Norka heißt das Zweitaktmonster mit Norton-Federbettrahmen und 500er Dreizylinder-Zweitakt-Motor aus der Kawasaki H1. Klarer Fall von böse.

Lust auf etwas Ungesundes? Zigarette ohne Filter, Oldtimer ohne Anschnallgurt? Bist du auch der Nichtraucher, der bereits überlegt, ob er nicht das Rauchen anfangen soll? Nur weil man damit endlich zum politisch unkorrekten Außenseiter wird? Einmal noch so richtig wild und rücksichtslos sein? Den Gesundheits- und Umweltaposteln ein Schnippchen schlagen? Etwas mit den eigenen Händen bauen statt nächtelang am Mäuschen zu klicken und vor dem Bildschirm versauern?

Laut, gefährlich und schadstoffstark sind out

Die Schlinge aus Vernunft und Verbot zieht sich unmerklich enger. Die Nischen werden knapp. Laut, gefährlich und schadstoffstark sind out. Doch es gibt noch kleine Widerstandsnester. Im Land der Schadstoffplaketten, Energiesparlampen und Wärmedämmungen. Es regt sich vereinzelter Widerstand. In kalten Wintern entstehen in verborgenen Hinterhofwerkstätten Fahrzeuge, die jedem Öko-Protagonisten die Haare zu Berge stehen lassen.

Kolben gehören beim H1-Motor zu den häufiger benötigten Verschleißteilen. Also wird der Triple erst einmal überholt

Doch diese Uneinsichtigen, die sich monatelang in ihren Schrauberbuden verschanzen, sind keine Helden. Hinter den Kulissen sieht es anders aus. Viele von ihnen sind Abhängige. So wie Malte Jahns. Malte aus dem niedersächsischen Wolfenbüttel ist einer der führenden Köpfe der »Leise-ist-scheiß«-Bewegung in Deutschland, die den historischen Zweitakter als einzig wahres Suchtmittel anerkennt.

Kawasaki H1 – Der ultimative Zweitakter

»Ich bin durch jahrzehntelanges Harley-, DKW- und MZ-Fahren unrettbar infiziert«, gesteht Malte zitternd und ist dabei fast den Tränen nahe. »Es war eine innere Stimme, die zu mir sprach«, erinnert sich Jahns. Die Stimme befahl ihm, sich endlich den ultimativen Zweitakter zuzulegen. Auf einem Hinterhof im Schwäbischen wurde die japanische Droge unter konspirativen Umständen übergeben: eine Kawasaki 500 H1 B, Baujahr 1972.

Scheibenbremsen sollten es schon sein. Adapterringe ermöglichen deren Montage und die der Räder in die Telegabel

Doch das sollte nur der Anfang sein. Denn wie der Teufel es wollte, hatte Jahns bereits in jüngeren Jahren Literatur über eine Droge in die Hand bekommen, die in den siebziger Jahren für den ganz besonderen Kick sorgte: die »Norka«. Eine brandgefährliche Mischung mit Zutaten aus Fernost und von den britischen Inseln. Das Crack der Zweiradszene. Pfiffige Köpfe schraubten den H1-Motor kurzerhand in ein äußerst stabiles Norton-Federbett-Fahrgestell. So wurde ein Norton-88-Rahmen, Baujahr 1954, zum Rückrat des Umbaus auserkoren. Nicht ohne vorher die Passgenauigkeit des Kawa-Dreizylinders zu testen.

Kawasaki H1 Triple im Norton Federbettrahmen

Von der Kawasaki blieben diverse Organspenderteile erhalten. Doch auch wenn klassische Trommelbremsen für eine ansprechendere Optik gesorgt hätten, so wollte Jahns doch modern verzögern, da das Fahrzeug auch zügig im Alltag bewegt werden sollte. Eine der größten Herausforderungen wurde die Anfertigung des maßgeschneiderten Öltanks für den durstigen Zweitakter. Nachdem sich Jahns zunächst vergeblich selbst bemüht hatte, rettete schließlich ein blechformerisch begabter Freund das verunglückte Blechobjekt.

Nach der Anpassung wurde das komplette Gefährt wieder zerlegt und dem Lackierer übergeben

Auch die optischen i-Tüpfelchen im Design der Maschine entwarf Jahns selbst, etwa das Norka-Emblem in Anlehnung an den berühmten Norton-Schriftzug. Rund 2700 Arbeitsstunden inklusive Recherchen verschlang das britisch-japanische Projekt, allein 50 Bauteile mussten auf der Drehbank individuell angefertigt werden. Aber keine Frage: Der Aufwand hat sich gelohnt!

 

Guntram Jordan