Heute testet Frau Reuter: Schlagschrauber, schlechtes Klebeband und eine unnütze Magnetschale zur kurzzeitigen Aufbewahrung von Schrauben.

Wozu braucht man als Motorradfahrer eigentlich einen Schlagschrauber? Und wie oft braucht man sowas? Die Frage ist bei mir ganz einfach zu beantworten: gefühlt brauche ich sowas ein-, zweimal  im Jahr, aber dann richtig. Als ich kurz nach dem Krieg anfing, an Motoren zu schrauben, stieß ich in steter Regelmäßigkeit auf festgerottete Gehäuseschrauben. Damals wurden noch Schlitz- und Kreuzschlitzschrauben verwendet. Wenn man den Schraubenkopf nicht von vornherein versaut hatte, konnte man immer noch mit einem Meißel oder der Puksäge nachhelfen, um einen »Hilfsschlitz« in den Kopf zu zaubern. Da setzte man dann mit dem Handschlagschrauber an, um mit einem gezielten, wohldosierten Hammerschlag die Schraube zu lösen – oder den Schlitz komplett zu zerlegen. Oder den Kopf abzureißen. Ja, es waren schöne Zeiten. Damals wurde einem der Blinddarm noch ohne Betäubung rausgenommen und Rauchen galt als gesund und weltmännisch.

Kleiner-Lümmel-Schlagschrauber

Wo waren wir stehen geblieben? Schlagschrauber! Das mit dem Handschlagschrauber war manchmal hilfreich, manchmal kontraproduktiv. Aber man kam mit dieser Technik einigermaßen über die Runden. Heute treffen wir eher auf Innensechskant- oder Torx-Schrauben. Da fasst der Schlüssel von Anfang an viel besser, und wenn man so blöd ist, den Kopf zu versauen, kann man es immer noch mit der Schlitzmethode versuchen, zumindest bei einer M6-Schraube. Ab M8 wird es kritisch, das Loslösdrehmoment (gibt es das Wort wirklich?) ist ungleich höher und erfordert Geschütze größeren Kalibers. Und hier kommt der motorisierte Schlagschrauber ins Spiel. Letzten Herbst hatte ich ein HD-Scheibenrad auf dem Schoß, bei dem sich die Schrauben der Bremsscheiben partout nicht lösen ließen – Sechskantschrauben, etwas größer als M8.

Frau Reuter und die fette Killernuss

Ich wollte die Köpfe auf keinen Fall versauen, sonst hätte ich die abflexen müssen, dann das Gewinde ausbohren, nachschneiden und die ganze Scheiße. Nein, das Problem musste professionell angegangen werden. Ich bin also mit dem Rad zu Speedmonsters gefahren. Damals hat da noch Jörg, der Schlammspringer, gearbeitet. Der hat mit der Heißluftpistole die Schrauben heiß gemacht (Ich dachte: Hmm, die dehnen sich ja jetzt eigentlich aus und gehen noch schwerer raus …), dann hat er den Schlagschrauber genommen und »brrrrt, brrrrt, brrrrt« die bekackten Schrauben gelöst. Ich war baff. Nun hat Jörg einen fetten Kompressor am Start und benutzt einen luftgetriebenen Schlagschrauber. Sowas find ich für meine kleine Werkstatt unpraktisch. Darum hab ich mir, auf Anraten von Herrn Schoppe, einen akkubetriebenen Schlagschrauber gekauft. Sowas benutzen die bei der Paris-Dakar auch, hat er gesagt. 

