Kalifornien steht für Customreisende ständig auf dem Plan, also entschieden wir uns, mal die andere Seite der USA unter die Lupe zu nehmen. New York mit dem Motorrad, here we go!

The city that never sleeps« – was Los Angeles für die Westküste, das ist New York für die Ostküste. Und auch motorradtechnisch ist im Big Apple was geboten, weshalb wir uns zum Ostküstentrip entschlossen – natürlich passend zur im Spätherbst stattfindenden Brooklyn Invitational. Immerhin ist die Custom-Dichte in NY dann am höchsten. Den Weg nach New York hatten wir aber schon im Sommer in Kalifornien geebnet. Und die nachgesagte Oberflächlichkeit der Amerikaner ist in diesem Fall sogar sehr hilfreich gewesen.

Unterschiede in der Bikeszene zwischen Ost- und Westküste

Man kommt einfach unheimlich schnell ins Gespräch, das ist sehr praktisch. Als wir nämlich auf unserer Garagen-Tingel-Tour in Calif unterwegs waren und im Zuge dessen in Arie van Schyndels Bude »JDA« vorbeischauten, stand dort diese wunderschöne blaue Knuckle. Wir kamen mit Jason, dem Besitzer, ins Gespräch. Schnell stellte sich raus, dass er aus New York kommt, und wir diskutierten bei ein paar Bier die Unterschiede in der Bikeszene zwischen Ost- und Westküste. Das Ganze endete mit einem »Kommt doch vorbei und schaut es euch an – am besten an dem Wochenende der Brooklyn Invitational und der Indian Larry Block Party.«

Skyline: Blick über den Calvary Cemetery in Queens

Zurück in Deutschland ließ uns Jasons Angebot nicht in Ruhe, also eine kurze Mail nach New York und binnen einem Tag die Antwort: »Schickt Flugdaten durch, ich kümmere mich um den Rest.« Also Billigflug gebucht und ab über den großen Teich. Man muss sagen, die ganze Nummer hatte etwas vom ersten Date. Wird die Olle kommen oder holt einen der Typ, den man bisher nur einmal gesehen hat, wirklich vom Flughafen ab? Egal, rein in den Flieger und ab in die Staaten. Und tatsächlich schob sich bei unserer Ankunft ein grauer SUV hupend durch das Verkehrschaos am JFK-Airport, um die Krauts abzuholen.

Mit dem Motorrad im Stadtverkehr von New York

Alles Weitere ist an – nennen wir es mal – Kameradschaft nicht zu überbieten. Jason hatte seine Eltern aus ihrem eigenen Haus ausquartiert, damit ein paar Deutsche und ein paar Jungs aus Calif einen vernünftigen Schlafplatz hatten, der Kühlschrank war bis zum Bersten mit Bier und Wasser gefüllt und für jeden seiner Gäste hatte Jason ein Bike organisiert. Es stand also einem würdigen Kulturwochenende am Big Apple nichts mehr im Wege. Außer einer zickenden Panhead, ein paar Hockern ohne wirkliche Bremsen und Beleuchtung und dem New-Yorker-Stadtverkehr. Aber ihr wisst schon, einem geschenkten Gaul …

Auf kaum einer Straße sind die Mieten höher als auf der 5th Avenue – weltweit

Nun sind wir ja schon fast überall auf der Welt durch die Gegend gebügelt, aber auf einer alten Shovel mit den originalen Bremsen durch Manhattan zu fahren, eine ganze Bande an Oldschool-Bikes im Schlepptau, dagegen ist Münchhausens Ritt auf der Kanonenkugel ein Scheißdreck. Panik und Verlustängste wechsel sich während unserer Ausfahrten kontinuierlich ab. Nicht nur, dass es mehr Autos als freie Highway-Quadratmeter gibt, nein, auch die Schlaglöcher stehen im Größenverhältnis der Skyline von New York in nichts nach. Deshalb gibt es – auch zu unserer Entschuldigung – diesmal keine Fahraufnahmen von unserem Trip.

