Motorräder bekommt man nicht alle Tage geschenkt. Und so konnte ich schlicht nicht nein sagen, als mir ein Bekannter seine Honda XBR 500 anbot

Seit fünfzehn Jahren hatte die Honda XBR unterm Dach eines Firmenschuppens vor sich hingedämmert. Gezeichnet von Plastik gewordener 80er-Jahre-Formen­sprache, war sie immer schon ­skurril. Während ihr schicker Cafe-­Racer-Ableger GB 500 Clubman reibungs­arm durch den Sehnerv glitt, blieb sie beim ein oder anderen Betrachter schon mal ­stecken. Ein Vorteil in diesem Fall, denn schließlich wollte ich sie entblättern, zersägen, schänden und ich war mir gewiss, dass im Gegensatz zu manch anderem Original ihr niemand eine Träne nachweinen würde.

Honda XBR 500 – In welche Richtung soll es gehen?

Über Custombikes zu schreiben ist das eine, selbst eines zu bauen aber ganz was anderes. Die Aufgabe reizte mich und der 44-PS-Single im Rahmen der Honda XBR 500 passte prima zu meiner neuen Bescheidenheit in Sachen Vortrieb. Ein handzahmer, leichter und freundlicher Umgänger für Stadt, Umland und den Bike-Träger meines Campervans könnte das werden. Doch: In welche Richtung wollte ich eigentlich gehen? Ad hoc konnte und wollte ich das nicht entscheiden. Mit Demontage, Sichtung des Zustands und Aufarbeitung des Unverzichtbaren aber würde ich sowieso erst mal genug Zeit haben, einen Plan zu fassen.

15 Jahre lang hatte sich die XBR von ihrem letzten Abstellort nicht mehr wegbewegt. Drei Jahre später ist stark geliftet ins Leben zurückgekehrt

Ich strippte alles bis auf den Rahmen herunter und fing mit ihm an. Low Budget war von Anfang an mein Ziel – dass das ziemlich relativ ist, zeigte sich schnell. Ich wollte zwar was Schickes, am Ende aber keine schimmernde Diva, die man bei Regen lieber hinterm Garagentor lässt. Und so schrubbte ich den Rost mit Flex samt Stahlbürste vom Rahmen und grundierte und lackierte mit dem Pinsel nach. Auch das Heck, obwohl mir schon damals klar war, dass es kaum am Stück bleiben ­würde.

Frischekur für den Motor der Honda XBR 500

Der Motor mit seinen gut 35000 Kilometern auf der Uhr lief irgendwann zwar wieder, spotzte aber mehr schlecht als recht vor sich hin. Ein Überholsatz für den Vergaser half weiter. In einer Werkstatt soll ihm irgendwann oberhalb der 30000 eine Zylinder­bearbeitung samt neuem Kolben verpasst worden sein. Bis auf den abgerissenen Krümmerbolzen, den ich zum Ausbohren in fremde Hände geben musste, war ich da also weitgehend safe.

Am Motor warteten dank einer Überholung vor wenigen tausend Kilometern keine größeren Arbeiten. Nervig war nur der abgerissene Krümmerbolzen, der ausgebohrt werden musste

Am Fahrwerk arbeitete ich zunächst mit den ­Serienteilen, aufrüsten könnte ich hinterher immer noch. Die Rostpickel auf den Gleitflächen der Gabel schliff ich aus und bekam das Teil mit neuen Simmerringen wieder leidlich dicht. An Hauptbremszylinder und Bremssattel hatte die Standzeit der Korrosion Tür und Tor geöffnet.

Ein Satz Speichenfelgen bitteschön

Reparatursätze mit neuen Kolben und Dichtungen brachten in Verbindung mit einer Stahlflexleitung und neuen Belägen den alten Druck wieder auf die Scheibe. Die Trommelbremse hinten war noch okay. Als Alternative zu den Comstar-Rädern sollte ein Satz Speichenfelgen von der Clubman her, die gar nicht so einfach zu finden waren und mit dreihundert Euro ein sichtbares Loch ins Budget rissen.

Ein Überholsatz machte den Vergaser wieder fit. Mittels neuer Haupt­düse und Feinjustage der Düsennadel­position wurde die Abstimmung der ­neuen Peripherie ­angepasst

Das Internet ist eine schier unerschöpfliche Fundgrube. Abende vorm Rechner zu verbringen und ­Designoptionen zu sondieren, dürfte uns Männern ähnliche Glücksgefühle bereiten wie unseren Damen das zweiunddreißigste Paar Schuhe. Nach und nach lichtete sich der Nebel, ein Scrambler alias City Tracker wurde mein Ziel.

