Es gibt sie noch, die Customizer, die ihr Geschäft schon sehr lange betreiben – so wie Volker Löhning in seiner Biker Schmiede Berlin

1968 ein guter Jahrgang – Rebellion der neuen Linken im Westen, gesellschaftliche Neuorientierung und die ungemeine Kraft des Rock’ n’ Roll. Genügend Diskussionsgrundlage über fehlende Freiheiten aber auch im Osten, wenn auch versteckter, subversiver, anders. In eine turbulente Zeit wird Volker geboren, seinen Zipfel Freiheit wird der Ostberliner schnell auf dem Motorrad finden.

Volker Löhning und die Schule des Ostens

Und wie jeder drüben um ein hohes Maß einfallsreicher und pragmatischer, so wie es den Ostschraubern immer zu eigen war und bis heute ist. »Eine Awo habe ich nie besessen, dafür hat die Kohle nicht gereicht«, erzählt der 55-Jährige. »Aber den Kaufbeleg über die MZ, den habe ich noch.« 

1971: Omma sorgt dafür, dass der Kleine nicht fällt, Vater werkelt im Hintergrund und Volker sagt: »Das war wohl der Grundstein«. Ohne Mopeds geht es bei ihm fortan nicht mehr, MZ heißt die erste große Leidenschaft – weil AWO zu teuer ist

In Volker Löhnings kleiner Werkstatt, der »Biker Schmiede Berlin«, wird die Geschichte lebendig, denn keiner erzählt wie er, der große Typ mit dem langen grauen Haar und dem breiten Berliner Dialekt. Ein Theoretiker ist er nie, als Vierzehnjähriger dreimal durch die entsprechende Führerscheinprüfung geflogen, mit fast fünfzehn hat es in der Dorffahrschule dann endlich geklappt.

Mit dem Mofa auf dem Dorf

Als Erstes ein Mofa. Und immer selbst geschraubt, weil es die einzige Chance war, die Mopeds über den Normalzustand zu hieven – mit Einfallsreichtum und der Omma, die auch mal Teile aus dem Westen mitbringen konnte. Später dann eine K 50, umgebaut auf Crosser und die »kleene Crosstrecke im Dorf umgepflügt«. Danach der »Habicht« aus der Vogelreihe der Suhler Simson-Werke, bis siebzehn fährt Volker die, umgebaut in der Garage vom Nachbarn.

1988 steht die Wende kurz bevor und Volker fährt immer noch MZ …

1986, exakt am 22. September, leistet sich Volker sein erstes richtiges Moped: MZ TS 250-1, das Zweitaktherz der DDR, für 410 Ostmark. Ein kleines Vermögen seinerzeit, entspricht das doch dem Monatsverdienst von so manchem Angestellten in der DDR. Er fährt sie bis 1992.  Aber noch etwas passiert in diesem Jahr 1986, Volker beendet seine Lehre. Kaum einer konnte sich aussuchen, was er lernen wollte, Volkers Mutter hatte die Lehrstelle als »Baufacharbeiter« angeschleppt.

Die Anfänge als Kraftfahrer

Schon vorher hatte sich ihr Junge beim Ferienjob im Tiefbau notgedrungen mit der Materie beschäftigt. Immerhin, mit siebzehn hatte er durch die Lehrstelle auch seinen Lkw-Führerschein in der Tasche. Bei Autotrans Berlin fängt er als Kraftfahrer an, »die haben mir ein bisschen was erklärt und dann musste ich los«, bezeichnend für vieles in Volkers Leben. 1988 wird er zur Armee eingezogen, 1989 die Wende – »und dann stand ich da.«

Volkers erste Westmoped: Yamaha XJ 600 Diversion in Metallic-Gelb

Während Volker sein erstes Westmoped, eine XJ 600 Diversion in Metallic-Gelb, ersteht – er veredelt sie mit ein bisschen Chrom und einem kleinen Nummernschild –, wird Autotrans abgewickelt. Volker heuert bei einer Spedition an, ist bis 1995 als Berufskraftfahrer unterwegs. Aber weil in der DDR die Baubranche boomt, kommen neue Ideen. »Da hab ich mich mit zwei Freunden mit einer Zimmerei selbstständig gemacht. Wir hatten zwei Angestellte und haben Häuser ohne Ende hochgezogen. Irgendwann kamen die Fertighausbuden. Da konnten wir nicht mithalten, die haben ’ne Mark verdient, während wir drei uns eine teilen mussten. Und dann war damit auch Schluss.« 

Volker Löhning am Wendepunkt

1998 steht Volker Löhning am Wendepunkt und entscheidet sich für eine neue Selbstständigkeit. Denn da waren ja noch die Motorräder. Eigentlich will er nur Teile verkaufen, aber dann rutscht er ins Mechaniker-Business. Erst noch in der Garage seiner Mutter, 1999 folgt der Bau der kleinen Werkstatt, in der er bis heute arbeitet. »Da war noch kein Fußboden drin, da habe ich schon den ersten Ölwechsel gemacht.« Und dann kommen da die langen Gabeln, die ersten Bremsen sind zu machen, schließlich der erste Komplettumbau. Und auch in Sachen eigenes Motorrad tut sich was.

