Diese Honda CB 500 Four war Nils’ erstes Custombike und stand am Ende einer Entwicklung, die sich in mehreren Schüben vollzog. Die treibende Kraft? Wie so oft die Unzufriedenheit mit der Perfektion und dem Einheitsbrei gängiger Herstellerware.

Die Perfektion der Speed Triple ist es, der wir diese Honda verdanken. Entscheidender Step in einer Entwicklung, die Nils erst zu seiner Honda CB 500 und schließlich zur Umsetzung seiner sehr eigenen, individuellen Vorstellungen führte. Ganz vereinzelt gibt es ihn noch, den klassischen Werdegang vom Mofa zum Motorrad. Mit 15 fährt Nils das ­Mofa seines Bruders, dann Roller, und mit 18? Auto? Schluss mit zwei Rädern, wie bei so vielen? Das erste Erweckungserlebnis – Anfang einer Reihe von Schlüsselmomenten – erwischt Nils an jenem Tag, als er seinen Roller gegen eine Simson S 51 tauscht.

»Fahren war schön, doch ich hatte schon immer Bock aufs Schrauben«

Als einer der sportlicheren Vögel aus dem Osten hat die Simson eine Fußschaltung, und die fasziniert Nils. „Ab da wusste ich, dass ich Motorrad fahren würde.“ Als er mit 19 den Schein in der Tasche hat, kommt eine 600er Bandit ins Haus. »Fahren war schön, doch ich hatte schon immer Bock aufs Schrauben, das fing ja schon in den ersten Mofatagen an.« Da bietet die Bandit nicht viel Reibungsfläche. Ein paar Teile tauschen, ein bisschen ­Optik – und das setzt sich auch bei der Speed Triple fort, die er sich gönnt, als der offene Schein ins Haus steht.

Nils Ksienzyk, Customizer aus innerem Drang heraus und damit Repräsentant der Generation, die derzeit mit ihren Krädern zu neuen Ufern aufbricht. Fate Customs nennt er sich im Internet

»Natürlich war das der Hammer, aber auch so glatt, so perfekt. Du drückst auf den Knopf, fährst dann 1 000 Kilometer und es passiert nichts. Keinerlei Aben­teuer. Und dann so undurchschaubar viel Elektronik, und wenn mal was kaputtgeht, wird gegen Neuteile getauscht.« Nils ist ­unbefriedigt. Dazu das irre Leistungs­potenzial, mit dem man ständig am Rande des Wahnsinns schrappt. »Ich war immer schnell, auch da, wo man es nicht sein sollte. Dabei bin ich gar nicht so der Speed-Junkie. Das war nichts für mich, ich sagte tschüss, will ich nicht mehr, moderner Kram abgehakt, schön und gut, aber nicht für mich.« 

Honda CB 500 Four – Trauriger Eisenhaufen als Restaurationsobjekt

So kommt es, dass er, Liebhaber alter Dinge, sich nach einer Alternative umschaut. »Ich suchte was mit richtig Arbeit, wollte mir selbst beweisen, was ich draufhabe.« Und schleppt in Form einer CB 500 Four einen billigen, mehr als traurigen Eisenhaufen nach Haus. »Die Honda war in grässlichem Zustand, keine Elektrik, kein Schlüssel, jede Menge Teile fehlten. Ich wusste nicht, ob das Motorrad jemals wieder ­laufen würde.« Nils beginnt mit der Restauration der Honda – noch frei von Umbaugedanken.

Im Zentrum der Fate-Customs-CB: der herrlich patinierte CB-Originaltank. „Ich mochte diese alten Honda-Vierzylinder immer. Ganz besonders aber mochte ich ihre Tanks.“

»In der alten Garage meines Großvaters fing ich an, ohne Heizung, Strom oder ­Wasser. Verdammt viel gelernt hab ich da, hinter die Dinge geschaut. Was ein Glück es sein kann, wenn auf einmal wieder Leben in die Technik kommt, Licht und die ­Blinker wieder funktionieren.« Glück pur, als die fertige Honda dann vor ihm steht und auf den ersten Kick anspringt, »fast wie ein Date mit deiner Traumfrau.« Und da ist er, der nächste Schlüsselmoment. Schrauben kann süchtig machen, und Nils spürte sie stark und drängend, diese Sucht. 

