Das Leben verändert sich, irgendwann werden die größten Rabauken sesshaft – wie Simon in seiner Tin Box Garage

Simon hat viel von der Motorradwelt gesehen, siebzehn Mal war er allein in Daytona, um dort an der Entstehung des Krautmeetings – des Treffens der deutschen Biker auf der Bike Week – mitzuwirken. Dazu ist er Mitglied der »Lords of Mayhem«, einer privaten Schraubergemeinschaft, die sich ganz den alten Karren auf zwei und vier Rädern verschrieben hat. Und als »Gladiator from Hell« wird er als Model oder für Shows gebucht.

Seit Dreißig Jahren in der Szene

Der Bayer kennt einen Haufen Leute aus der Szene und er schraubt, seit er denken kann. Kein Bike ist vor ihm sicher, alte AME-Karren und vieles andere ist schon durch seine Finger gegangen. Zweimal hatten wir Motorräder des Bayern in unserem Magazin vorgestellt, 1999 einen Japancruiser, 2013 eine Enfield.

Platz ist in der kleinsten Hütte. Gerade mal 24 Quadratmeter reichen Simon zum Schrauben

»Ich bau alles, was mir gefällt«, sagt er, kann aber eine Affinität zu amerikanischen Motorrädern dann doch nicht ganz verbergen. Die große USA-Flagge hängt nicht umsonst in Simons Garage – einer Blechbox, die in Österreich steht.

Tin Box Garage – die Hütte steht in Österreich

Die Liebe zog den mittlerweile 54-Jährigen von Bayern in den Nachbarstaat, Simon hatte sich entschieden, nochmal eine komplett neue Lebensrichtung einzuschlagen, nachdem er seine damalige Freundin und spätere Frau kennengelernt hatte.

Ein bisschen USA-affin ist der 47-Jährige definitiv, siebzehn Mal war er allein auf der Daytona Bike Week. Auf Harleys festgelegt ist er trotzdem nicht, »ich baue, was mir gefällt«

Die Motorräder aufgeben muss man dafür nicht. Auch in seinem neuen Domizil in der Nähe von Salzburg wollte er eine Werkstatt haben, »sonst bin ich nicht vollständig«, sagt er. Die österreichischen Behörden machten es Simon nicht leicht, viermal wird sein Bauantrag abgelehnt, er ist angepisst.

Schrauben in der Blechbüchse

»Wenn ich schon nicht mauern darf, dann will ich was anderes haben. Sonst gehe ich zurück nach Bayern«, er setzte seiner Frau eine Frist von drei Wochen. Sie hängte sich umgehend an den Rechner und ordert eine Blechhütte in Polen, inklusive Aufbau.

Wände erzählen Geschichten: Von Treffen, Menschen und Motorrädern. Da ist es in der »TinBox« wie überall

In kürzester Zeit stand Simons Refugium, seine »Tin Box Garage«. Die Autos musste er schnell auslagern, 24 Quadratmeter reichen kaum für alles, was sich in den Jahren so angesammelt hat. Ein paar Motorräder durften bleiben, dazu das nötigste Werkzeug und das Schweißgerät.

Ein Sofa braucht es auch in der Tin Box Garage

Und immerhin, sogar ein Sofa, besser die Rückbank aus ’ner alten Karre, hat Platz in dem kleinen Raum gefunden. Sitzen tut Simon hier oft allein, mit anderen zusammen schrauben ist sein Ding nicht. »Ich mach das lieber nur für mich«, sagt er uns.

Simon schiebt seinen Harley-Scrambler für uns auf die Straße

Wenn doch einmal Arbeiten anfallen, die er nicht selbst erledigen kann, sind die Schrauberfreunde zur Stelle. Die von seinem Club oder die Jungs, die er in Österreich gefunden hat und die auf derselben Wellenlänge bauen und fahren wie er. Es hat sich eine kleine Gemeinschaft gebildet.

Simon ist ein Teil der Ösi-Szene geworden

Die Szene in unserem Nachbarstaat wächst, Simon ist ein Teil von ihr geworden, »wir haben Leute gebündelt, die passen und die zusammenstehen.« Mit einem gemeinsamen Event wurden die neuen und alten Freundschaften begossen.

Der Name passt: Die Blechbüchse, die Simon neben sein Haus bauen ließ, nennt er liebevoll »Tin Box Garage«

Die »Custom Church of Sinners« war 2019 ein Treffen im alten Stil, ohne Kirmesbuden und Ringelpiez, dafür Benzingequatsche und Campground – auf dem Hauptplatz nur Pre-Evo-Karren mit Baujahr vor 1984. Mehr musste es für Simon nicht sein. Und es freut ihn und uns, wenn es mittlerweile wieder viele solcher kleinen Treffen in Europa gibt.

Angekommen in der Tin Box Garage

Er hat viel von der Szene gesehen, auch den Rummelplatz mit all den merkwürdigen Storys, die man erzählen könnte. Brauchen tut er den nicht mehr, Simon ist angekommen.

Info | Tin Box Garage

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.