Die erste eigene Intruder war gleichzeitig der endgültige Einstieg ins Customgeschäft. Zahlreiche Japanbikes sind seitdem durch Volkers Hände gegangen, auch wenn heute Harleys das Hauptgeschäft bilden

Die erste Suzuki Intruder kauft Volker von einem Kumpel, der in den Westen geht, für eintausend D-Mark. Er zerlegt es innerhalb von sechs Stunden. Auf den Berliner Motorradtagen tätigt er seine erste große Investition: »Damals gab es noch ordentlich Messerabatte, für eine Fußrastenanlage von Giovanni’s hab ich 1.200 D-Mark bezahlt.« Beim »Motorradschuppen« von Andreas Bergerforth – heute heißt die Firma Thunderbike und Bergerforth ist einer der größten Harley-Händler Europas – kauft er weitere Teile.

Mit den Japan-Cruisern geht alles los

Ein AME-Hinterrad, 15 Zoll mit 200er Reifen muss es sein, dazu Sportster-Tank und Ritz-Riser und eine Lackierung vom Airbrusher des bekannten Berliner Motorradclubs »E18« – so fährt Volker auf sein erstes Intruder-Treffen nach Scherneck. Es sind die goldenen Jahre für Suzukis Cruiser, Volker lernt Hansi Lang von »LMC« kennen, seinerzeit einer der Truden-Spezialisten in Deutschland. »Und dann kam ’98 die neue Schwinge und da brach für mich echt eine Welt zusammen.« 

2002 – Tiefer gelegtes Fahrwerk, gekürzter Serienrahmen, modifizierte Schwinge – schon in den Anfangszeiten wurden in Berlin auch Harleys wie diese FXST umgebaut

Die Intruder geht an Volkers damalige Freundin. Bis er wieder ein Motorrad für sich selbst bauen wird, sollen siebzehn Jahre vergehen. Seinen Starrrahmen-Intruder-Aufbau von 2017 kann man so durchaus an eine Hommage an die eigene Vergangenheit verstehen, die 2004 neue Wendungen brachte, als sein damaliger Partner weggeht und andere um ihn herum Pleite machen. »An sich hab auch ich damals immer Minus gemacht«, lacht Volker. Nicht, weil er ein schlechter Geschäftsmann wäre, sondern weil er immer investiert hat in seine kleine Bude, »allein, was Werkzeuge kosten.

Volker Löhning sieht viele im Custom-Geschäft scheitern

Daran scheitern eben auch viele, die heute mal schnell auf Customizer machen«, da ist er sich sicher. »Entlüfte doch mal die Bremse von so ’ner popeligen ABS-Karre. Oder schaff dir ein Diagnose-gerät für die modernen Kisten an. Da biste mal über 2.000 Euro los. Ich habe viele gesehen, die kein halbes Jahr durchgehalten haben. Du musst halt auch deine Grenzen richtig einschätzen können.« Und die hat Volker Löhning klar definiert. 

»Scheiße passiert auch mir, aber da musst du dann einfach dafür geradestehen. Unsere Szene ist zu klein für Blender«

Immer noch ist seine Biker Schmiede Berlin in der Werkstatt untergebracht, die nicht größer als eine Doppelgarage ist. Sein Schwiegersohn arbeitet fest bei ihm, dazu hilft ein Freund stundenweise, wenn es eng wird. Mehr will und braucht er nicht. »Klar hätte man vielleicht mehr machen können, aber du musst halt kiecken, was rinnkommt. Die Lohnnebenkosten sind horrend und Geld verdienen tuste am Ende mit Ölwechseln, Service und Teileverkauf.

Achtzig Prozent der Aufträge sind Arbeiten an Harleys

Mit Glück kommt dann noch ein fetter Auftrag im Jahr, wo einer ’nen Komplettaufbau will. Aber reich, reich wirste mit dem Job nicht.« Mittlerweile finden achtzig Prozent von Volkers Arbeiten an Harleys statt, der Rest ist alles, von der 125er bis zur BMW. Sein Handwerk, die Metallbearbeitung und alles andere, hat er sich über die Jahre selbst beigebracht, das Schweißen irgendwann von seinem Schwiegervater gelernt. 

Eigentlich sollte das Geschäft mal »Bike Schmiede« heißen. Nach Recherchen im noch jungen Internet war klar, der Name ist schon vergeben. So hing Volker ein »s« sowie den Zusatz »Berlin« dran

Volkers Kunden kommen meist über Mund-zu-Mund-Propaganda zu ihm, »und zu 95 Prozent sind das gerade, gute Leute. Klar, mit manchen wird man nicht warm, aber solange man aufrecht und ehrlich miteinander umgeht, passt das doch. Und für die kleinen Leute da zu sein, das finde ich echt auch ganz schön.« 

Ein echtes Original

»Ick bin in die Szene rinngewachsen, da war ja für mich nix anderes, dit ist mein Ding«, und wenn es nach Volker geht, dann kann das auch genau so weiterlaufen. Nur eines wünscht er sich. Wieder mal ein Motorrad für sich selbst bauen, »bis ich sechzig werde, will ich damit durch sein.«

Info |  biker-schmiede-berlin.de

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.