Wenige Customizer haben es geschafft, einen komplett eigenen Stil zu prägen. Bill Dodge gehört dazu, höchste Zeit für einen Besuch bei Blings Cycles

Wenn ihr Schrauberbuden in den USA besucht, wird euch gefühlt jeder dritte Customizer erzählen: »Ich habe mal für Jesse James geschraubt.« Zumindest kam uns das bei unseren unzähligen Besuchen in den Werkstätten des Landes so vor. Bei den meisten stimmt diese Aussage wohl kaum, aber zu verlockend ist es, ein Stückchen vom großen West-Coast-Choppers-Ruhm für sich zu beanspruchen.

Von der West zur East Coast

Bill Dodge tätigte derlei Aussagen uns gegenüber nie, dabei wäre er einer derer, die es dürften. Acht Jahre lang hatte Bill für den großen Bikebuilder Jesse James gearbeitet, war sogar sein Werkstattchef. 2005 kehrte er West Coast Choppers den Rücken, nicht nur arbeitstechnisch, sondern auch geografisch. Bill zog es zunächst nach Kentucky, lang blieb er dort nicht. Schließlich landete er in Daytona an der Ostküste, »hier kann ich nach langen Arbeitstagen abends am Strand entspannen, das ist schon was wert«, erklärt er die Wahl seiner neuen Heimat.

Bill Dodge baut alle seine Bikes komplett allein – und findet sich im augenscheinlichen Chaos bestens zurecht

726 North Street – wer weiß, hinter welche Tür er dort schauen muss, wird mit dem Blick auf einen Arbeitsplatz belohnt, der hierzulande kaum zu finden ist. Über 6000 Quadratmeter erstreckt sich der Raum, den Bill für seine Firma »Blings Cycles« zur Verfügung hat. Hier entstanden alle seine Motorräder, hier war er der Erste, der Harleys, Triumphs und Hondas mit Stollenreifen versah und so einen eigenen Stil kreierte. Bill Dodge hat es zweifelsohne geschafft, sich von seinem einstigen Chef abzunabeln und mit seinen Motorrädern selbst zum Vorbild für neue, junge Customizer zu werden.

Blings Cycles ist eine One Man Show

Die zahlreichen Projekte in seiner Werkstatt sind Beleg für eine ordentliche Auftragslage. Dazu besitzt er die notwendigen Maschinen und Werkzeuge, um sämtliche Arbeitsschritte selbst durchzuführen. Dabei ist Bill eine komplette One-Man-Show, »ich arbeite am liebsten allein, nur ab und an mal nehme ich Hilfe von Freunden in Anspruch.« Einsam ist er in seiner Halle trotzdem nicht, allein während unseres Besuches kommen und gehen ständig Leute.

Minimal und angriffslustig, das beschreibt Bills bevorzugten Stil ganz gut. Auch bei einer Indian gibt‘s da keine Ausnahme

Der Nachbar schaut rüber und ein Kunde möchte letzte Linien besprechen. Mittendrin in unserer kleinen Runde steht »Bean‘Re« himself. Der Amerikaner will mit einem Minibike einmal quer durch die Staaten von Küste zu Küste fahren. Bill hat ihm eine Sissybar zur Gepäckbefestigung gebaut. »Solche Leute brauchst du auch, die Durchgeknallten, die Verrückten. Da hilft man doch gern«, erklärt er uns.

Inspirationen vom Dirttrack

Und tatsächlich ist Bill Dodge auch selbst einer von denen, die ihren Weg immer gerade gehen. Bei seinen Motorrädern zeigt er sich kompromisslos. »Meine Kunden müssen ein Bike hart fahren können und dürfen keine Angst haben – nicht vor Asphalt, aber auch nicht vor Kies und Dreck. Meine Bobber sind sehr oft Dirt-Track-inspiriert, und da mache ich auch keine Ausnahmen.«

In den USA erzählt dir jeder Dritte, er hätte schon mal für Jesse James gearbeitet. Bei Bill Dodge stimmt das, er war Chefmechaniker bei West Coast Choppers

So kam es zum Beispiel, dass Bill mal für einen Kunden einen Road King Bagger baute, der auch easy zum Crosscountry-Run taugte und den er mit übelsten Burnouts und Wheelies auf einer der Brücken Daytonas für kommende Aufgaben einfuhr. »Wer ein Motorrad haben will, das nur das eigene Ego verstärkt und vergoldete Plastiktrophäen auf Bikeshows gewinnen soll«, ist bei mir falsch. »Sowas baue ich nicht, alle meine Bikes sind absolut fahrbar. Und die meisten meiner Kunden sind am Ende sehr zufrieden. Sie wissen ja, worauf sie sich einlassen, wenn sie mich beauftragen.«

Ein guter Typ

Unser Eindruck eines echt guten und geerdeten Typen in dieser oft von Marketing und viel Chichi bestimmten Szene, wird am Ende unseres Besuches noch mal handfest bestätigt. Wir bitten Bill, für einige Fotos Hand an ein Bike zu legen, ein bisschen zu schrauben. Er versucht es und legt den Schraubenschlüssel schnell wieder weg. »Ich kann das nicht«, zuckt er mit den Schultern, »so gestellte Bilder bekommt ihr mit mir nicht hin.« Akzeptiert!

Info | blingscycles.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.