Der dichte Verkehr erlaubt es kaum, in die Gegend zu glotzen

Eine Hand vom Lenker zu nehmen, um entsprechende Bilder zu machen, wäre dem Bruce-Willis-Spaziergang mit Schildbehang durch Brooklyn gleich gekommen – reiner Selbstmord. Also begnügen wir uns mit einer von Jason geführten Sightseeing Tour auf einer alten Police-Special-Shovel im Pulk von zehn Bikes quer durch New York. Wobei wir dabei gar nicht so viel mitbekommen. Der dichte Verkehr erlaubt es kaum, in die Gegend zu glotzen. Hier ist Konzentration angesagt.

New York ist Moloch, Schmelztiegel und Partyburg in einem. Und in Brooklyn ist New York, besonders im Herbst, auch Customzon

»Brooklyn Invitational« und »Indian Larry Block Party« stehen auf dem Unterhaltungsprogramm und natürlich diverse Barbesuche und Pre-Partys. Alles in allem ist New York eine verrückte, riesige, schnelle und raue Stadt, die unendlich viel zu bieten hat und immer eine Reise wert ist. Aber wir sind ja im Auftrag der Kradkultur unterwegs. Unser Fazit zur Brooklyn Invitational Show könnt ihr hier lesen. Jetzt bleibt uns noch, die Indian Larry Block Party zu kommentieren. Was, wenn wir ehrlich sind, nicht wirklich einfach ist. Larry und seine Bikes sind Legenden der Custombike-Kultur. Ohne Diskussion. Aber, ob er sich seine Partys so vorgestellt hat? Das darf bezweifelt werden. Wir sind gelinde gesagt enttäuscht von der Nummer. Zu wenig Flair, zu wenig Bikes, too much business. Nicht ganz unser Ding.

Die Custombike-Szene ist deutlich kleiner als in Kalifornien

Dagegen gehört der Blick vom Empire State Building über die Stadt zum Pflichtprogramm. Dabei ist es fast egal, ob man die Touri-Tour per Bike oder mit dem Taxi zurücklegt. Aber wenn Taxi, dann auf jeden Fall immer ordentlich fluchen. Das gehört in einem New Yorker Taxi zum guten Ton, erklärt uns Jason. Denn nur so reagieren die Typen hinter der Plastescheibe auch auf euch. Auch zu empfehlen an dieser Stelle, immer mal aufs Handy schauen, um zu checken, ob der Typ euch nicht im Kreis fährt. Sollte es der Fall sein, noch lauter und deutlicher fluchen.

Bilder während der Fahrt durch die Stadt haben wir leider nicht, es wäre selbstmörderisch gewesen, sie zu machen

Für die Abendunterhaltung bietet die Stadt natürlich wirklich unzählige Kneipen und Bars. Egal ob in der Lower East Side oder im aktuell hipsten Stadtteil von Brooklyn, in Williamsburg. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass, je weiter die Treppe zur Kneipe hinuntergeht und je schummriger die Beleuchtung ist, desto niedriger sind die Bierpreise und umso unterhaltsamer ist das Publikum. Dank unserer Gastgeber hatten wir einen intensiven Einblick in die Custombike-Szene der Ostküste. Und ja, es gibt einen Unterschied. Sie ist deutlich kleiner als in Kalifornien und dabei viel unaufgeregter. Was das Ganze um einiges entspannter macht.

New York mit dem Motorrad ist einfach nur anstrengend

Die Qualität der Bikes und der Werkstätten liegt aber definitiv auf dem gleichen Niveau wie an der Westküste. Nur, die Fahrerei auf den total überfüllten Highways wird mit der Zeit ziemlich anstrengend. Wer also mal Ostküstenluft schnuppern will, dem können wir die Zeit rund um die beiden Shows nur ans Herz legen – falls sie denn wieder stattfinden, was aktuell ungewiss ist. Es ist auf jeden Fall eine Reise wert. Und last not least: Ein fettes Thanks an Jason von Visionary Cycle Products, Carmine von Syndicate Choppers, Big Nick, Mike und Ari van Schyndel. Hell yeah … wir hatten eine verdammt gute Zeit mit euch.

 

Benjamin Grna