Das Leben verläuft selten gleichförmig, geschweige denn immer nach Plan. Thomas hat seine Zweiradkarriere lange Zeit hinten angestellt. Bis ihn das Leben unverhofft mit einer Yamaha XVS 650 Dragstar zusammenbrachte.

Zufälle sind wohl eher eine Glaubenssache, denn rational erfassbar. Aber vielleicht hat es sich so angefühlt, als der Ex-Schwager von Thomas sich vor ein paar Jahren von seiner Yamaha XVS 650 trennte. »Er wollte sich nach etwas anderem umschauen, also habe ich sie genommen.« Eine Gelegenheit, die er nicht ungenutzt lassen wollte, denn die Mopedzeiten liegen zu diesem Zeitpunkt schon eine Weile zurück.

Mit der Yamaha XVS 650 Dragstar beginnt ein neuer Abschnitt

Angefangen hatte alles mit einer Simson, anschließend kam eine MZ, die er umbaut. Doch wie so oft im Leben verschieben sich mit dem Älterwerden die Prioritäten. Familie, Auto, Haus und vieles mehr haben Vorrang. Seine Liebe für motorisierte Zweiräder muss hinten anstehen. Mit dem Japancruiser verändert sich aber alles ein wenig, beginnt ein neuer Abschnitt und Thomas kann endlich sein Motorrad nach seinen Vorstellungen umbauen.

Die Gabelbrücke ist um fünf Grad geraked, ein breiter Lenker und vorverlegte Fußrasten bieten sauberes Cruiser-Feeling trotz der tiefen Lage auf der Straße. Für die sorgen ultrakurze Stoßdämpfer. Das Heck wurde mitschwingend konstruiert, die Struts dafür entfernt

Schon als Jugendlicher inspirierte ihn ein Film, in dem Bobber mehr als eine Nebenrolle spielten. »Straßen in Flammen« wird seine Vorlage und nicht »Easy Rider«, der von so vielen als Grund für ihre Motorradleidenschaft angegeben wird. »Bei der XVS hatte ich von Anfang an klare Vorstellungen, wie sie aussehen sollte. Alles Überflüssige musste weg, denn ich wollte sie lichtdurchlässig haben«, wie Thomas es ausdrückt. In seiner Garage schraubt er hauptsächlich nach Feierabend oder an den Wochenenden.

Der Tank einer Honda Magna gibt die Linie vor

»Ehrlich gesagt habe ich teilweise mehr Zeit mit dem Moped verbracht als mit meiner Familie.« Doch die steht hinter ihm und läßt ihn seiner Leidenschaft nachgehen. Und so setzt Thomas seine Vorstellungen um, Schritt für Schritt. Er cleant den Rahmen und verbaut den Tank einer Honda Magna. Die Struts werden entfernt und ein mitschwingender Heckfender konstruiert, den er aus einem Rohling schneidet und ans Hinterrad anpasst.

Der Auspuff bollert mit Racing-Einsätzen, die Krümmer sind stilecht umwickelt. Passt, zumal eine andere Farbe als Schwarz für die kleine Yamaha sowieso nicht in Frage kam – so wird die XVS am Ende zum angriffslustigen Cruiser

Aufwendig wird es bei der Unterbringung von Elektrik, Benzinpumpe und Zündschloss. Um seine Vorstellungen vom »lichtdurchlässigen« Bike umzusetzen, schneidet er zwei alte Feuerlöscher auseinander und konstruiert aus den gerundeten Enden ein neues Gehäuse in der Art eines Ölbehälters, in dem er alles sauber unterbringen kann. Allerdings müssen dafür Kabel gekürzt und neu verlegt werden. Im Zuge dessen verschlankt Thomas die gesamte Elektrik und modifiziert sie.

Yamaha XVS 650 Dragstar – Der Motor blieb unangetastet

»Eine Arbeit, die mir so manchen Nerv geraubt hat und bei der mir mein Vater sehr geholfen hat«, wie er gesteht. Denn der Mann ist Elektroingenieur und damit tief im Thema drin. Den Sitz kauft er im Zubehör, ebenso wie die Auspuffanlage, für die er die Serienkrümmer kürzt. »Nur die Endkappen der Slip-ons habe ich weggelassen, da ich finde, dass die Anlage ohne besser aussieht.« Am Motor bleibt alles im Originalzustand, ebenso wie der Luftfilter.

Saubere Bobber gelingen auf Basis der diversen Japancruiser oft relativ einfach und meist einigermaßen günstig. Da der TÜV hier voll mitspielte, steht den Touren mit den Kumpel nichts im Wege – geschraubt wird nämlich außerhalb der Saison

Bei der Farbwahl des Bikes gibt es nur einen in Frage kommenden Farbton: schwarz. »Etwas anderes wollte ich nicht. Die Lackierung habe ich vom Profi machen lassen, andere Teile wurden pulverbeschichtet.« Viele Schrauber geraten während eines Umbaus auch mal ins Straucheln, aber bei Thomas verläuft alles erstaunlicherweise superglatt. »Ich habe immer auf ein Motivationsloch gewartet, aber das kam glücklicherweise nicht.«

Geschraubt wird immer außerhalb der Motorradzeit

Das mag mit daran liegen, dass sich die gesamte Umbauphase über mehrere Jahre streckt und er schlauerweise das Motorrad während der Saison fahrbereit hält. Geschraubt wird immer außerhalb der Motorradzeit, was letztlich auch Sinn macht. Wer kennt nicht die Frusttage, wenn bei bestem Wetter die Kumpel durchklingeln, aber ausgerechnet dein Bock als Projekt auf der Hebebühne steht? Das lässt sich vermeiden, wie der Umbau von Thomas zeigt.

Straßen in Flammen

Und dann ist das Bike endlich in dem Zustand, wie es gedanklich schon immer sein sollte. Auch der TÜV erteilt zu allen Umbaumaßnahmen seinen amtlichen Segen und gibt die Yamaha für den Straßenverkehr frei. Eigentlich sollte damit das Projekt abgeschlossen sein, doch … »wirklich fertig ist sie nie. Es gibt immer etwas, was man noch ändern möchte. Vielleicht noch ein paar Trittbretter und ein anderer Luftfilter.« Oder gar was ganz Neues, denn auch der Sohn hat ein Auge auf die XVS geworfen und würde sie lieber heute als morgen fahren. »Aber der ist zum Glück erst dreizehn.«

 

Christian Heim