Über eine Lackierung darf man streiten, über eine technisch richtig gelungene Leistung nicht. Diese BMW R 80 ist der fahrende Beweis.
Joachim war schon oft in der Werkstatt von »Mean Machines« in Weitramsdorf – aber diesmal war die Aufgabenstellung glasklar. Seit zwei Jahren lagen die Pläne für einen Scrambler auf Basis eines deutschen Motorrades in der Schublade, jetzt sollte »Mean Machines«-Chef Benni Adler Nägel mit Köpfen machen.
BMW R 80 – It’s not a Scrambler
Und obwohl mittlerweile mannigfaltige Custombikes mit bajuwarischem Pass die Straßen bevölkern, kam auch Benni nicht um einen Boxer herum. Um trotzdem individuelle Zeichen zu setzen, beschlossen Besitzer und Erbauer, sich vom Scrambler zu verabschieden und etwas Neues, nicht ganz Einordenbares zu schaffen.

Schon eine Woche nach dem Startschuss hatte Benni eine hässlich-schöne Schlachtkuh in Rotmetallic beschafft, furchtbar schaurig mit Koffern und Vollverkleidung. Als Joachim einen Blick in die Papiere warf, wusste er sofort, unter welchem Motto das Bike aufgebaut werden sollte.
BMW R 80 – Der motorradgewordene Hulk
Und auch, dass er es nie mehr verkaufen würde. Die R 80 war am selben Tag zugelassen worden, an dem Joachims Sohn das Licht der Welt erblickte. Das war in dem Sommer, als Joachim auf einer Party als Hulk verkleidet die Gemüter erfreute, so war klar – diese BMW wird der motorradgewordene Hulk.

Außerdem hieß der Vorbesitzer Bruce Banner … nö, Scherz. Dr. Bruce Banner trat das erste Mal 1962 in den Marvel Comics in Erscheinung, für Freaks das einzig legitime Comic überhaupt! Jener Dr. Bruce Banner verwandelte sich nach einem Strahlenunfall mit einer Gamma-Bombe bei jedem Wutanfall in ein grünes, kraftstrotzendes Monster, genannt Hulk.
BMW R 80 – Nur Rahmen, Motor und Tank sollten bleiben
Also eine Art Dr. Jekyll/Mr. Hyde-Geschichte – wahrscheinlich kennen wir alle diverse Verfilmungen, aber die Comics sind um Längen besser! Doch zurück zum Aufbau. Zuerst wurde die R 80 fachmännisch zerlegt. Außer dem Rahmen, der vor allem im Heckbereich stark modifiziert wurde, Motor und Tank sollte nichts mehr Verwendung finden.

Da sich das Team bewusst von gängigen Umbauten absetzen wollte, wurde ein kurzer Radstand für mehr Wendigkeit gewählt, dazu hochwertige Komponenten. Und natürlich sollte das Ganze am Ende auf jeden Fall zulassungsfähig sein.
BMW R 80 – Hinten dämpft ein Wilbers-Federbein
Es wurde eine Upside-down-Gabel von ODC angepasst, hinten dämpft ein Wilbers-Federbein. Auf BMW-Radnaben wurde vorn von Händlerkollege Steve Schneiderbanger eine beschichtete 4×18-Felge, hinten eine 5×17 Alufelge von Behr – kreuzgespeicht – eingespeicht!

Sieht zwar super aus, aber Kreuzspeichen-Räder sind für die zentrierende Zunft die Hölle! In der Upside-down-Gabel sind zwei 6-Kolben-Tokico-Bremssättel verbaut. Zum Stehen kommt der Hulk so auf jeden Fall, hinten reicht deshalb die BMW-Trommel vollkommen aus.
Der Hubraum wurde von 800 auf 1070 Kubik erweitert
Parallel zum Fahrwerksaufbau kümmerte sich Benni mit Hilfe von BMW-Motoren-Koryphäe Jens Baumann um den Motor. Der Hubraum wurde von 800 auf 1070 Kubik erweitert, eine elektronische Doppelzündung und größere Ventile wurden verbaut.

Dazu rüstete Baumann den Antrieb auf eine hydraulische Kupplung von Magura um. Die meisten Teile für den Zweiventil-Boxer stammen von Siebenrock, eine der Topadressen für BMW-Tuningmaßnahmen. Der Block atmet außerdem nun über eine elektronisch verstellbare Klappenauspuffanlage von Gietl-Bikes aus, die Krümmeranlage ist made by Mean Machines und aus Edelstahl.
BMW R 80 mit Neumann-Keyless-System
Alle anstehenden Blecharbeiten erledigte Benni zusammen mit seinem Kumpel Max alias »Fred Flitzefuß«. Das Bike wurde natürlich komplett neu verkabelt. Beim Zündschloss setzten die Jungs von Mean Machines auf ein Neumann-Keyless-System, das baumelnde Schlüssel oder auch solche, die einfach verlorengegangen sind, überflüssig macht.

Zum Abschluss brauchte es noch einen Lackierer, der dem Ofen den Hulk-Stempel endgültig aufdrücken sollte. Dieser wurde in Siggi von »Experience Colors« gefunden, der sich hier mit seinem fantastischen Airbrush verewigt hat. Die Maschine glänzt insgesamt, außer natürlich durch die Lackierung, vor allem durch unkonventionelle Lösungen. Am auffälligsten sind dabei wahrscheinlich das praktisch nicht vorhandene Heck und, dass die Kiste nach rechts abgestellt wird.
Der Hulk brüllt
Der Seitenständer wurde auf die andere Seite verlegt, zusammen mit dem ja meist links angebrachten seitlichen Kennzeichen. So nervt Joachim nur das Schmuddelwetter, denn der Hulk brüllt bereits in der Garage. Bruce Banner ist bereit, anzutreten. Aufgepasst!
Info | mean-machines.de

Customizerkurt
Kurt Goller, Jahrgang 1965, schreibt als »Kustomizerkurt« für die CUSTOMBIKE. Der Zweiradmechanikermeister arbeitet im Hauptberuf bei SSCycle und steht auf alte Motorräder mit Charakter. So befindet sich eine 1977er Harley-Davidson Shovelhead FXE ebenso in seinem Besitz, wie eine 1991er EVO-Softail und eine 1994er Kawasaki ZR 550.