Sie zog die Häme an wie ein Scheißhaufen die Fliegen. Hondas Güllepumpe war der Schwarm aller Verächtlichmacher. Dreieinhalb Dekaden später ist die Honda CX 500 zu Customizers Liebling geworden. Designer Sacha Lakic setzte den bisherigen Höhepunkt.

Die Honda CX 500 war ein Unikum. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich hatte eine und musste den Hohn und Spott meiner Umwelt ein paar Jahre lang ertragen. Stichwort Güllepumpe, Comiczeichner Brösel lässt grüßen. Was heute angesichts der steigenden Beliebtheit bei den Customizern fast wie ein Adelstitel rüberkommt, war damals schlicht und ergreifend ein Schimpfwort.

Ein paar Wehwehchen hat die Honda CX 500 doch

Der 80 Grad-Twin gilt zu Recht als Langläufer und war stets Kurierfahrers Liebling, doch ein paar Wehwehchen hat auch die CX. Ich hab sie alle mitgenommen: undichte Wasserpumpe, durchgeblasene Kopfdichtung und eine marode CDI-Einheit. Und doch: Wenn die Sitzbank runter war, blitzte da ansatzweise eine Linie auf, aus der etwas zu machen wäre, wenn man nur wüsste wie.

Von vorn betrachtet, kommt die Linie der neu geschaffenen Krümmer ­besonders zur Geltung. Eine 50-Milli­meter-Marzocchi-Gabel verleiht dem Frontend ­gestalterisches ­Gewicht

Sacha Lakic wusste wie. Schweigsam und ehrfürchtig stehen wir vor dem Ergebnis. Nun hat es der 51-jährige Belgier natürlich auch leichter als Otto-Normal-Motorradler. Schließlich ist der Mann Designer und hat schon ein paar Motorradentwürfe auf dem Buckel. Unvergessen die große Voxan Black Magic, zusammen mit der fran­zösischen Firma schon länger im Orkus der Geschichte versunken.

Die fast vergessene Güllepumpe wurde als Ablageplatz missbraucht

Einer ganz anderen Kategorie entstammt Bimotas Mantra, die Sacha heute selbst als Jugendsünde sieht (siehe Interview). Der Tiefschlag des Voxan-Scheiterns war hart für Sacha und er konzentrierte sich über Jahre auf andere Designerleidenschaften. Vorbei war sein Motorrad-Dornröschenschlaf, als er bei Freunden auf eine fast vergessene Güllepumpe stieß, die als Ablageplatz missbraucht wurde. Als Fan dieses Motors und – Achtung! – auch dieses Tanks konnte er nicht anders: Er musste Hand anlegen.

Lack und Politur machen den früher so gern geschmähten CX-Twin zu einer unter die Haut gehenden Skulptur

In der Auseinandersetzung mit der Honda waren ihm genau diese beiden Bereiche denn auch besonders wichtig, betrachtet er das Ensemble aus Tank, Krümmern und Motor doch als entscheidend für seine Definition eines Cafe Racers. Beim Tank entschied sich Sacha für einen einfachen, im Ergebnis aber sehr wirkungsvollen Trick: Er kippte das Fass um zehn Grad nach vorne. Schon allein dieser Schritt verleiht der CX gestalterische Dynamik. Richtig Fluss in die Motorzone aber bringt der selbst gestaltete Auspuff, dessen Krümmer sich hinterm Vorderrad zu einem Ypsilon vereinen, um dann unterm Motor in eine Dämpferbox mit ­neckisch kleiner Abgasmündung abzutauchen.

Honda CX 500 mit Monoshock

Weitere Großbaustelle war selbstredend das Heck. Ohne echte Eingriffe in den Heckrahmen würde das gestalterisch nicht auf Linie zu bringen sein, war Sacha von Anfang an klar. Der Einsatz von Flex und Schweißgerät mündete in ein blitzsauberes Ergebnis. Höcker samt Single-Seat nehmen die leicht gekippte Linie des Tanks auf und führen sie nach hinten zu einem attraktiven ­Ende. Die beiden ollen Federbeine flogen raus, die Schwinge wurde verstärkt und für die Aufnahme eines Monoshocks umgearbeitet.