Es ist beruhigend zu wissen, dass Frau Reuter DAS Gerät gefunden hat, das ihn nicht nur ruhiger schlafen lässt, sondern auch noch davon abhält, vorzeitig diese Welt zu verlassen. Ein Leben ohne Schlagschrauber ist einfach kein Leben. Da solltet ihr ruhig auf Martin vertrauen

Und dieser kleine Lümmel hat in gewisser Hinsicht mein Leben verändert. Fakt ist: Eine Heißluftpistole ist bei festgegangenen Schrauben IMMER hilfreich. Fakt ist auch, dass man mit diesem kleinsten aller Makita-Akkuschlagschrauber jede Schraube gelöst kriegen sollte, die jemals am Motorrad auftaucht. Außerdem kann man damit Muttern und Schrauben an Kurbelwellen und Polrädern, Statoren und Rotoren kinderleicht lösen, ohne den Kram großartig zu blockieren. Die Trägheit der Bauteile unterliegt dem Zusammenspiel von Geschwindigkeit und Kraft. Was hab ich früher auf der Riesenmutter von meinem Primärritzel rumgekloppt, die Kurbelwelle notdürftig blockiert, mit dem Riesenschlüssel abgerutscht, geweint, gemeckert. Heute hau ich die fette Killernuss auf den Schlagschrauber, mach einmal »brrrrt« – fertig. Die Kurbelwelle hat gar nicht gemerkt, was los ist. Die Schraube ist einfach lose. Selbst am Polrad von Kalles Hercules hat das letztens geklappt. Wenn einem so ein Akkuschlagschrauber nur einmal im Jahr das Leben rettet, ist er sein Geld wert. Ganz nebenbei ist er noch ein hilfreiches Werkzeug, wenn man sein Automobil von Winter- auf Sommerreifen umrüstet. 

Ein individuelles Anzugsdrehmoment ist nicht einstellbar

Aber es kann nicht oft genug gesagt werden: Grundsätzlich ist ein Schlagschrauber in MEINER Welt zum LÖSEN von Schrauben und Muttern gedacht. Ein individuelles Anzugsdrehmoment zum Festziehen ist nämlich nicht einstellbar. Im Falle meiner Ritzelschraube (30 mm) ziehe ich sie mit der kleinsten von drei Stufe an. Das entspricht dann 70 Newtonmetern. Da noch ein Sicherungsblech und Loctite im Spiel sind, reicht das. Die zwei stärkeren Stufen haben 140 beziehungsweise 280 Newtonmeter. Mit 140 würde man wohl die Radmuttern des Autos festziehen, ich mach das aber lieber händisch mit dem Drehmomentschlüssel und wähle 120. Die Leerlaufdrehzahlen dieser drei Stufen sind 0–1200, 0–2100 und 0–2800 U/min. Die Schlagzahl liegt jeweils etwas höher, das ist technisch bedingt und muss hier nicht ausufernd erklärt werden. Gelöst werden Schrauben im Linkslauf. Und hier bietet der DTW285 eine vierte Stufe an, bei der der Schlagmechanismus sofort stoppt, sobald die Schraube sich gelöst hat. Sehr komfortabel! Ich kann ohne dieses Gerät nicht mehr leben – alleine die Gewissheit, es zu haben, lässt mich ruhiger schlafen.

Frau Reuter schwört auf ihre uralten Proxxon-Nüsse

Eigentlich sollte man nur Nüsse und Einsätze verwenden, die explizit für Schlagschrauber geeignet sind. Ich bin aber tatsächlich bisher mit meinen uralten Proxxon 1/2-Zoll-Nüssen klargekommen. Wenn die platzen, bin ich nicht traurig. Aber die Dinger halten was aus! Der 1/2-Zoll-Vierkant des Schraubers ist mit einem sehr starken Federring ausgestattet, damit einem die Nüsse nicht um die Ohren fliegen können. Das erfordert etwas Kraft beim Aufstecken der Nüsse. Ein extra Kästchen mit neun Schlagschraubernüssen von Makita kostet etwa dreißig Euro. Dafür bekomme ich wo anders ’ne schöne Flasche Single-Malt-Whisky. Aber hier muss man Prioritäten setzen: Der handliche DTW285 kostet ohne Akku laut Makita-Liste 260,– Euro. Das ist ’ne Frechheit. Im freien Handel bekommt ihr das Ding für einen Hunderter weniger. Da ich bereits eine Flex und zwei Akkuschrauber von Makita habe, kann ich die bereits vorhandenen 18-Volt-Akkus nutzen. Für einen Makita-Neueinsteiger bedeutet das allerdings, er muss das Set mit zwei Akkus und Schnellladegerät kaufen. Das kostet dann rund 380,– Euro. Dennoch: Dieses Gerät ist eine absolute Empfehlung und mausert sich schnell zum unverzichtbaren Bestandteil einer guten Werkstatt.

