Wie ein Blatt im Wind oder: Was aus einer Suzuki GS 750 werden kann, wenn man dem Herzen und nicht dem Mainstream folgt.
Es scheint, als hätten wir uns in unserer modernen, westlichen Gesellschaft an das Mittelmaß gewöhnt. Autos, Pop-Musik, Architektur – alles glattgebügelt, stereotyp, langweilig. Opium für das Volk ja, aber bitte gering dosiert und verpackt in Einheitsbrei. Dabei finde ich Design dann interessant, wenn es spannend ist und vielleicht sogar provoziert. Wenn es die Leute zum Nachdenken bringt und wenn ein Künstler nicht blind der Masse folgt, keinem Trend oder Hype nacheifert.
Suzuki GS 750 – Anders, als die anderen
Und ist nicht ein Motorrad eine perfekte Basis, um ein visuelles Feuerwerk abzubrennen? Ich wollte, dass meine Suzuki anders als das typische Custombike wird, sie sollte inspiriert sein von der japanischen Denkweise. Mir schwebte ein Motorrad vor, das von losen, luftigen Elementen dominiert wird, die scheinbar im leeren Raum schweben. Nicht nur die Masse braucht Aufmerksamkeit, sondern auch oder sogar besonders die leeren Räume dazwischen – genau wie bei der Bonsai-Kunst.
Der zweite Punkt war, dass ich Spannung wollte zwischen sauberen Linien und anmutigen, organischen Formen. Zwischen CAD-Design und Handwerkskunst muss eine ausgewogene Mischung herrschen. Ich gestehe, meine Gedanken zu meinem Bike waren abstrakt und fast philosophisch. Dazu sollten die Kosten relativ gering gehalten werden. Ich fand meinen Meister in Arno Overweel. Er setzte meine Idee in ein erstaunliches Design um, das er schließlich Schritt für Schritt in Stahl baute.
Rattige Suzuki GS 750 unterm Heuhaufen
Die Geschichte der Basis-Suzuki begann für mich vor beinahe einem Jahrzehnt, als ich die rattige GS unter einem Haufen Heu fand. Der damalige Besitzer hatte den Vierzylinder bereits in einen starren Zodiac-Rahmen gesetzt, der seinerzeit von der niederländischen Firma DPP gebaut worden war. Er wollte das Motorrad für einen sehr niedrigen Preis loswerden. Das Bike sah gut aus, aber vor allem die Papiere waren für mich interessant. Die Suzuki war bereits als Chopper registriert.
Ich kaufte das Motorrad und war danach sehr aktiv, um den schlecht gewarteten Motor wieder in einen ordentlichen Zustand zu bringen. Ein paar Monate fuhr ich das mattschwarze Ding, um es schließlich gemeinsam mit meinem Vater zu meinem »Own Skool«-Chopper umzubauen. Leider begann der Motor irgendwann wieder zu spinnen. Aus Mangel an Zeit, ihn vernünftig zu reparieren, verschwand die Suzuki schließlich unter einem Tuch in meiner Scheune und setzte über die folgenden Jahre viel Staub an.
Suzuki GS 750 – Samurai auf zwei Rädern
Erst meine Idee vom Samurai auf zwei Rädern sollte ihre Wiederauferstehung markieren. Den Startschuss für das Projekt lieferten mir Mario und Hiob, die mir anboten, mir eine Blattfedergabel zu bauen. Ihre Firma Kruyswater hat sich auf die Herstellung klassischer Gabeln spezialisiert. Als ich den Jungs aber sagte, dass ich die Gabel nicht an einem Oldschool-Bike verwenden wollte, sondern an einer GS mit Gussrädern einer Suzuki GSX, modernen Scheibenbremsen und Offroad-Reifen, zögerten sie doch. Erst als sie erfuhren, dass Arno das Motorrad bauen würde, waren sie beruhigt.
