»Nur weil jemand Harley fährt, ist er kein typischer Harley-Fahrer« – wie der Fynn C. Grabke seinen Weg zum Umbau ging, ist bemerkenswert. Und wahnsinnig sympathisch. Vorhang auf für seine Harley-Davidson Shovelhead.

Ich war nie wie die anderen«, eine selbstbewusste Aussage, die den Nagel verdammt auf den Kopf trifft. Fynn C. Grabke sieht nicht aus wie der typische Mittzwanziger, er tut auch nicht dieselben Dinge wie der typische Mittzwanziger und er fand auch nie dieselben Platten gut wie der Durchschnittsyoungster seiner Generation.

Seinen Abschlusszeugnis holte er sich zwischen zwei Gigs ab

Skaten, Musik von The Cure, Kraftklub und Slayer, einen Hauptschulabschluss mit Ach und Krach – seinen Abschlusszeugnis holte er sich zwischen zwei Gigs ab – keine Lehre als irgendwas, was er eh nie sein wollte, Vegetarier, den ersten Plattenvertrag mit 17.

Die Shovelhead ist für Fynn ein Alltagsbike, das dank relativ modernem Motor gut geht und wenige Krankheiten hat. Zumal er die möglichen 190 km/h niemals aus dem Motor presst und das Bike nicht zum Heizen verheizt

Und zum Glück ein Elternhaus, das ihm die volle Unterstützung gab, vielleicht auch, weil es selbst nicht einer Norm entspricht, die dem »Normalo« als Vorbild gelebt wird. Fynns Vater Claus ist bekannt, eine absolute Größe der Skaterszene in den 80er- und 90er-Jahren, 19 deutsche Meistertitel, Sänger, MTV-Moderator, Gründer eines Skateboard-Magazines und eines Modelabels, heute Musikproduzent.

Man protzt nicht in Deutschland. Das gehört sich nicht

»Ich fahre Skateboard, ja klar. Aber mein Vater war nie dogmatisch, hat mir nie ein Brett in die Hand gedrückt und gesagt: Du musst! Ich wollte das selbst«, erzählt Fynn, dem es eher peinlich war, wenn die Leute wussten, wer sein Vater ist. »Man protzt nicht in Deutschland.

Notfallwerkzeug hat Fynn immer dabei

Das gehört sich nicht«, schmunzelt er. »Und außerdem ging es ja um mich, nicht um Papa«, erzählt der Sänger und Gitarrist der Band »The Picturebooks« weiter. Und da war dann noch was, eine kleine heimliche Liebschaft, die mit seiner Vespa. Fynn war jedes Jahr in den USA unterwegs, am liebsten in Kalifornien.

Skateboards und Bikes schienen zu einer Einheit zu verschmelzen

Plötzlich tauchten immer mehr Mopeds dort auf, das prägte ihn, Skateboards und Bikes schienen zu einer Einheit zu verschmelzen. Die Chopper kamen auf, ein Chopper war das Ziel. Zu Hause in Gütersloh blieb dem 15-Jährigen die Vespa, »die mich immer und zuverlässig zum Skatepark brachte. Schrauben musste man daran nichts, die lief immer.

Der Heckscheinwerfer scheint fast zu groß, ist aber ein stilsicheres Element der Seventies

Vielleicht habe ich sie mal ein bisschen schneller gemacht, das war’s.« Doch die Vorbilder aus Amerika, die verschwanden nicht: »Ich guckte die immer an, ich konnte nicht wegsehen, ich sog alles in mich auf. Ich war ein Fan geworden.«

Den Z-Lenkereinfach an die Vespa schrauben?

Ein Sommer in Kalifornien, in dem er auf dem Bike eines Freundes rumheizte, gab ihm den Rest, er war so verzweifelt, dass er mit dem Gedanken spielte, den Z-Lenker, den er so gerne wollte, an die Vespa zu schrauben. Es war derselbe Moment, in dem für ihn klar war: »Fuck, ich brauche endlich eine Karre.«

Menschenfreund? Eher nicht. Aber Steine sind ok. Egal, die Streben der Sissybar sind getwistet

Das erste richtige Bike war eine Yamaha SR 500, günstig im Internet geschossen. Fynn hatte keine Ahnung vom Schrauben. »Ich war ein Legastheniker mit zwei linken Händen. Ich habe beim ersten Umbau Fehler gemacht, musste die Karre wieder auseinanderreißen, es gab viele, die mir geholfen haben, mir alles beibrachten.