Die gefrästen Gabel­brücken sind Eigenanfertigungen

Allerhand Arbeit machte der Umbau der Räder, die modernen Excel-Felgen wollten mit ­Naben und Kardan harmonisiert werden. Vorn duckt sich die Honda auf eine stämmige 50-Millimeter-Marzocchi-Gabel, die in fleischig dimensionierten, aber dank der Durch­brüche doch leichten Gabelbrücken steckt. Bei der Farbwahl folgte Sacha der Zurückhaltung, die schon seine Black Magic geziert hatte: Viel mattes Schwarz mit einem Schuss Rot und flächigem Silber. Und der ehedem so geschmähte Twin? Er wird mit seinen polierten ­Gehäuserippen endgültig zum Model.

Interview mit dem belgischen Designer Sacha Lakic 

Der Mann und sein Werk. Angefixt von der Arbeit an der CX und dem Sturm positiver Reaktionen, will Sacha Lakic in Zukunft weitere Custombikes bauen

Momentan arbeitest du hauptsächlich als Automotive- und Möbeldesigner. Deine letzten Motorräder hast du für Voxan designt: die Black Magic und die Charade, das ist jetzt schon lange her. Was hat dich zu diesem neuerlichen Ausflug ins Motorraddesign bewegt?
Das Ende von Voxan war eine Enttäuschung für mich. Die Firma hatte talentierte Techniker und Kreative, die Marke viel Potenzial – aber untalentierte Geschäftsführer. Danach brauchte ich eine Pause. Ich entwickelte mein Designstudio mit anderen Dingen weiter, die mir am Herzen lagen, wie Möbel, Architektur oder Autos. Aber wie du an der CX sehen kannst, kann ich nicht ohne Motorräder, sie bewegen mich und bringen mich zum Träumen. Mittlerweile habe ich die Möglichkeit und auch den Anspruch, solche Projekte allein zu stemmen, kreativ wie geschäftlich. Für mich bedeutet diese CX 500 den Beginn eines neuen, großen Abenteuers. 

Du hast nicht nur für Voxan, sondern auch für Yamaha und Bimota Motorräder entworfen. Welches war in deinen Augen das beste?
Mein erster Entwurf, die Yamaha Axis 748 von 1986, war mein bisher innovativster Ansatz, würde ich sagen. Lange vor dem Trend kündigte sie bereits das Revival der Naked Bikes und der Modern Cafe Racer an. Die Voxan Black-Magic war exakt das, was BMW später mit der 9T machte – nur eben zehn Jahre früher dran: ein individualisierbarer Serien-Cafe-Racer.

»Ich hätte meinem Instinkt folgen sollen, und der riet mir ab«

Aus heutiger Sicht betrachtet: War die Bimota Mantra eine Art Jugendsünde?
Definitiv. Ich war jung und geschmeichelt, dass Bimota mich fragte. Ich war weder erfahren noch selbstsicher genug, abzulehnen. Ich hätte meinem Instinkt folgen sollen, und der riet mir ab. Trotzdem war Bimota zufrieden mit dem Ergebnis. Für mich war das ein einmaliger Ausrutscher. Heute folge ich zu hundert Prozent meinem Instinkt, und wenn ich das tue, führt das wie bei der CX zu einem guten Ergebnis.

Warum fiel deine Wahl ausgerechnet auf diese Honda? Nur, weil dein Freund eine übrig hatte?
Nein. Ich liebe das Design dieses Motors, er ist ein Kunstwerk. Seine Proportionen sind perfekt, er ist viel kompakter und eleganter als ein Guzzi-Motor. Nur fehlen ihm leider 30 PS. Ich mag Twins ganz unabhängig von der Bauform, für mich sind sie der ideale Motorradmotor. Sie haben Charakter, erlauben feine und leichte Motorräder – und sie klingen meist gut.