Die Probleme mit dem Motor stellten sich schnell als eine lediglich kaputte Zündung heraus. Diese wurde durch eine moderne, elektronische Dyna-Zündung ersetzt. Der Motor lief wieder problemlos, wurde aber neu gestrahlt und gepulvert. Bevor der anspruchsvolle Deisgn- und CAD-Teil der Arbeit beginnen konnte, musste Notwendiges gemacht werden. Der Motor hing schief im Rahmen und einige Halterungen fehlten einfach.
Technisch ist das alte Hardtail nun auf dem neuesten Stand
Der Rahmen wurde grundsätzlich mit neuen Motorlagerungen, Bremsklammern, einem neuen Kettenspanner, frischen Lagern und mehr rekonstruiert. Nicht sehr spannend fürs Auge, aber dringend nötig. Technisch ist das alte Hardtail nun auf dem neuesten Stand. Da der Zodiac-Rahmen eine andere Geometrie als ein normaler Harley-Rahmen aufweist, musste die Gabel maßgeschneidert werden. Ich schickte die gewünschte Gabelgröße an Mario, schon ein paar Tage später konnten wir die Gabel auf den Rahmen anpassen und montieren. Es lief reibungslos.
Bereits nach einem Nachmittag stand ein Rolling Chassis vor uns, das sehr cool aussah – viel zu cool. Arno war klar, »es wird ein umstrittenes Bike sein, viele werden die Augenbrauen runzeln und es wird bei weitem nicht jedem gefallen.« Aber sowas war mir schon immer egal. Obwohl Arno ein Meister des CAD ist, entschied er sich, das Aluminiumblech für Tank und Heck von Hand zu kreieren. Die Schweißnähte wurden absichtlich unbehandelt belassen, die viele Handarbeit sollte klar zu sehen sein. Da viele Einzelteile am Motorrad nicht nah beieinander liegen, war es nötig, sie visuell zu verbinden.
Die Linie wurde optisch mittels der Blattfedern gestreckt
Zum Beispiel wurde die Linie optisch mittels der Blattfedern – ähnlich denen an der Gabel – für den Sitz gestreckt. Bei der Lage der Montage für diese Blattfedern blieb in der Tat nur wenig Platz für den Tank. Ich fand es die beste Option, den Tank unter dem Rahmenrohr, anstelle darüber zu montieren. Der Vorteil ist außerdem, dass der Tank den Leerraum über dem Motor füllt, wodurch der Mittelteil des Bikes extrem kompakt wird. Die Tankkappe wurde in CAD modelliert und dann CNC-gefräst. Im gleichen Stil wie der Tank wurde auch der Aluminium-Schwanz gearbeitet.
Die Seiten des Aluminium-Scheinwerfers wurden zusätzlich abgeflacht. So ist die ganze Karosserie schön einheitlich. Nichts ist außerdem besser, als mit kreativen und inspirierenden Menschen zu arbeiten. Zum Glück kreuzte die deutsche Lederkünstlerin Katharina von der Eiche unseren Weg. Sie baute den fantastischen Ledersitz, verziert mit Blättern des japanischen Ahorns. Das Ergebnis ist fast zu schön, um darauf zu sitzen und es zu verdecken! Arno fand außerdem einen schönen Fußrasten-Satz einer Kawasaki ZX-10, baute allerdings neue Fersenplatten dafür. Er montierte den Schalter in der Kupplungsabdeckung des Motors.
Die Suzuki GS 750 soll dienen wie ein Samurai
Last but not least ist auch das »Dial« des MMB-Digitaltachos ein einmaliges Stück Arbeit, das von Arnos Bruder entworfen wurde. Blieb noch die Farbe. Ich entschied mich für ein zweifarbiges Farbschema, bestehend aus Mattorange und Armeegrün. Es spiegelt die Herbstfarben eines Japanischen Ahorns wunderbar wider, das schafft in meinen Augen die richtige Atmosphäre. Der Begriff »Samurai« bedeutet übersetzt »Er, der dient«. Und das wird dieses Motorrad tun – mir dienen und als mein japanischer Krieger den Asphalt schlucken – subayaku, schnell!
Info | rnocycles.nl