Diese BMW R 50 ist die Replika eines ziemlich erfolgreichen Bikes der 60er Jahre – und trotzdem ein ganz eigenständiger Umbau, der begeistert.

Wir hätten es uns fast denken können, Philipp ist ein Fahrzeugmensch, beruflich und privat. Die private Story schließt das Schrauben an Fahrrädern, Mofas und Mopeds von Kindesbeinen an ein. Der berufliche Weg führte den 35-Jährigen nach Abi und Bundeswehr direkt nach München, wo er eine Ausbildung zum Mechaniker macht und danach in der Motorradentwicklung arbeitet.

Philipps Richtung ist eher sportlich als choppermäßig

Mit einem Meisterbrief in der Tasche wechselt Philipp in die Pkw-Fahrwerksentwicklung. Das Hobby Motorrad aber bleibt. Für seinen Vater zum Beispiel restauriert Philipp eine BMW R 25 als Geburtstagsgeschenk, viele weitere Restaurationen an BMWs und Moto Guzzis folgen. Ihr seht schon, die Richtung ist eher sportlich als choppermäßig.

135 Kilo Leergewicht sind eine absolute Ansage an moderne Bikes. So leicht ist die BMW nämlich, ganz getreu ihrem Vorbildbike aus den Sixties. Durch Carbon als Baustoff für Tank und Sitzbank wurde das geringe Gewicht möglich

»Irgendwann aber hat mich das bloße Restaurieren gelangweilt«, erzählt Philipp, »Ich wollte dieses Kulturgut einfach nach meinen Vorstellungen umgestalten.« Bei Freunden und Bekannten kommen seine Ideen nicht immer gut an, oft konnten sie sich auf die Vorstellungen des Schraubers keinen rechten Reim machen.

BMW R50 – Kugelgelagerter Boxermotor

»Aber wenn die jeweiligen Bikes fertig waren, dann fanden die eigentlich immer alle richtig gut«, schmunzelt Philipp. Tja, und dann fällt ihm ein echtes Schmuckstück in die Hände. Ein 500er kugelgelagerter Boxermotor. Bevor Philipp einen Neuaufbau wagt, hatte er schon eine Kaczor-BMW originalgetreu restauriert, mit der er gelegentlich auch an Rennen teilnimmt.

Es soll Leute geben, die so eine klassische Ceriani-Doppelduplex-Bremse einfach nur sexy finden. Hier arbeitet sie im Verbund mit der Gabel aus gleichem italienischem Haus

Der aktuelle Aufbau sollte jedoch anders werden: »Moderne Materialien gepaart mit historischer Technik, das war meine Richtung.« Es sollte weit über zwei Jahre dauern, bis das Projekt, das Philipp neben seiner kleinen Familie, Arbeit und seinem Fahrzeugtechnik-Studium durchführte, abgeschlossen war. Eben weil dieses Motorrad kein einfacher Nachbau, sondern ein eigenständiger Umbau werden sollte.

BMW R50 – Kaczor Replika-Rahmen

Über die Jahre hat sich Philipp ein Netzwerk an Erhaltern der frühen BMW-Renngeschichte aufgebaut. Zu diesem Sammelsurium an Enthusiasten zählt Herbert Gletter, der am Rande der Alpen an allen möglichen Teilen für die Zweiventiler-Generation werkelt. Eben jener Herbert Gletter fertigt auch Replika-Rahmen nach den Konstruktionen des legendären BMW-Ingenieurs Ferdinand Kaczor.

Alle an der BMW verbauten Teile atmen klassisches Flair, so auch die authentischen Dell‘Ortos am Zweizylinder-Boxer

Mit einer eigens anhand der alten Kaczor-Rennmaschinen gefertigten Rahmenlehre entstehen hier 1-zu-1-Kopien der historischen Rennrahmen. Und hier kauft auch Philipp die Basis, in die sein Motor später eingebaut wird.

40 PS zeigt der alte Motor auf dem Prüfstand letztlich an

Der Zweiventiler wird vorher einer strammen Kur unterzogen, bearbeitete Zylinderköpfe, Sportnockenwelle, erleichterte Schwungscheibe, elektronische Zündung, Dell‘Orto-Vergaser, 40 PS zeigt der alte Motor auf dem Prüfstand letztlich an. Um ihn herum strickt Philipp ein ebenso exklusives wie modernes Outfit, ohne dabei die historischen Vorgaben zu vernachlässigen.

Um den aufgewerteten 40-PS-Boxer strickt Philipp ein Fahrwerk, das zwar auf historischen Vorlagen basiert, diese aber modern interpretiert

Die Beschaffung der notwendigen Teile wie Ceriani-Gabel, der Hochschulterfelgen, der Schwinge und der Hinterachse machten den Umbau zeitaufwendig, viele der verwendeten Komponenten sind selten. »Das bekommt man alles nicht so einfach, allein nach der Gabel habe ich lange gesucht«, erklärt Philipp.

BMW R 50 – Bis auf die Reifen ist alles originalgetreu

Tank und Höcker des Racers empfindet er ebenfalls der Vorlage aus den 60er-Jahren nach. »Wer sich damit beschäftigt, wird sagen, bei der originalen Kaczor war das doch alles viel kleiner und schmaler. Das stimmt aber nicht, es ist alles bis auf die Reifen originalgetreu.« 

Ferdinand Kaczor, der Sohn einer Flüchtlingsfamilie, war nicht nur ein begnadeter Rennfahrer, sondern auch ein famoser Ingenieur. Alles an seinen Fahrzeugen machte er selbst, bis hin zum Schleifen seiner Nockenwellen per Hand. Vom kleinen Zweitakter auf eine BMW R 50 umgestiegen, landete der gelernte Schlosser als Testfahrer, später als Ingenieur, bei BMW. Im September 1969 konnte er den Rundenrekord auf der Nordschleife unterbieten, war immer vorne dabei. Seine BMW überzeugte als filigrane, schlanke Interpretation des massigen Boxers. Am 20. Juni 1970 verunglückte der damals 29-jährige Ferdinand Kaczor beim Training im österreichischen Ziersdorf tödlich. Hier im Bild die originale Kaczor-BMW, nach der die 1-zu-1-Rahmenlehre für Philipps Neuaufbau gefertigt wurde

Und trotzdem, etwas ist anders. Philipp verwendet Carbon als Baustoff für sein Bodywork. Sein Kommilitone Stefan arbeitet im Modellbau, er steht dem Schrauber zur Seite. Philipps Vater besorgt die Carbonmatten, aus denen alles entsteht. Das Netzwerk funktioniert.

Unglaubliche 135 Kilo bringt das Bike auf die Waage

Nach beinahe drei Jahren ist Philipps Racer fertig, unglaubliche 135 Kilo bringt das Bike auf die Waage, inklusive ein bisschen Sprit. Während wir noch staunen, hat Philipp zusammen mit seinem Kumpel Markus das nächste Projekt schon auf der Bühne: »Schrauben ist mein Ausgleich zum Alltag, das nächste Projekt musste deshalb sein. Beim Rennen am Glemseck wird hoffentlich der Catkiller antreten, BMW natürlich, Kaczor sowieso.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.