30 Mofas und Mopeds zierten die Sonderausstellung auf der letzten CUSTOMBIKE-SHOW in Bad Salzuflen. Unter dem Motto »Halbstark« sind wir mit 50 Kubik in die Vergangenheit geknattert.

Es gibt die Theorie, dass der Plastikroller mit Variomatik mindestens zwei bis drei Motorradfahrergenerationen auf dem Gewissen hat. Wer auf einem hässlichen Viertakt-Spacescooter seine motorisierte Zweiradkarriere beginnt, will mit Erreichen der Volljährigkeit nämlich vor allem – ein Auto. Wen hingegen mit 15 oder 16 Jahren stets eine sinnliche Fahne verbrannten Synthetiköls umwehte, wer mit Hand- oder Fußschaltung die Freuden des manuellen Gangwechsels kennengelernt und womöglich den erhabenen Moment einer geglückten Frisieraktion erlebt hat, der ist normalerweise für immer angefixt. Der macht mit achtzehn den Motorradlappen. Und will mehr vom köstlichen Nektar der Freiheit und der Dynamik auf zwei Rädern kosten. Das haben anscheinend auch die Fahrzeughersteller geschnallt und bieten mittlerweile wieder reichlich flotte Schaltmopeds an. Nur mit der Synthetikölfahne ist’s leider vorbei, weil dem Zweitakter ja schon vor vielen Jahren der Gemischhahn abgedreht wurde.

 

Unglaubliche 700 Arbeitsstunden stecken in der Schwalbe von Martin Müller. Der Simson-Fan und -Customizer hatte es sich zur Aufgabe gemacht, seinen wunderschönen Vogel so kompakt und vor allem niedrig wie möglich zu bauen. Ganz ohne Luftfederung. In endlosen Werkstattsessions mit Schrauben, Schweißen und Flexen wurden nahezu alle Teile wie Tank, Motoraufhängung, die Kette, natürlich alle Blechteile und mehr bearbeitet und modifiziert. Als Antrieb dient der Motor einer Simson Spatz, komplett überholt und mit bearbeiteten Zylindern. Der Auspuff ist nach oben gelegt, Schrauben liegen versteckt unter der Verkleidung. Außerdem wurde auf Handschaltung umgebaut, alles wichtig für die cleane Optik des Bikes. Die Federn an Gabel und Schwinge flogen raus, sowohl vorn wie auch hinten ist die Schwalbe starr gelegt. Die 16-Zoll-Räder sind Einzelanfertigungen und wurden mit den Reifen eines Kinderrennrads bestückt

» … und dann sind wir vor den Bullen abgehauen!« Wer seine Öhrchen aufsperrte, konnte auf der Halbstark-Sonderausstellung jede Menge glorreiche Mofa- und Moped-Geschichten aufschnappen. Vom nächtlichen Feilen an Ein- und Auslässen, gedrehten Seitenständern und Z-Lenkern. Der unendlichen Suche nach der ultimativen Vergaserbedüsung. Dem Auspuff-Ausbrennen und der Behandlung von Versicherungskennzeichen mit Öl und Dreck, damit nach der Flucht vor der Rennleitung auch ja kein Hausbesuch anstand. Das waren Zeiten! Und diese waren in Ost und West augenscheinlich ähnlich. Nachvollziehbar auch an den Exponaten der Ausstellung, die eben nicht nur aus Kreidler-, Hercules-, Zündapp- und Puch-Mopeten bestand, sondern auch feinstes Federvieh aus Suhl zeigte. Schwalbe und Spatz natürlich, aber auch herausragende Umbauten auf Basis von S50- oder SR2-Simsons.

Halbstark – Start mit Kreidler-Frisieranleitungen

Als wir die Halbstark-Nummer planten, waren wir nicht sicher, ob das werte Publikum kleine 50-Kubik-Customs schätzen würde. Doch egal, mit wem wir im Vorfeld darüber sprachen – es begann stets zu sprudeln. Rängdängdäng. Und da unser Boss seine Karriere als Verleger in den 60er Jahren mit dem Verkauf von selbstgeschriebenen Kreidler-Frisieranleitungen begann, war die Sache geritzt. Nur ein Zahnarzt, der erst mit fünfzig seinen Lappen gemacht hat, wird den Zauber des blauen Nebels nicht verstehen können.

 

Sabine und Detlef präsentieren ihre extrem gut im Futter stehenden Kreidlers auf der Showbühne in Bad Salzuflen

Während für uns der Abstecher in die 50-Kubik-Welt ein schönes Nostalgie-Träumchen ist, sind andere auf dem Trip hängengeblieben. Norbert Edinger beispielsweise, der mit seiner Moped-Garage die Szene am Leben erhält. Er hat nicht nur ein riesiges Ersatzteillager und lässt nicht mehr lieferbare Brocken nachfertigen, sondern besitzt auch ein allumfassendes Archiv an Original-Dokumenten, technischen Daten und Werbematerialien der deutschen Mofa- und Moped-Hersteller. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle, dass wir uns durch das ganze Material wühlen durften. Und viel Spaß auf dem kleinen Ausflug, der dich im Juli vom Hockenheimring ans Nordkap führen wird. Mit zwei Kumpeln auf Zündapp Bergsteiger mal eben knapp 3500 Kilometer abreißen, wird bestimmt eine zähe, arschmordende Angelegenheit (way-to-nordkap.de).

Die Kobras – Deutschlands bekanntester Mofa-Club

Hängengeblieben sind auch die Kobras. Dank einer zehnteiligen TV-Reportage sicherlich Deutschlands bekanntester Mofa-Club. Die Herrschaften haben uns einige Möppchen für die Ausstellung zur Verfügung gestellt und importierten kistenweise Pilsss mit nach Bad Salzuflen. Ein supersüffiges Eigengebräu, dessen drei s für den Zischlaut der Kobra steht. Ssstößchen!

Info | custombike-show.de

Carsten Heil, hat die typische Zweiradkarriere der 80er-Jahre-Jugend durchgemacht: Kreidler Flory (5,3 PS), 80er-Yamaha DT und mit achtzehn dann die erste 250er Honda. Nach unzähligen Japanern über Moto Guzzi ist er dann schließlich bei Rohrrahmen-Buell gelandet. Seit 1992 mit Fotoapparat und Schreibgerät in Sachen Kradkultur unterwegs.