Gespanne spielen bei uns für gewöhnlich keine große Rolle. Aber ab und zu reißt es uns doch, vor allem, wenn eine besondere Geschichte hinter einem Bike steckt. Dann nämlich ist uns egal, wie viel Räder es hat, dann sind wir alle Hooligans. Und brettern mit dem Suzuki Bandit 1200 Gespann zum Traualtar.

Marcos Cafighteria im thüringischen Kindelbrück, Ortsteil Kannawurf, ist eine der Buden, die uns in den letzten Jahren ans Herz gewachsen sind. Weil der Typ da im Osten coole Mopeds baut, gern mit langen Schwingen, hart und ehrlich wie Marco selbst. Er ist Workaholic, was Motorräder angeht. Nach der Schicht noch in die Werkstatt, schrauben mit kleinen Budgets und ganz viel Leidenschaft, das Herz auf der Zunge, Verfechter von Customidealen. Und eine Familie, die hinter ihm steht, jeden noch so abgefahrenen Scheiß mitmacht, ein Glücksfall. Denkt sich auch Marco und macht seiner damaligen Freundin vor knapp zwei Jahren einen Antrag, auf der Achtelmeile am Glemseck, standesgemäß.

Mit dem Suzuki Bandit 1200 Gespann zum Standesamt

Dass Marco den Weg zum Standesamt nicht in einem Auto antreten könnte, war klar. Seine Mopeds sind außerdem in der Regel Einsitzer, und so ein Kleid muss ja auch irgendwo untergebracht werden – der Weg zum Dreirad ein logischer, zumal da auch seine Tochter Leonie mit leben konnte. Die hatte bis vor ein paar Jahren Angst vor lauten Motoren, traute sich nicht zum Papa aufs Motorrad. Solange, bis Marco ein altes Gespann anschleppte, das er für einen guten Freund reparieren sollte.

»Ein Motorrad mit einem Autoscooter dran«, Marcos Idee vom Dreirad erwichte auch das Herz von Tochter Leonie, die stand den Bikes des Vaters bisher eher kritisch gegenüber

Das überzeugte auch den Nachwuchs, »ein Motorrad mit einem Autoscooter dran, da fahr ich mit.« Das Eis war gebrochen, Marco kaufte ein altes 500er-Enduro-Gespann, das ihm allerdings schon nach einer Saison nicht mehr bockte, zu langsam, zu langweilig. Trotzdem, die anstehende Hochzeit war Grund genug, das Thema Dreirad noch mal ernsthaft anzugehen. Eine zerschnittene 1200er Bandit und eine coole Sitzbankgrundplatte, die Marco angeboten wurden, markierten den ersten Schritt zum Aufbau, Mission accepted. Übers Internet kaufte Marco bald einen Beiwagen, eigentlich konzipiert für eine 1200er BMW. Das Boot selbst wurde schnell wieder verkauft, der Rahmen als zu instabil und hässlich befunden, um ihn im Originalzustand zu erhalten.

Der Rahmen wurde zu neunzig Prozent zerflext und neu konstruiert

»Also zu neunzig Prozent zerflext und neu konstruiert«, grinst Marco. Klingt einfach, bedarf aber absoluten Könnens und gewissenhafter Arbeit. Da die Straße zum Standesamt eine öffentliche ist, war ein behördlicher Stempel für den geplanten Eigenbau eine absolute Notwendigkeit. Da Marco über sämtliche Schweißerpässe verfügt, verschiedene Tests durchführen ließ, teilweise im Fahrzeugbau arbeitet und einen Chef hat, der seine privaten Projekte unterstützt, war die Prüforganisation nicht direkt abgeneigt, als Marco mit seinem Vorhaben vorstellig wurde.

Die Bandit auf der einen Seite ist ein astreiner Racer mit Cafighteria-typischer Langschwinge. Auf der anderen Seite wirds spezieller, vom Beiwagen blieb wenig übrig, das Original wurde zu neunzig Prozent zerlegt und neu konstruiert

Der anfänglichen Euphorie folgten allerdings immer mehr Hausaufgaben, die der Schrauber erledigen musste und Probleme, die auftauchten. Dazu kam ein Trauerfall in der Familie, in der Summe zu viel, auch für einen Workaholic wie Marco. Sechs Monate Pause vom Gespann-Projekt waren die Folge. Aber wieder aufstehen, den Mut sammeln, einen nächsten Versuch wagen, das kann er. Und dann halfen auch noch ein paar gute Umstände, durch die Marco einen Prüfer kennenlernte, der sehr interessiert an guter Handarbeit war, tief in der Materie steckte und Marco beim Umbau begleiten wollte, ein Lichtblick.

Suzuki Bandit 1200 mit Eigenbau-Heckrahmen

Das Basisbike blieb motorseitig weitgehend original, Gabel, Räder und Bremsen stammen aus einer GSX-R. Schwierig wurde es am Heck. Den verstärkten Heckrahmen baut der Thüringer selbst, hält sich bei allen Schritten an die so wichtige Geometrie, die beim Gespannbau befolgt werden muss. Feder und Schwingenaufnahme entwickelt und baut er ebenfalls selbst. Was einfach klingt, ist es nicht. »Nie zuvor habe ich etwas so oft zerschnitten oder wieder geändert wie an diesem Projekt«, sagt er. Sein Prüfer war dabei an seiner Seite, jede Verbesserung wurde zusammen erarbeitet. Auch die an den beiden Schwingen, die ebenfalls selbstgefertigt sind, sie verlängern das Bike im Gegensatz zum Original um gut fünfundzwanzig Zentimeter.

Alles schön in Kannawurf: Marco durfte nicht nur mal wieder zeigen, was er in der Werkstatt kann, sondern außerdem standesgemäß seine Sophia heiraten. Die Fahrt zur Trauung wurde zum Triumphzug mit reichlich Burnouts

Auch bei anderen Dingen spielt Länge eine entscheidende Rolle, Tank und Kabelbaum zum Beispiel müssen entsprechend angepasst werden. Als Sitzplatz im Beiwagen dient die Rennschale aus einem Kart, der Fender entsteht aus Stahl in der eigenen Werkstatt. Um die Polsterarbeiten kümmert sich Freund Ben, der die Sitzbank des Basisbikes wie auch den Fußraum des Beiwagens mit Leder bezieht. Die finale Lackierung übernimmt Marco selbst. Und dann ist er da, der erste große Tag, der Termin bei der Behörde. Er endet glücklich, denn die einwandfreie Abnahme des Gespanns gelingt. Eine der ersten Fahrten darf Marcos Prüfer übernehmen, »er war hoch erfreut«, grinst der Schrauber.

Pünktlich zur Hochzeit ist das Projekt fertig

Fakt ist trotzdem, das Ding geht wie die Hölle, 180 km/h sind damit zulässig, Marco beweist es beim Fototermin mit uns. Pünktlich zur Hochzeit ist das Projekt fertig. Begleitet von vielen Freunden auf ihren Bikes wird die Fahrt zum Standesamt ein angemessener Triumphzug – mit Burnouts in jedem Dorf, das die coole Gesellschaft passiert. Und auch Tochter Leonie ist selig. Angst vor lauten Bikes hat sie nicht mehr, fährt auf jedem Motorrad mit, das Papa baut. Aber am liebsten im Sidecar, »sie besteht darauf, dass ich sie mindestens einmal pro Woche damit von der Schule abhole.«

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.