Der Tank der CL 250 passt recht gut

Beim Stöbern nach Vorbildern erfuhr ich, dass der Tank von Hondas Serienscramblerchen CL 250 mit wenig Anpassungsarbeit auf den Rahmen passt und fand bei ebay auch prompt einen, wenn auch von innen stark angerostet. Nach dem Kürzen der u-förmigen Haltelaschen konnte ich ihn auf die ­ebenfalls gekürzten Gummilager aufschieben, den vorderen Rahmenrohren schufen gezielte Schlägen mit dem Gummihammer ausreichend Raum.

Beginn der Liniensuche: Rolling Chassis mit Speichenfelgen, anderem Tank und vorläufiger Sitzbank

Als das Fass auf dem Rolling Chassis saß, ging das Tüfteln an der Linie los. Erst wollte ich einen hochgelegten Scrambler-Auspuff und experimentierte mit einem Transalp-Krümmer. Weil ich mir trotz kürzerem Heck die Soziusfähigkeit erhalten wollte und das Verlegen der Krümmerschlangen ans Heck zudem einiger Schweißkunst bedürfen würde, nahm ich davon schließlich Abstand.

Die Honda XBR 500 geht als Zweimannhocker durch

Im Kickstartershop bestellte ich mir ein paar Sitzbänke, Rücklichter, ­Spiegel und Alukotflügel zur Anprobe. Nicht ­Benötigtes darf man da hinterher zurückschicken, die Kosten werden voll erstattet. Meine Wahl fiel schließlich auf eine braune, sehr flach gepolsterte Universalsitzbank. Mit knapp sechzig ­Zentimetern war sie gerade lang genug, um beim TÜV noch als Zweimann­hocker durchzugehen; sicher nix für Hunderte von Kilometern mit der ­Holden hintendrauf, nach der Sitzprobe aber gab meine Frau ihr Okay.

Der Motor hängt wieder, das Heck ist abgeschnitten und der Auspuff vorläufig zusammengesteckt

Jetzt war die Zeit gekommen, die Flex an den Rahmen zu setzen. Mein TÜV-Mann hatte mir die Maßgabe »rund zwei Zentimeter nach der letzten Querstrebe sind okay« mit auf den Weg gegeben, und so ließ ich die Funken fliegen. Für den Heckabschluss wollte ich einen Loop, der sich in den abgeschnittenen Rohren hin- und herschieben lässt, um ihn ausziehen und als Gepäckträger verwenden zu können. Die Frage war, wie ich den Loop in Form bringen sollte.

Die Sache mit dem Loop

Schließlich besorgte ich mir ein Stück ­Wasserrohr aus Alu/Kunststoff-Verbund im entsprechenden Durchmesser. Das ließ sich spielend biegen und anpassen und diente meinem Handwerker als Vorlage. In den ­fertigen Loop bohrte ich auf jeder Seite zwei ­Löcher mit dem angepeilten Auszugsabstand und je eines in die Rahmenrohre, an denen zwei aufgeschweißte Muttern zur Positionsfixierung dienten. Weil ­besagte Querstrebe recht hoch baut, war schnell klar, dass zwischen Rahmenrohren und Bank ein Spalt bleiben würde. Zum Kaschieren koket­tierte ich erst mit einer Startnummer, verfiel dann aber auf lederne Koppeltaschen der Schweizer Armee.

Mit einem Wasserrohr aus Verbundwerkstoff forme ich den Loop zum Heckabschluss

Mit der Bank war der hintere Teil der Sitzposi­tion festgelegt. Vorn wichen die originalen ­Lenkerstummel einer Kombination aus LSL-Risern und einem ­Girling-Lenker, die ich gebraucht erstand. Wegen
der niedrigen Sitzbank ist der Kniewinkel zwar enger als beim Original, aber noch immer ausreichend komfortabel.

Honda XBR 500 – Motorabstimmung im Detail

Während die Längen von Gas-, Choke- und Kupplungszug für die hohe Lenkerposition ausreichten, musste ich sämtliche Kabel mühsam verlängern. Ich teilte jedes einzelne, lötete ein Zwischenstück in der nötigen Länge ein und überzog alles separat und im Verbund mit Schrumpfschlauch.

Motorabstimmung: Auf die Sprünge geholfen

Nach Entfernen des Luftfilterkastens und dem Umbau auf eine Zwei-in-eins-Auspuffanlage lief der Einzylinder schlecht und mit dem Händedruck eines blassen Internatsschülers. Auf dem Prüfstand seiner Firma Micron Systems (micronsystems.de) in Fürth maß Armand Mottier zunächst das Kraftstoff/Luftverhältnis, das im unteren Diagramm dargestellt wird.
Der Motor lief deutlich unter dem Optimum von 1:13 und damit dramatisch zu fett (blaue Kurve), oberhalb von zirka 3 500/min sogar außerhalb des Messbereichs (gerade Linie).

