Eine Yamaha TR 1 als spritziger Vertreter der Cafe-Racer-Kultur – frisch gezapft von einem, der sich den Fifties-Rennern mit Leib und Seele verschrieben hat.

Nach einem harten Tag in der Werkstatt gibt es für Wil Koopmans nur eins. Im Café im Dorf ein Bier trinken. Standesgemäß fährt er mit einem Cafe Racer vor, heute mit seinem eigenen – einer TR 1, gerade fertig geworden. Während der Barmann im Café Goesting im holländischen Venray ein Frisches für uns zapft, erzählt uns Wil von seiner Liebe zu den Cafe Racern. 

Yamaha TR 1 – Traditioneller Cafe Racer

»Ein einzelner Sitz, ein Stummellenker, ein schmaler Tank – Cafe Racer sind einfach traditionell und zeitgemäß perfekt umgesetzte Motorräder. Dass man die heutzutage auch auf ungewöhnlicher Basis baut, mag ich außerdem. Früher hätte zum Beispiel keiner einen Racer auf Basis einer Virago gebaut, heute ist sowas kein No-Go mehr.« Wil lehnt sich zurück, genießt sein Bier, seine Welt ist in Ordnung.

Fußrasten hinten, Stummellenker, flache Heck-Sitzbank-Linie – alle Anforderungen an einen lupenreinen Cafe Racer werden bei diesem Umbau erfüllt

Viele Bikes hat er schon gebaut, ist Herrscher über seine Ein-Mann-Firma »Dutch Cafe Racers«, »eigentlich nur ein außer Kontrolle geratenes Hobby«, schmunzelt er. Neben der Herstellung und dem Verkauf von Teilen, organisiert er auch Events. Kürzlich baute er zudem eine Honda CBX und zwei Suzukis auf, eine davon ein Zweitakter und eben jede Menge Viragos.

Yamaha TR 1 – Kette statt Kardan

Wil bestellt das nächste Bier, »ich mag viele Marken, aber die Viragos, die haben es mir schon angetan.« Für seinen aktuellen Umbau ging er allerdings noch einen Schritt weiter, auch wenn eine Yamaha als Basis blieb. »Aber die TR 1 hat gegenüber der Virago den Vorteil, dass sie per Kette angetrieben wird.

Die wuchtige Schwinge stammt aus Suzukis TL 1000. Und weil filigran damit sowieso kaum mehr möglich ist, darf auch der Halter des Solo-Federbeins ein grobes Stück Metall sein

Damit kann ich einfach mehr machen, zum Beispiel ein breiteres Hinterrad montieren. Das ist bei der Virago schwieriger.« Die Schwinge des Originals wollte freilich trotzdem nicht recht passen, Wil sucht sich ein Spenderfahrzeug, die Wahl fällt auf Suzukis TL 1000.

Suzuki-Duftmarken vorn und hinten

Wil definiert die Befestigungspunkte am Rahmen neu, sein Freund John schweißt das Nötige. Und weil die Suzuki schon hinten ihre Duftmarke gesetzt hat, wiederholt der Holländer das Spiel im Frontbereich. Der TL-Gabel werden neue Bolzen und Lagerschalen spendiert, ein bisschen verlängert wird sie außerdem, »das kommt der Lenkgeometrie zugute.« Nachdem das Fahrwerks-Setting komplett ist, hat sich auch der Radstand gegenüber dem Original knapp verlängert.

Perfektes Fahrwerk in Kombination mit schnellem Motor und den typischen Details eines Cafe Racers. So transportiert man das Lebensgefühl der Fünfziger locker in ein anderes Jahrtausend

Wichtig für einen guten Cafe Racer ist der Tank, auch da hat Wil eine Allround-Lösung parat und setzt auf den Nachbau eines Benelli-Spritgefäßes. »Der ist tatsächlich ein bewährtes Rezept für einen Cafe Racer auf Yamaha-Basis. Vom Konzept früherer Umbauten bin ich allerdings abgewichen und habe den Tank diesmal um gut sieben Zentimeter verlängert … noch ein Bier, bitte!«

Mehr Arbeit, als es auf den ersten Blick ersichtlich ist

Die klassische Sitzbank ruht auf einem selbstgefertigten Hilfsrahmen, mit jedem Detail erkennen wir mehr Arbeit, als es auf den ersten Blick ersichtlich ist. So bleibt am Ende nur der Rahmenteil direkt um den Motor herum als Original bestehen. Überhaupt, der Motor, »der muss bei einem Cafe Racer Leistung haben, unbedingt«, Wil lehnt sich zurück.

Das digitale Zentralinstrument informiert ganz klassisch per Zeiger über die aktuelle Drehzahl des V2

Der alte TR-1-Zweizylinder sollte auf moderne Art arbeiten. Statt auf den Standard-Doppelvergaser setzt Wil auf einen einzigen Mikuni aus Harleys Sportster, den er mit einem Edelbrock-Lufteinlass ausstattet. Der variable Lufteinlass reagiert auf Unterdruck, der 2-in-1-Verteiler für den Vergaser ist handgefertigt.

Yamaha TR 1 – Bellender Remus-Auspuff unterm Heck

Unterm abgeschrabbelten Hitzeband versteckt sich ein modernes Krümmersystem, gekrönt vom bellenden Remus-Endtopf unterm Heck. Der Motor selbst ist komplett überarbeitet und mit offenem Kupplungsdeckel ausgestattet, selbst entworfen, weil so nicht käuflich zu haben. »Und das modifizierte Bremsen-Setting der TL 1000 ermöglicht es, verdammt schnell zu fahren … weil du eben auch sehr schnell stoppen kannst, wenn nötig.«

Am Frontend sorgt die Upside-down-Gabel einer Suzuki TL 1000 für mehr Sportlichkeit

Mit Sinn für Stil und Details stellt Wil das Bike fertig. Vor allem die Farbkombination aus Cremeweiß, Rot und Schwarz passt perfekt. Selbst das Reifenprofil passt er farblich an. Und noch eine schöne Story zum Motorrad gibt es. Der komplette Zusammenbau der Yamaha erfolgte live in einem örtlichen Jeansgeschäft, das Wil gern supportet.

Mit dem Motor unterm Arm in den Jeansladen

»Zunächst habe ich das Geschäft nur mit dem Motor unterm Arm betreten, die Leute fanden das super.« In der Folge bereitet er alle Teile zu Hause vor und montiert sie über die nächsten Wochen zwischen Hosen und Hemden. »Wie sonst kann man die Liebe zu Motorrädern einem wachsenden Publikum in der Nähe vermitteln?« Darauf ein Bier!

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.