Mit einer 36-jährigen BMW Scrambler über Schotterpisten durch den Westerwald zu gleiten, ist eine Beschäftigung, die ich jedem nur empfehlen kann. So ein Ausritt kann mit einem modernen Motorrad nicht intensiver sein …
Um ehrlich zu sein: Ich habe die alten Zweiventilboxer von BMW nie richtig verstanden. Außer der R 90 S, der R 100 RS und den GS-Modellen hatten alle eine Aura wie ein VW Käfer. Attraktiv auf eigenartige, etwas barocke Weise, langsam, aber ausdauernd. Ihre Fahrer waren ganz ähnlich – konservative Nonkonformisten, die keine Popmusik, nichts Japanisches und auch Fernsehen nicht sehr mochten. Sie trugen Bärte in Zeiten, als alle damit eigentlich schon aufgehört hatten.
Viele Gummikühe warten auf Dilettanten wie mich
Wenige waren sie nicht, denn trotz alldem verkauften sich die Gummikühe sehr gut – und hielten bis heute durch. Ein Grund dafür, warum da draußen so viele davon zu finden sind. Zwischen 1969 und 1996 produzierte BMW 467 000 Stück in der Fabrik in Spandau. Viele von ihnen sind bis heute irgendwie funktionsfähig und warten darauf, von übermotivierten Dilettanten verbastelt zu werden. Von jungfräulichen Mechanikern, deren gesamtes technisches Wissen aus Youtube-Videos und Tipps von ebenso unbedarften Kumpeln stammt. Also Leuten wie mir. Aber warum nur?

Diese Frage will ich Dietmar Franzen stellen. Ich wundere mich, warum er derart viel Arbeit in Konzeptbikes und Custom-Komponenten für diese alten Boxer investiert. Er war Rennfahrer und ist ein erfolgreicher Renningenieur, der von Motorraddynamik mehr versteht als jeder andere, den ich kenne. Wenn wir uns treffen, sprechen wir normalerweise eher über seine Fahrwerkssimulationssoftware oder die Auswirkungen der Schwingenlänge auf das Handling bei MotoGP-Maschinen – nicht über Schaltereinheiten im Retrolook für Ü30-Luftgekühlte. Kurzerhand gibt er mir die Schlüssel für eines seiner Scrambler-Bikes auf Basis einer 1986er R 100 Monolever. Okay, ich fahre. Wir reden später.
BMW Scrambler – Clean und minimalistisch
Sofort fällt mir die Qualität des Umbaus auf. Sein cleaner und minimalistischer Stil. Keine Spur von Lederbarock oder Messing-Chichi. Allein ehrliche Ingenieurskunst. Eine gelungene Mischung aus poliertem, eloxiertem, gebürstetem oder gepulvertem Metall. Nichts Retrohaftes kann man dem Motogadget-Minitacho oder dem schwarzen Fatbar-Lenker nachsagen. Die hauseigene CNC-Gabelbrücke ist schwarz eloxiert. Ein edles, funktionelles Teil, wie man es auch an einer Triumph Speed Triple oder einer KTM-Enduro finden könnte. Doch auch diese Gabelbrücke aus 7075er-Flugzeugalu kann doch aus einer Gummikuh sicher keinen Kurventiger machen.

Es braucht ganze zweihundert Meter, um mich vom Gegenteil zu überzeugen. Die Kupplung ist leichtgängig wie bei einer modernen Honda. Die Bremsen packen zu, sind aber gut dosierbar. Das Fahrwerk ist straff bei gutem Ansprechverhalten und die Lenkung leicht, aber akkurat. Zugegeben, noch befinde ich mich in einem Industriegebiet, aber diese Sport-Evolution-Scrambler hat mich schon überrascht.
Immer erntet man eine unpräzise und träge, zeitverzögerte Reaktion
Was mich bei alten Kisten immer ärgert, ist, wie ungenau sie auf Fahrer-Input reagieren. Ob beim Bremsen, Lenken oder Gas geben, immer erntet man eine unpräzise und träge, zeitverzögerte Reaktion. Das hat viele Gründe. Manche sind Alterserscheinungen: ausgeleierte Gaszüge und Vergaser, abgenutzte Zahnräder oder gealtertes Dämpferöl. Doch oft sind es auch Konstruktionsschwächen: unterdimensionierte Schwingenlager, labberige Rahmen und zu viel träge Masse an Kurbelwelle, Kupplung und Rädern.