Sacha Lakic

Ist Design immer nur aktuellen Moden unterworfen? Damals machte sich alle Welt über die CX lustig. Und du sprichst heute von der Designqualität von Motor und Tank …
Man muss die Dinge im richtigen Kontext betrachten, auch zeitlich. Die CX war das Produkt eines Massenherstellers und sollte auf der ganzen Welt verkauft werden, musste also funktional wie stilistisch universell sein. Unverwechselbare Motorräder für den Massenmarkt zu designen, ist extrem schwer. Ich habe eine Zeitlang für Yamaha gearbeitet und weiß, welche Kopfschmerzen das bereiten kann. Gerade Yamaha hat das oft gut hinbekommen, trotz Massenproduktion konzeptionell starke Motorräder zu bauen. Man denke nur an Vmax, RD oder SRX 500, TDM oder auch GTS 1000 und heute an die MT-Serie. Sie waren oft die Ersten, die ein Risiko eingegangen sind. Heute sind Custombikes so trendy, dass selbst Hersteller wie BMW sie in Serie anbieten, das ist abgefahren.

Wie bist du dein Projekt angegangen, was war besonders schwierig?
Für mich ist die Definition eines Cafe Racers einfach: Motor, Krümmer und Tank müssen eine perfekte visuelle Balance bieten, dieses Ensemble ist das Aushängeschild eines Motorrads. Der Sitz muss ein schmaler Einsitzer sein, nicht unbedingt komfortabel, aber er soll Halt bieten beim Beschleunigen. Bei Bremsen und Reifen geht es um Sicherheit und Performance. Es ist diese moderne Interpretation des Customizing, die meine CX so einzigartig macht.

Lakics Honda CX 500 hat 35 Kilo abgespeckt

Wo war es technisch, wo gestalterisch am schwierigsten?
Es gab viele Probleme. Die Räder brauchten viel Handarbeit, damit die modernen Felgen und der Kardanantrieb passen. Der Ersatz der beiden Federbeine durch einen Monoshock und die Neugestaltung des Hecks zwangen mich dazu, den Heckrahmen komplett umzugestalten. 

Was wiegt die Honda jetzt?
Wir hatten sie noch nicht auf der Waage, aber so um die 35 Kilogramm fehlen auf die Serie. Auf den Fotos ist sie im Showmodus. Luftfilter, db-Killer und Blinker fehlen. Mit rund 185 Kilogramm vollgetankt ist das Ding sehr lebhaft, Masse ist der schlimmste Feind des Motorrads.

Die CX hat eine beispiellose Karriere hinter sich, vom hässlichen Entlein wurde sie zu Customizer’s Darling. Welches Motorrad ist als nächstes dran?
Da werden wir uns überraschen lassen müssen. Über Twins haben wir ja schon gesprochen, doch es gibt eine Menge Motorräder mit ästhetischen und zugleich haltbaren Motoren.

Ich möchte charakterstarke Motorräder entwerfen

Werden wir im Portfolio der großen Hersteller künftig wieder Lakic-Entwürfe finden?
Möglich. Ich arbeite gern mit den Ingenieuren und dem Marketing großer Hersteller. Heute ist mir der Spaß bei der Arbeit sehr wichtig, und ich möchte charakterstarke Motorräder entwerfen. 

Du wirst also weiter customizen?
Nach der CX kann ich gar nicht anders. Seit sie bei veröffentlicht wurde, haben mich die positiven Reaktionen, Nachfragen, das Lob und sogar Bestellungen geradezu überschwemmt. Die Antwort lautet also ganz klar: Ja, ich werde andere Custombikes bauen.

Info | lakic.com

 

Guido Kupper
Redakteur bei CUSTOMBIKE

Guido Kupper, fährt praktisch seit seiner Geburt in grauer Vorzeit Motorrad, hat mit dem Schreiben aber erst angefangen, als er schon sprechen konnte. Motorisierte Zweiräder hat er nur acht Stück zur Zeit, Keller und Garagen sind trotzdem voll. Sein letztes Ziel im Leben: Motorrad fahren und mal nicht drüber schreiben