Leistungs- und Drehmomentkurven vor (schwarz) und nach (rot) der Neuabstimmung, unten das Kraftstoff/Luftverhältnis

Einfluss auf die Gemischbildung nimmt man durch die Hauptdüse, die den Spritdurchfluss bei Volllast limitiert. Der Teillastbereich wird durch die in sie eintauchende Düsennadel und deren Aufhängungshöhe bestimmt, die durch das Auflegen von Unterlegscheiben variiert werden kann. In mehreren Prüfstandsläufen tastet man sich ans Optimum heran. Das Ergebnis von 33 PS am Hinterrad (zirka 36,5 PS an der Kurbelwelle) ist für den XBR-Single, der auch serienmäßig kaum über 40 PS kam, in Ordnung.

Der vordere Kotflügel saß nach Bohren der Löcher im Originalhalter, hinten arbeitete ich mit angepassten Blechlaschen als Aufhängung und schraubte den Kennzeichenhalter direkt ins Alu. Später zeigte sich, dass das der schwingenden Belastung nicht gewachsen war. Die Bohrlöcher begannen auszureißen. Mit einem in den Loop geschnittenen Gewinde schuf ich einen weiteren Aufhängungspunkt. Damit hielt das Alu und das beim Überfahren von Unebenheiten lästige Geklapper am Heck war endgültig vorbei.

Zu fetter Sound auf der ersten Ausfahrt

Vom Scrambler-Auspuff hatte ich Abstand genommen, wollte mich aber dennoch auf einen einzelnen Schalldämpfer beschränken. Bei ABP-Racing fand ich einen Zwei-in-eins-Krümmer für die XBR, bei Parts Europe den passenden Endschalldämpfer der italienischen Firma Spark samt Zwischenrohr zum Anpassen. Ein Bekannter schnitt und schweißte das Ensemble schließlich in der gewünschten Position zusammen. Als der Single zum ersten Mal durchs neue Geröhr bellte, war der Schalldruck aber trotz eingeschraubtem dB-Eater zu prall. Mittels eines aufgesetzten, gelochten Alurohrs und eines Prallblechs an dessen Ende fiel der Geräuschpegel bei anhaltend launigem Single-Bollern auf vernünftiges Maß.

Per Träger am Heck unseres Campervans kam die Honda im Sommer mit nach Cornwall. Auf rund 500 Kilometern bewährte sie sich – bis auf eine ­gebrochene Sitzbank-grundplatte

Als der Tank entrostet und innen wie außen beschichtet war, ging’s an die Feinarbeiten: Rücklicht und Blinker aussuchen und positionieren, Kabel verlängern und verlegen und Tankaufkleber aufbringen, wobei ich die alte Graphik des CL-Tanks imitierte.

Erste Ausfahrt, alles bombe!

Die erste Ausfahrt rückte näher. Höchste Zeit, die alten Holzreifen zu ersetzen. Scrambler-Stollen sollten es werden, da gab es keinen Zweifel. Mit den vergleichsweise günstigen K60 von Heidenau traf ich eine optisch wie funktional hervorragende Wahl. In Absprache mit dem TÜV rüstete ich die Originaldimensionen 100/90-18 und 110/90-18 auf 110/80-18 und 130/80-18 auf, die gerade so eben zwischen Gabel und Schwinge ­passen. Doch ein Stollen rollt nun mal rauer ab als ein Straßenprofil. Weil ich die originalen Comstar-­Räder ohnehin rumliegen hatte, kam da fürs harte Asphaltsurfen Continentals Road Attack 3 drauf. Und so liegt je nach Einsatzzweck jetzt immer das passende Besteck bereit.

Klein, wendig und 160 Kilo leicht ist die Little Honda mein Idealfall fürs Ballungsraumpendeln – gerne auch mit dem ein oder anderen Abstecher auf den Feldweg

In Sachen Motorabstimmung vertraute ich auf Armand Mottier von Micron Systems im fränkischen Fürth. Mit Prüfstandsläufen, der nötigen Hardware und seinem Rat steht er Selbstschraubern zur Seite. Je nach Zeitaufwand kostet das zwischen 150 und 200 Euro.