Schlechtes Textilklebeband von Tesa

Was gibt es noch? Folgendes: Ich hatte letztens einen Riss in meiner Packtasche zu flicken. Nur provisorisch, sollte nur den Tag über halten. In Ermangelung an eigenem Klebeband hat mir die Nachbarin eine Rolle geliehen: Tesa 4651 Textilklebeband. Was für eine Scheiße! Das Zeug klebt wie billiges Heftpflaster. Das können die Damen und Herren und Diverse von Tesa gerne aus dem Programm nehmen.

Hält nicht annähernd, was es verspricht: das Tesa 4651 Textilklebeband. Billiges Gaffa-Tape tut‘s stattdessen auch

Sowas hat man vor fünfzig Jahren benutzt, um Fensterschlitze abzudichten. Die Besonderheiten des 4651 sollen sein: sehr stark klebend. Quatsch! Wetter und wasserfest: kann sein. Für raue Untergründe: Quatsch! Lasst euch nicht verarschen. Ich hatte das in meiner Lehre in der Werkzeugtasche und hab mich schon damals ständig darüber geärgert. Das Zeug ist Mist! Für kurzzeitige Reparaturen empfehle ich immer noch das billige Gaffa-Tape.

Eine Magnetschale bringt bei VA-Schrauben nichts

Als Letztes muss ich euch etwas zeigen, was mich ebenfalls irritiert hat: eine Magnetschale. Das hat nix mit Esoterik zu tun, sondern soll uns Schraubern behilflich sein, weil die Schrauben, wenn sie denn aus Eisen sind, von der Schale festgehalten werden, denn auf der Unterseite befinden sich zwei große, runde Magneten. Da VA-und Alu-Schrauben nicht von der Schale gehalten werden, ist das für mich wenig attraktiv.

Hat nachweislich keine esoterische Wirkung: die Magnetschale zur sicheren Aufbewahrung. Funktioniert übrigens nur bei Eisenschrauben

Ich bräuchte für diese dann eine Extradose. Also lass ich die Magnetschale gleich ganz weg und nehme meine seit vielen Jahren bewährten Sortimentskästchen aus dem Baumarkt. Denen ist egal, woraus Muttern und Schrauben sind. Das Ding hier kommt von Aldi, gibt es aber auch im Motorradfachhandel. Kostet um die fünf Euro. Sowas bekomme ich von netten Leuten zum Geburtstag. Dich lad ich nie wieder ein, Hartmut! Wenn man die Schale umdreht, sieht sie aus wie ein zweiflammiger Elektroherd für Puppenstuben. Das scheint mir ein geeigneteres Einsatzgebiet zu sein.

Frau Reuter

Ich bring jetzt mal das Tesaband nach nebenan, stecke es dahin, wo es hingehört, und verbleibe mit einem kräftigen Nachdurst …
Euer Martin     

 

 

Frau Reuter
Frau Reuter bei CUSTOMBIKE

Martin Reuter ist unter seinem Pseudonym »Frau Reuter« inzwischen zweitdienstältester Mitarbeiter der CUSTOMBIKE. Der freischaffende Künstler rezensiert mit spitzer Feder und scharfem Wort Produkte, die seiner Meinung nach etwas Aufmerksamkeit bedürfen. Im wahren Leben ist er als Illustrator, Fotograf und Textautor tätig und spielt ganz nebenbei Bass und Orgel in der zweitschlechtesten Band der Welt. Kulinarisch betrachtet kocht er scharf und trinkt schnell. Als echtes Nordlicht badet er selbstverständlich nur in Salzwasser. Seine Vorlieben sind V8-Motoren und Frauen, die Privatfernsehen verschmähen. Stilecht bewegt er eine 76er Harley, restauriert eine Yamaha SR 500 und bewegt sich politisch korrekt die meiste Zeit mit dem Fahrrad fort.