Die SE-Scrambler aber fühlt sich direkt, quirlig und sehr leicht an. Zunächst bin ich vorsichtig. Immerhin ist es eine wertvolle Maschine, und dann sind auch noch Stollenreifen aufgezogen. Die TKCs stören mich nicht. Ich weiß, dass sie an leichten Bikes ganz gut funktionieren, solange es nicht regnet. Heute ist es trocken, aber kalt und ich versuche, sie durch Anfahren und Bremsen etwas auf Temperatur zu bringen. Schon wenige Kilometer nördlich der Sport-Evolution-Hallen erreiche ich die ersten Kurven Richtung Westerwald.
Mit dem BMW Scrambler in den Fast Flow
Ich genieße die Fahrt. Vergesse völlig, dass ich ja eigentlich einen Artikel über all das schreiben sollte. Im dritten, vierten Gang schwinge ich mit der BMW – fast ganz ohne zu bremsen – an einem Fluss entlang und freue mich über die Herbstsonne. Ich fahre sie so, wie ich mir vorstelle, dass es Liebhaber klassischer Motorräder tun würden. Etwa fünfzehn Minuten später, nachdem mein Stiefel das dritte Mal den Asphalt berührt hat, merke ich, dass ich anfange, in diesen speziellen Fast Flow zu geraten, in dem man ohne zu pushen schnell ist.

Der silber-blaue Boxer spricht zu mir. Durch den Sitz, den Lenker und die Fußrasten sagt er mir, dass ich ruhig später bremsen und früher ans Gas gehen kann und wie gut die Reifen gerade mit der Straße interagieren – manchmal in festem Verbund, manchmal streichelnd in sanfter Berührung. Auch in tiefer Schräglage im zweiten Gang lässt er mich wissen, wie viel Drehmoment die Stollen vertragen können.
Der BMW Scrambler lässt Dich einfach so gut fahren, wie du kannst
Einige schöne Stunden und etwa 400 Kurven später bin ich noch immer beeindruckt von der Klarheit seiner Rückmeldung. Rückmeldung ist schwer zu erklären. Vielleicht eine Art Intimität mit der Mechanik. Eine Art inniger Verbindung mit dem Motorrad, die einem Verunsicherung nimmt und Zutrauen fördert. Zwar macht sie dich nicht zum Racing-Gott, schafft es aber, dich so gut fahren zu lassen, wie du kannst.

Es gibt erstaunlich viele schnelle Bikes, die es nicht schaffen, diese Nähe herzustellen – einige so komfortabel und mit so viel Helferelektronik, dass man sich eher als Beifahrer denn als Fahrer fühlt. Bei anderen wiederum ist die Diskrepanz zwischen Fahrerinput und dem Output der Maschine so groß, dass die Kommunikation scheitern muss. Manchmal bis zu dem Punkt, an dem einem das Gerät beinahe Angst einjagt.
Das Gefühl, dass die Welt noch in Ordnung ist …
Wie viel Rückmeldung du brauchst, hängt immer vom Fahrstil ab. Passt für dich alles, hast du das Gefühl, dass die Welt noch in Ordnung ist. Sport Evolution hilft dir, in diesen Flow zu kommen. Dank der einstellbaren Gabel-Cartridges und der im Auftrag gebauten Bilstein-Federbeine kannst du den für dich persönlich erforderlichen Informationsgrad voreinstellen. Viele seiner Kunden seien an den technischen Einzelheiten gar nicht interessiert, sagt Dietmar. Nach einer Testfahrt aber sind sie wie ich sehr erstaunt über den Unterschied.

Und der Boxer-Twin selbst? Ich hab mich mit ihm schnell gefühlt. Vor einigen Jahren ließ ich meine 82er Moto Guzzi auf 950 Kubik und 82 PS tunen. Die SE Concept Scrambler schien mir genauso druckvoll bei 6 500/min, aber mit mehr Drehmoment unterhalb von 4 000/min. Es stellte sich heraus, dass ihr Motor gar nicht getunt, sondern nur sorgfältig neu aufgebaut wurde. Nockenwelle, Zylinder und Köpfe sind R-100-Standard.
Auf der Landstraße ist Leichtigkeit wertvoller als Power
Die Bing-Vergaser wurden auf dem hauseigenen Prüfstand optimiert und für die Zweiventilboxer hat SE eigens eine programmierbare Zündung entwickelt. Dietmar schätzt die Leistung auf 70 bis 75 PS. Allerdings sind diese Pferdchen richtig gut im Training. Die BMW ist ein Fliegengewicht und das pusht die Dynamik. Vollgetankt wiegt sie 185 Kilo – das entspricht dem Leistungsgewicht einer Yamaha MT-07. Zwischen 30 und 100 km/h ist Leichtigkeit wertvoller als Power. Wer jemals versucht hat, einer gut pilotierten MT-07 über einen Pyrenäen-Pass zu folgen weiß, dass man so am Berg der König ist. Die Motorräder von Sport-Evolution sind konstruiert für den Spaß auf der Landstraße. Da draußen sind noch 323 000 Zweiventil-Beemer, die es verdienen, gepimpt zu werden.
Info | sport-evolution.de

Ml
Ich trage Bart.Halt mich da raus.
Was für Schotterpisten im Westerwald?
In Deutschland ist doch Scrambler und Enduro fahren überhaupt nicht legal möglich.
Offene Tüten sind auch nicht legal …