Honda XBR 500 – endlich reif für die Straße

Nun war ich glücklich mit meiner Little Honda – fast, denn die schon im Serienzustand weichen und von der Zeit ausgelutschten Federelemente verlangten nach einem Update, Budget hin oder her. Meine Wahl fiel auf straffere und progressivere Wirth-Federn und YSS-Federbeine, die zum günstigen Tarif erfahrungsgemäß gute Performance liefern. Nach ­etlichen »Feindkontakten« zwischen Rad und hinterem Kotflügel im Soziusbetrieb weiß ich nun endlich auch, wie weit ich sie dafür vorspannen muss. Jetzt liegt die Honda stabil und die Gabel taucht beim Bremsen nicht mehr so weit ab.

Nach 35 000 Kilometern und 30 Jahren waren die Originale etwas ausgelutscht. YSS-Federbeine für günstige 220 Euro stärkten dem Heck den Rücken

Während rund 500 Kilometern auf der britischen Insel im Sommer hat sich mein Tracker absolut bewährt – nur seine Sitzbank nicht. Ihre zu dünne, auf der zerklüfteten Oberfläche nicht überall satt aufliegende Grundplatte brach im vorderen Bereich. Nach Beratung mit dem Kickstartershop habe ich jetzt aus einer thermoplastischen PVC-Platte eine neue Basis druntergebaut. Das war zwar ein  zeitaufwendiges Gefummel, denn das Material ist einen Zentimeter dick und ich wollte eine noch größere Lücke zwischen Sitzbank und Rahmen tunlichst vermeiden. Jetzt aber sitzt und passt alles und die Tragfähigkeit lässt auch noch Luft nach oben.

A Biker’s Work is never done

Die verblüffendste Erkenntnis der Umbauerei? Das verblüffend große Vakuum nach der Fertigstellung des Projekts. Und so liegen in der heimischen Werkstatt schon die Brocken des nächsten bereit: Eine CB 500 Four in Teilen. Vielleicht wird es ja dieses Mal ein Cafe Racer.   

Das Auge des Gesetzes: Keine Probleme mit dem TÜV

Absprache ist alles. Mit Roland Urschel, Sachverständiger vom TÜV Süd, klärte ich kritische Punkte vorab:

  • Kürzung des Rahmenhecks und Ausziehbarkeit des Loops als Gepäckträger
    Mit rund zwei Zentimetern Luft zur letzten Querstrebe war beides kein Problem.
  • Sitzbankdimensionen
    Sechzig Zentimeter sind Mindestmaß für Zweimannbetrieb. Die -verwendete Universalsitzbank schafft das gerade so.
  • Auspuff
    Bei Baujahr 1986 ist kein E-Zeichen nötig. Im Fall des Spark-Topfs reichte die Geräuschmessung im Stand, die mit 79 dB im Rahmen der Toleranz lag.
  • Verwendung K&N-Filter
    Auch sie wird durchs Geräusch limitiert, bei der Honda kein Problem.
  • Reifengrößen
    Welche Dimensionen auf welche Felgen passen, zeigt die ETRTO-Liste, neue Dimensionen müssen eingetragen werden. Urschel prüfte zudem die Freigängigkeit.
  • Dimensionen der Schutzbleche und Anbringung der hinteren Beleuchtung
    Hinsichtlich Mindestgröße gibt es keine Vorgaben, die Radabdeckung muss „ausreichend“ sein (vorn zirka 25 bis 30 Zentimeter lang, hinten mindestens über die Radachse reichen). Die Kanten dürfen nicht scharfkantig sein, Kunststoff braucht ein Materialgutachten. Die hintere Beleuchtung kann aufs Schutzblech montiert werden, die nötigen Abstände zwischen Blinkern und Schlusslicht müssen eingehalten werden.
Für die Unterlagen dokumentiert der TÜV Süd die Umbauten auch fotografisch

Nach Beachtung aller Punkte war die Abnahme nach einer kurzen Probefahrt kein Problem mehr. Mit 380 Euro Gesamtkosten war der TÜV allerdings der teuerste  Posten im Gesamtbudget. Im Brief eingetragen wurden: Reifengrößen, Auspuffanlage, Sitzbank, Fremdtank, Riser samt Lenker, Bremsleitung und der Heckumbau.   

 

Guido Kupper
Redakteur bei CUSTOMBIKE

Guido Kupper, fährt praktisch seit seiner Geburt in grauer Vorzeit Motorrad, hat mit dem Schreiben aber erst angefangen, als er schon sprechen konnte. Motorisierte Zweiräder hat er nur acht Stück zur Zeit, Keller und Garagen sind trotzdem voll. Sein letztes Ziel im Leben: Motorrad fahren und mal nicht drüber schreiben