Seine SR hat er immer noch, zum Rumheizen, zum Wheelies machen

Vieles war Learning by Doing – und ich glaube, dass ich langsam das Händchen dafür entwickelt habe«, erzählt er. Seine SR hat er immer noch, zum Rumheizen, zum Wheelies machen, sie gehört zu ihm. Doch irgendwann war Fynn bewusst, egal, was er an der Yamaha verändern würde, wie viele Kohle er reinstecken würde, es würde nie die ersehnte Harley sein, die er doch immer zu imitieren versuchte.

»The Picturebooks«, das sind Fynn Claus Grabke (Vocals, Guitar) und Philipp Mirtschink (Drums). Als Trio gestartet, mit zwei veröffentlichten Alben in der Tasche und von der Kritik hochgelobt, sind die Jungs mittlerweile zu zweit unterwegs und liefern neben einer gehörigen Portion Benzin im Blut (der Proberaum dient gleichzeitig als Werkstatt) auch satten Rock made in Germany, ohne Schnickschnack ohne Schnörkel. So wie halt auch ein guter Chopper gebaut sein sollte. Wir empfehlen die Jungs uneingeschränkt weiter, klare Sache

Für ihn und seinen Bandkollegen Philipp war klar, wir brauchen Harleys. All ihre Ersparnisse kratzten die Freunde zusammen, den Rest besorgte ein Kredit. Und sie kauften zwei Shovels im Starrrahmen. »Die Geschichte ist ziemlich lustig. Ich hatte überall nach einem passenden Angebot gesucht, im In- und Ausland.

Harley-Davidson Shovelhead aus Gütersloh

Und am Schluss kaufte ich das Bike hier in Gütersloh bei Mario von Sunny Oaks Motorcycles.« Mario half auch beim Umbau, der über den Winter in dem Mix aus Proberaum, Garage, Skatespot entstand. »Ein bisschen proben, zwischendurch schrauben, mal ’n Stündchen auf die Ramp«, beschreibt Fynn einen guten Tag in seinem Leben und dem seiner Band und seiner Buddies.

Keine Mörderstopper, aber die Duplex Springer-Drumbrake reicht zum sanften Ankern

Die Harley-Davidson Shovelhead kam mit breitem Tank und Apehanger zu ihm. Er gestaltete sie genau so um, wie die Vorbilder aus den USA ihm im Kopf schwirrten. Springergabel, Bremstrommeln klassisch, selbstgedrehte Sissybar, handgemachter Rabbit-Ear-Lenker, schmale Reifen, knackiger Tank, der richtig Sorgen machte.

Harley-Davidson Shovelhead – Plötzlich waren die Teile weg

Die meisten Teile kamen von Freunden oder vom Cycle Swap Meet in SoCal. Was fast zum Problem geworden wäre. Auf einer der Touren verschwand die Tasche, die den geschenkten und fertig lackierten Tank von Primo, Fishtails, Grips und – ganz wichtig – Fynns Skateboard beinhaltete, in den Katakomben von British Airways.

Der altbewährte CV-Vergaser gibt sich pflichtbewusst und wird mit einem Luftfiltergehäuse im klassischen Stil geschmückt

Nach einem dreiviertel Jahr hatte Fynn die Hoffnung aufgegeben und bereits einen anderen Tank montiert. »Das Motorrad war fast fertig, da stand auf einmal ein Typ vor der Tür und brachte das restliche Gepäck.« Fynn konnte seine Harley wunschgemäß vollenden. Und ist am Schluss vielleicht doch ein ganz normaler Mittzwanziger – nämlich einfach einer, der macht, worauf er Bock hat. Und das richtig gut.

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.