Honda CB 500 Four als geiles Cafe-Racer-Sportbike

Dem Motorrad aber, es ist nun fast original, fehlt es an eigener Note. Und schon überwältigt Nils der nächste Umbauschub, »ein geiles Cafe-Racer-Sportbike wollte ich aus meiner Honda machen.« Die Giuliari-Sitzbank weist klar in diese Richtung. Strippen, reduzieren, entkleiden steht jetzt auf dem Programm. Eine eigene Sitzbank baut er, lässt sie beziehen, fragt sich: Wie verlege ich die ­Leitungen, dass man sie nicht sieht, wie können die Züge unauffälliger verlaufen? »Da begann das mit dem Customizing.«

Oldschool, sportlich, patiniert und irgendwie sehr special. Nach einer langen Phase der ­Unruhe und der Arbeit fühlt sich Nils auf seiner CB 500 jetzt endlich zuhause. TÜV? Möglich, aber nicht ohne ein paar Modifikationen

»Dieser Cafe ­Racer Rush, die ganzen Bilder, das hat mich total inspiriert. Als ich dann aber mit Nietenjacke, Eierschale auf dem Kopf und Seidenschal am Hals durch die ­Gegend fuhr, merkte ich: Das bist gar nicht du. Ich hatte meinen eigenen Stil schon lang gefunden, und dachte mir: Ich möchte, dass die Honda zu mir passt, ohne Verkleidung. Keine Schubladen außer meiner eigenen.« Und so sitzt er wieder mit ­prüfendem Blick vor seiner CB. Kürzt den Rahmen, legt ­Leitungen um, verlegt das Zündschloss, besorgt sich ­einen originalen CB-Tank mit wunderbarer Patina. »Oldschool sollte die Honda sein, aber cooler«, fahndet Nils nach Worten, Newschool nennt er schließlich seinen Mix aus alt und neu.

»Ich habe es für mich gemacht, der Leidenschaft wegen«

Als er Bilder seiner umgebauten Honda im Internet postet, machen die die ­Reaktionen ihn sprachlos. »Das war krass, damit hatte ich nicht gerechnet. Das schlug ein wie eine Bombe, ruckzuck hatte ich ein paar tausend Klicks zusammen.« Und schließlich erste Kaufinteressenten: »Ein Kalifornier hat mir über 10.000 Euro geboten«, erinnert sich Nils ungläubig. »Ich habe es für mich gemacht, der Leidenschaft wegen. Es ging mir um was anderes, nicht ums Geld.« Die Honda ist immer noch virulent, nach wie vor bekommt Nils viel Feedback aus den Weiten des Netzes.

„Reduziert, schlicht, nachvollziehbar, individuell“. Es sind diese Worte, die fallen, wenn Nils über die Entstehung seines Drangs spricht, Motorräder nicht einfach als gegeben hinzunehmen

Bis jetzt läuft das Customizing nebenbei, Nils ist ja berufstätig. »Natürlich denkt man darüber nach, das pro­fessioneller zu machen, wenn so viel Resonanz kommt. Mal gucken, was daraus entsteht. Ich habe aktuell zehn Motorräder in meiner Halle, die ich nach und nach restauriere und umbaue. Ich will Working-Class-Bikes bauen, die man sich auch leisten kann, nichts Überkandi­deltes.« Momentan fühlt er sich sehr wohl mit der Sache, das so nebenbei zu machen mit den neuen Projekten, die er ­beackert.

»So ein Umbau ist ein ­langer Prozess«

»Wenn du damit Geld verdienen willst, dann kommt der Druck, kommen die Zwänge. Customizing ist Kreativität, der Ausdruck von Individualität. Ich ­habe Angst, das ­darüber zu verlieren. So ein Umbau ist ein ­langer Prozess. Ich brauche lange, bis ich zufrieden bin« – siehe CB. Was passiert mit der jetzt? »Sie kommt bei mir ins Wohnzimmer. Die werde ich nicht verkaufen.«   

 

Guido Kupper
Redakteur bei CUSTOMBIKE

Guido Kupper, fährt praktisch seit seiner Geburt in grauer Vorzeit Motorrad, hat mit dem Schreiben aber erst angefangen, als er schon sprechen konnte. Motorisierte Zweiräder hat er nur acht Stück zur Zeit, Keller und Garagen sind trotzdem voll. Sein letztes Ziel im Leben: Motorrad fahren und mal nicht drüber schreiben