David Mann war die Personifikation eines Biker-Künstlers und einer der genialsten Chopper-Botschafter überhaupt

Bevor es deutsche Biker-, Harley- oder Custombike-Magazine am Zeitschriftenstand gab, galt die US-amerikanische »Easyriders« als die Bibel der Biker. Auch bei uns. Und ein ganz gewichtiger Teil davon waren die herausnehmbaren Mittelposter. Zeichnungen, die inspirierten, die Momentaufnahmen aus dem Bikerleben darstellten. Zeichnungen, die detailgetreu die geilsten Chopper im Einsatz zeigten. Die Zeichnungen waren signiert mit »David Mann«.

Der erste Job als Pinstriper

Geboren am 10. September 1940, wuchs David Mann in Kansas City, Missouri, auf und kam im Alter von siebzehn Jahren mit Hot Rods in Berührung, die ihn zu Bleistiftzeichnungen inspirierten. Seine groben Skizzen brachten ihm die Aufmerksamkeit der Besitzer eines Custom Car Shops ein, und diese gaben ihm einen Job als Pinstriper. Die Custom-Welt hatte ihn am Haken.

David Mann (links)

Schnell war klar, dass er und sein Kumpel Al Burnett ins Epizentrum der Bewegung – nach Santa Monica in Kalifornien – fahren mussten. Und dort sah David die ersten verrückt umgebauten Harleys: Hochlenker bestückte, verchromte Eyecatcher, die ihn absolut anmachten. Hot Rods und Musclecars waren nun zweitrangig, ab sofort war er vom Chopper-Virus befallen.

Hollywood Run

David kaufte sich eine Panhead, die er umbaute, und er zeichnete sein erstes bikerinspiriertes Bild, den »Hollywood Run«. Mit seiner gechoppten Harley und seinem ersten Bikergemälde nahm er als einziger Motorradfahrer an der 1963er Custom Car Show in Kansas City teil. Seine kreativen Arbeiten beeindruckten nicht nur die Juroren, die extra dafür einen Sonderpreis vergaben. Was noch besser war: Er traf auf den knapp 1,85 Meter großen »Tiny«, der Mitglied eines Motorradclubs war.

Über drei Jahrzehnte bewegte David Mann seinen Panhead-Chopper

Tiny stammte eigentlich aus Sioux City, Iowa, und war einst mit seinen Eltern nach Kalifornien gezogen, wo er auf die ersten Chopper gestoßen war. Tiny, der wieder bei seinen Kumpels in Des Moines und Sioux City lebte, schoss mit Daves Einverständnis ein Polaroidfoto vom »Hollywood Run«. Als Tiny und seine Kumpels mal wieder in Kalifornien waren, hatten sie dieses Foto dem szenebekannten Customizing-Guru Eduard Roth gezeigt.

Ed Roth als Mentor

Ed Roth, den sie schon damals »Big Daddy Roth« nannten, war sehr erfolgreich als Chopper-, Trike- und Customcar-Schöpfer. Und er war der Erste, der ein Chopper-Magazin auf dem Markt hatte. Roth handelte auch mit bemalten T-Shirts. Warum also keine Poster? Ed soll ihm damals für das Poster 85 Dollar bezahlt haben.

Biker-Folklore: Nicht immer porträtierten Manns Bilder reale Erlebnisse aus dem Bikeralltag

Wie auch immer, Dave kam ins Geschäft und zeichnete in Folge mehrere Poster für Big Daddy Roth, die über das Choppers-Magazin vermarktet wurden. Alle diese Poster trugen sichtbar die Unterschrift von Ed Roth. Wer aber darauf hingewiesen wurde, fand auch Davids Signatur versteckt im Bild. Harlan Brower, den seine Freunde »Tiny« nannten, nahm sich weiterhin seines neuen Kumpels Dave an, zeigte ihm, was es bedeutet, einen Chopper zu bauen, und worauf es bei der Auswahl der Teile ankam.

David Mann und der El Forasteros MC

David wurde Mitglied des MCs und war es einige Zeit lang. Heute weiß man, dass dieser »El Forasteros MC« die Chopper-Szene durch David Mann beeinflusste. Die Biker prägten maßgeblich, was wir uns heute unter einem Chopper vorstellen. Und dies konnte geschehen, weil David Mann die Welt mit seinen Zeichnungen erreichte. Zeichnungen, in denen er die Wahrnehmungen in seiner Umwelt verarbeiten konnte.

Auch auf seinen Zechnungen tauchte das Bike immer wieder mal auf

Schon 1965 hatte David Mann den Bauzeichner Dave Poole getroffen, der David zeigte, wie er die perspektivischen Ansichten, exakte Dimensionierung und Detaillierung seiner Zeichnungen verbessern konnte. Also meldete er sich im »Kansas City Art Institute« an, um seine Fähigkeiten noch weiter zu schulen.

