Ich knöpfe mir zuerst die Harley vor. Seit Produktionsende vor bald zehn Jahren trauern viele der XR hinterher, denn schon in der Serie ist man mit der Zwölfhunderter gut unterwegs. Sicher – kein Vergleich zum aktuellen Supersport-Halligalli. Doch wer kann damit auf öffentlichen Straßen noch wirklich was anfangen?
Ein langer Alutank schmiegt sich flach über den Harley-V2
Für ein Publikum jedoch, das sich von XJR, Griso & Co. angesprochen fühlt, ist der Ami-Brummer noch immer eine echte Option. Der Zweizylinder schüttelt sich im Stand, dass es eine Freude ist. Die Bremsen sind erstaunlich bissig. Und das von Metisse mit Wilbers-Dämpfern kultivierte HD-Fahrwerk hat so rein gar nichts mehr mit dem sonst üblichen Gestochere im Asphalt zu tun, das man aus Milwaukee gewohnt ist. Nach Horsts Trainingsprogramm blitzt die genetische Veranlagung nur noch stärker hervor. Ein langer Alutank schmiegt sich flach über den V2. Zylinderköpfe und Schutzblechhalter in Rot brechen das sonst eher zurückhaltende Äußere der Harley stilsicher auf. Zusammen mit einem klassischen Sitzhöcker aus gleichem Material legitimiert das den Namen: VCR 1200 … Klar, oder?

In Verbindung mit lecker gefrästen Gilles-Rasten und einem krude gekröpften, aber erschreckend effektiven Lenker dirigiert man die Harley vom Ledersattel aus ab der ersten Sekunde souverän. Der Ofen legt sich willig, wenn auch nicht gerade leichtfüßig in Kurven und bezaubert mit jedem Zug am Gas. Satten, aber nicht aufdringlichen Klang aus den matten Remus-Schalldämpfern gibt’s als Zugabe. Mit der breiten Lenkstange im Griff blase ich durch die wuseligen Straßen der Hauptstadt. Die kompakten Serien-Instrumente an der nackten Front erinnern an amerikanische Dragster – und diese Assoziation liegt nahe. Denn aufgrund sinnentleerter Ampelphasen stehe ich an jeder zweiten Kreuzung und warte wie auf dem Dragstrip aufs erneute Go.
Team Metisse Racer – Drahtiger Sprinter gegen bärigen Muskelmann
Nun gut, ich mache das Beste draus: Mit sattem Klonk bekommt das etwas kantige Getriebe mit Nachdruck den ersten Gang serviert. Rot …, Gelb …, Grün! Die Harley schiebt. Der Motor hat viel Schmalz und Charakter, feuert dich jederzeit mit guter Laune gen Horizont. Mehr braucht’s nicht. Aber vielleicht weniger? Die KTM ist mit unter 150 Kilo zwei Zentner leichter als der Milwaukee-Twin, eher drahtiger Sprinter denn bäriger Muskelmann. Mit 70 PS aus dem hart arbeitenden, aber sehr drehwilligen Einzylinder ist der Spieltrieb des schlanken Allstars schon auf dem Papier klar definiert. Nur den Drehzahlkeller sollte man meiden, denn dort hackt die KTM wie ein räudiger Köter an der zu strammen Kette. Doch: Wehe, wenn sie losgelassen.

Dann verwandelt die CR 690 die Stadt in einen amüsanten Hürdenparcours. Vor dir fahrende Autos werden mit einem kurzen Schnapp der Drosselklappe weggeschnupft. Jede noch so kleine Lücke ist eine willkommene Herausforderung. Gierig, nein …, hyperaktiv fällt der Single mit den schmalen Lenkerstummeln in Schräglage. Die Grenze des Machbaren definiert dann weniger das gepimpte Material, als vielmehr die eigenen Fähigkeiten. So habe ich beim spontanen Ampelsprint gegen die VCR, die jetzt von Horst pilotiert wird, zunächst das Nachsehen. Denn im Ersten und Zweiten zuckt das Vorderrad der KTM immer wieder locker gen Himmel. Ganz so, als wolle sie Usain Bolt und seine berühmten Siegerpose nachahmen. Währenddessen beschleunigt die Harley einfach nur satt durch – wer die VCR wheelt, frisst auch kleine Kinder. So brauche ich etwas Zeit, um mich an die CR 690 und ihren Biss zu gewöhnen.
Den fast hysterischen Aktionismus der KTM spürt man in jeder Sekunde
Nach einer Stunde hat man den kleinen Wildfang mit Cafe-Racer-Attitüde aber so gut im Griff, dass man es auf den Hauptstraßen der City richtig laufen lassen kann. Ständig begleitet vom munteren Plärren und Knallen aus der steilen Chromtüte. Den fast hysterischen Aktionismus der KTM spürt man in jeder Sekunde. Sie will gebändigt und voll ausgekostet werden, während dir die etwas entspanntere, aber ebenso unterhaltsame Harley mehr Zeit und Raum für den eigenen Stil lässt. Beide jedoch eint die Handschrift von Team Metisse: Edle CNC-Teile, filigrane Titan-Schräubchen, verstellbare Hebel und samtiger Lack.

Horst grenzt sich mit dieser Kür klar von der reinen Pflichterfüllung der Großserie ab. Zumal der TÜV sein Anti-Doping-Zertifikat für Alutank, Sitzbank und alle noch so kleinen Accessoires ausstellt. Als wir erst zu später Stunde mit beiden Metissen zufrieden im Ziel eintrudeln, haben wir zwei neue Mitglieder für unser Team gewonnen. Denn beide Cafe Racer, so unterschiedlich sie auch sind, haben in der Stadt – dem ursprünglichen Spielterrain ihrer Gattung – ihr Potenzial als echte Sportskanonen unter Beweis gestellt. Willkommen im Club.
Info | metisse.de
