Manchmal passt zusammen, was auf den ersten Blick unlogisch erscheint. Arno Overweel gewinnt einer Harley-Davidson Shovelhead völlig neue Aspekte ab

Bei jedem Respekt vor Customizern, die eins zu eins die Wünsche ihrer Kunden umsetzen, ich kann das einfach nicht«, erzählt Arno Overweel bei einem Sandwich in seiner Küche. Er wäre erfolgreicher, würde er mehr im Kundensinn arbeiten, aber Arno sieht sich mehr als Künstler, denn als Bikebuilder. Dabei sind seine Motorräder nie ganz extrem, immer voll funktionsfähig und durchaus auf Fahrbarkeit ausgelegt. Die Nische, in der er arbeitet, ist schwer zu beschreiben. Seine Bikes sind ein subtiler Cocktail aus verschiedenen Stilrichtungen, Arno selbst bezeichnet es gern als »Fusion-Style«. Seine Kunden wissen genau dies zu schätzen und lassen sich auf den Autodidakten ein. Belohnt werden sie mit ungewöhnlichen Motorrädern, die allerdings sicher nicht jedem gefallen.

Harley-Davidson Shovelhead – Ein lange gehegter Wunsch

Der Aufbau einer Harley-Davidson Shovelhead ist schon lange ein Wunsch von Arno, das Spenderfahrzeug stand schon ein paar Jahre in der Werkstattecke. Als der Holländer genug Inspirationen und Ideen für den Umbau gesammelt hat, geht es ganz schnell. Innerhalb eines Tages ist das Bike komplett gestrippt und es stehen nur noch Rahmen, Motor und Getriebe auf der Werkstattbühne. Die Gedanken, die er sich vorher gemacht hat, zeigen, dass das Bike in eine ungewöhnliche Richtung tendiert. »Ich wollte unbedingt eine Duo-Sitzbank haben.«

Lohn des exakten Vermessens: die Komponenten wirken zusammen stimmig

Und weiß Gott, es ist gar nicht so einfach, das sauber und ästhetisch gut hinzubekommen. Vor allem weil ich sie mit einem kleinen Tank kombinieren wollte. Außerdem schwebte mir eine Lackierung im japanischen Tattoo-Stil vor, die ich auf der Sitzbank wiederholen wollte«, erzählt der Bikebuilder. Nur der Name fürs Projekt steht aufgrund der eigenen Vorgaben schnell fest. Ab da arbeitet Arno am Projekt »Inked«.

Harley-Davidson Shovelhead – Der Computer wird zur wichtigsten Waffe

Bevor es an die eigentlichen, mechanischen Arbeiten geht, stehen viele Stunden an, in denen die Shovel komplett vermessen wird. Die Daten überträgt Arno in den Computer, seine wichtigste Waffe, um einen Umbau exakt zu berechnen. Arno will der alten Harley ein komplett neues, sportliches Gesicht geben und er weiß, dass er daher kaum auf Teile aus dem Milwaukee-Regal zurückgreifen kann. So digitalisiert er zum Beispiel die gesamte Front des Motorrades, das Gleiche geschieht mit der Schwinge und dem anvisierten Zentralfederbein.

Der Öltank mit Kühlrippen entstand in Handarbeit – und ist an ungewöhnlicher Stelle platziert

Seine Ergebnisse sind eindeutig: Die Upside-down-Gabel einer Suzuki GSX-R könnte perfekt passen und die Originalschwinge würde im Zusammenspiel zu kurz wirken. Diese Schlussfolgerungen werden direkt am Objekt umgesetzt, die Schwinge wird verlängert. Das zieht ein weiteres Problem nach sich, »der Primär sah optisch nun nicht mehr nach meinem Geschmack aus.« Arno entscheidet sich für einen offenen Riementrieb, findet aber bei den Aftermarket-Anbietern keinen, der mit dem Fünfgang-Starter und dem Drehgetriebe passt. Er muss selber bauen.

CAD kann nicht alles

Er konstruiert eine Grundplatte, die zum BDL-Primär passt, der Kickstarter kommt weg. Am Computer entwirft er außerdem eine passende Getriebeabdeckung – mitsamt einer Hydraulikkupplung, die bestens funktioniert. Dazu designt und baut er den Luftfilter und den Öltank, der an alte Teile von Hildebrandt – gerne verwendet bei Hot Rods – erinnert. Da das Ölgefäß nicht an seiner ursprünglichen Stelle bleiben kann – hier sitzt jetzt das Federbein – wandert es an die Front des Bikes. Und wer denkt, CAD kann alles, der täuscht sich gewaltig. Die »Kühlrippen« in den Öltank zu bekommen ist schwere, weil altmodische Handarbeit. Und weil das alles nicht genug ist, begeht Arno noch einen massiven Stilbruch, zumindest in den Augen so mancher Ästheten.

Ungewöhnlich: Am Frontend dämpft und federt die Upside-down-Gabel einer Suzuki GSX-R

Den selbstgefertigten Krümmer krönt er mit einem Akrapovic-Supersport-Endtopf. Seinen Meister in Sachen Sitzbank findet Arno bei einer Frau in Deutschland. Insidern ist Katharina von der Eiche sicher ein Begriff, ihre Lederarbeiten sind famoses Handwerk. Arno bombardiert sie mit Bildern, sie bringt ihren eigenen Stil mit ins Boot. Heraus kommt ein klasse Arbeit, die Arno erstmal schockt. »Als sie mir die ersten Bilder schickte, war ich entsetzt, die Sitzbank war weiß.« Erst nach der Punzierung schwärzt Katharina das Leder, eine aufwendige Prozedur. »Ich bewundere ihre Arbeit«, zeigt sich der Bikebuilder begeistert von der Künstlerin.

»Ich habe mir die Fingernägel abgekaut, während ich auf seine Arbeit wartete«

Der Drache auf dem Sitz findet sich auf dem Tank wieder, nur einer konnte die Idee eines von Tätowierungen geprägten Tankmotivs perfekt umsetzen. Dennis Kronings heißt der Lackierer, der den Tank per Hand bemalt. »Ich hatte Vertrauen in ihn. Und habe mir die Fingernägel abgekaut, während ich auf seine Arbeit wartete«, erzählt Arno, »ich wurde nicht enttäuscht.« Und wie die Arbeit von Dennis in keine Schublade passt, so tut es auch die »Inked« nicht. Aber selbst die größten Skeptiker müssen sich eigentlich eingestehen – ganz schön viel Linie und Charakter, das Teil.

Info | rnocycles.nl

 

Floris Velthuis