Fester Bestandteil des Magazins Eaysriders

Die Zeitschriftenwelt, die durch Ed Roths »Choppers Magazine« auf das Thema Chopper vorbereitet war, bekam zum Ende der Sechzigerjahre Zuwachs. Das »Street Chopper«-Magazin bediente die Schrauberszene, und dann kam »Easyriders«, ein Heft für die Hardcore-Biker und die, die so werden wollten. Seit der dritten Ausgabe war David Mann mit seinen Zeichnungen fester Bestandteil dieses Magazins.

Auch für Merchandise-Artikel waren die David Mann-Motive schwer beliebt, wie hier für ein Set Sammelkarten

»David baute Bikes mit seinem Pinsel«, meint Moose, ein El-Forasteros-Mitglied, im Rückblick. »Ich weiß nicht, wie viele er mit seiner Kunst kreiert hat«, sagte Moose, der David Mann schon 1966 kennenlernte und danach selbst Bikes baute. »Viel von dem, was ich versuchte mit meinen Bikes zu machen, basierte darauf, wie David sie zeichnete. Sie sahen immer aus, als ob sie sich bewegten, auch wenn sie stillstanden!«

Mann-Bilder als Lackiergrundlage

Egal wie, David Mann zeichnete wohl genauso gut bestehende Forasteros-Chopper, wie er dem Club mit seinen Zeichnungen als Vorlage für deren Umbauten diente. Mike Mafufa, ein Lackierer aus dem kalifornischen San Bernardino, meint sogar, dass der legendäre Denver Mullins seine langgezogenen »Denver’s«-Rahmen nach einer David-Mann-Zeichnung konstruiert hatte. Und andersrum hatte er selbst auch oft den Auftrag, Chopper genau so zu lackieren, wie sie auf Manns Gemälden ausgesehen hatten.

History – David Mann

Sowohl Denver als auch Mann waren auf die Farben Pearl-Orange, Purpur- und Candy-Rot fixiert. Danny Frannsen, belgischer Edelschrauber und persönlicher Bekannter Davids, kennt circa zehn Zeichnungen Manns, die Bikes zeigen, wie sie aus Denvers Laden gerollt sind. Manche seiner Bilder enthüllen erst auf den zweiten oder dritten Blick Einzelheiten, wie den im Hintergrund wütenden Tornado, der einen Fahrer auf seiner gebobbten Vincent Black Shadow zu Topspeed antreibt.

Das eigene Leben wurde in Bildern verarbeitet

Ein anderes Mal muss der Blick fürs Detail einen gerissenen Primärzahnriemen suchen, der sich beim Drag-Sprint verselbstständigte. So wie David seine Freunde in den Zeichnungen verewigte, so war er selbst auch hin und wieder zu erkennen. Legendär ist das Bild, das den hasserfüllten Blick seiner Noch-Ehefrau einfängt, die auf einer Bike-Show seinen roten Chopper putzt, während er mit einer Miss Bike Show flirtet. David soll das Bild gezeichnet haben, nachdem er die Beziehung zu seiner »alten« Lady abgebrochen hatte.

Suchbild: Wo ist der gerissene Riemen?

Ein anderes Bild zeigt David selbst auf seinem roten Apehanger-Chopper vor Shores Bar & Grill in Oxnard, Kalifornien, wo er selbst immer wieder anzutreffen war. Über dreißig Jahre hatte er seine rote Panhead bewegt und oftmals dem gerade vorherrschenden Zeitgeschmack folgend umgebaut: Mal mit Shovelhead-Köpfen und Sissybar ausgestattet, dann als langgabeliger Denver’s Chopper, auch mal zum Ness geprägten Digger mutiert und letztendlich wieder zurückgebaut zu den Anfängen, mit Apehanger, Jockey-Shift, Sissybar und verchromter VL-Springergabel.

2003 trat David Mann vom Zeichnbrett zurück

Seine Mittelposter zeigten jahrzehntelang den US-Biker-Lifestyle aus der Sicht des echten Insiders – bis er 2003 durch Krankheit gezwungen wurde aufzuhören. Die von Lackdämpfen beeinträchtigte Lunge machte nicht mehr mit. David, der einen Großteil seines Lebens selbst Chopper gefahren war, hatte seine Leidenschaften ausgelebt. Tragisch, dass ihm seine Berufung den frühen Tod bescherte.

History – David Mann

Im September 2004, einen Tag nach seinem 64sten Geburtstag ging David Mann von uns. Seine Anhänger treffen sich jährlich im Dezember zum Chopperfest in Ventura. Und selbstverständlich haben auch wir den wohl bekanntesten Szene-Zeichner nicht vergessen.

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.