Die englische Panther M 100 ist selten und als Basis für Custombikes sehr außergewöhnlich. Entsprechend hart, steinig und lang war der Weg bis zur Straßenzulassung. Wer es sich antut, eine solche Rarität umzubauen, braucht starke Nerven und jede Menge Herzblut. Wer es gar zweimal tut, dem ist – im positivsten Sinn – nicht mehr zu helfen.

Im Kino »Easy Rider« und »Die wilden Engel« gesehen, und danach an den Mopeds die Schutzbleche gekürzt und auf Hochlenker umgebaut. »Begriffe wie Fender oder Apehanger kannten wir da noch nicht«, Udo Hergert stammt aus einer alten Garde von Motorradverrückten, eben jenen, deren Leidenschaft in den späten sechziger Jahren im Kinosessel geweckt wurde.

Mit Autofelge im Heck und langer Gabel ist Udos Panther ganz nach den Vorbildern der Schwedenchopper der Achtziger- und Neunzigerjahre konstruiert

Aber auch jenen, deren erstes Motorradleben kurz war, weil Job und Familie dazwischen kamen. So setzte der Fernmeldetechniker seine handwerklichen Fähigkeiten zu dieser Zeit eher für den Ausbau von Wohnmobilen und der Herstellung von Surfbrettern ein. »Und vielleicht war es gut, dass ich meine Sturm- und Drang-Jahre auf dem Wasser verbrachte, es ist nicht ganz so hart wie Asphalt«, sagt er heute.

Wenn ein Motorradumbau, dann die Füße nach vorn

Mitte der 90er kam er aber schließlich zurück, der Wunsch nach dem Motorradfahren. Und das mit dem Umbauen war auch irgendwie klar, denn Füße nach vorn, das war Udos ausdrücklicher Wunsch. Eine Harley allerdings, die lag außerhalb der finanziellen Reichweite. Und ein Reiskocher, wie ihn viele fuhren, war nicht Udos Ding.

Standrohre von AME, um dreizehn Grad gereckte Fischer-Gabelbrücken – die führenden deutschen Customschmieden früherer Jahre steuerten Teile zum Umbau bei

Durch Zufall stieß er auf die Bilder einer umgebauten Panther – was für ein Motor, es war Liebe auf den ersten Blick. Was Udo da noch nicht wusste: Die Motorräder von Phelon & Moore, wie der englische Hersteller hieß, sind nicht nur selten, sondern waren auch nie nach Deutschland exportiert worden. Die entsprechende Szene ist folglich klein und ein Umbau würde viel Arbeit kosten. Trotzdem, Udo entschied sich für die Panther und gegen Mainstream, 2006 war sein Umbau fertig.

Die Geschichte der Panther M 100 kam ins Rollen …

Gut war es damit nicht, denn durch das akribische Zusammentragen von originalen Ersatzteilen hatte Udo am Ende tatsächlich noch einen zweiten der englischen Einzylinder in der heimischen Werkstatt liegen – in Einzelteilen zwar, aber das könnte man ja ändern. Dazu wurde ihm irgendwann aus dem Bekanntenkreis das gleiche starre Heckteil angeboten, das er schon beim ersten Mal verbaut hatte. »Ab da wurden die Gedanken an ein zweites Mal wirklich konkret«, Udo schlug zu und kaufte das Heck.

Schon früh begeisterte sich Udo für Chopper, Harleys lagen allerdings außerhalb seiner finanziellen Reichweite

Ein echter Chopper, Schwedenstyle, das schwebte Udo vor. Kenner sehen sofort, die umgebaute Panther M 100 ist ein Zitat an die Langgabler der 80er und 90er Jahre, vor allem die Autofelge im Heck verrät die Vorbilder. Doch bevor die montiert werden konnte, stand noch ein bisschen was an. Zunächst kümmerte sich Udo um die Front. Da beim Rahmenvorderteil alles über die angefertigten Motorhalteplatten verschraubt wird, konnte er erst nach einigen Anläufen eine saubere Linie unter Einbeziehung des Motors erreichen.

Von Anfang an war der TÜV bei der Panther M 100 mit im Boot

Die um dreizehn Grad gereckte Gabelbrücke, gepaart mit den langen AME-Standrohren – das Frontend nahm Formen an. Schon in diesem frühen Stadium beschloss Udo, sein Vorhaben mit dem TÜV durchzusprechen, bevor es Probleme geben könnte. Der erste Weg führte zu dem Prüfer, der bereits die erste Panther eingetragen hatte. Dessen Antwort auf die Anfrage nach Unterstützung: »Ich will meine Rente nicht aufs Spiel setzen.«

Die Blecharbeiten wie Tank, Seitenbleche und Fender werden in der heimischen Werkstatt erledigt

Immerhin rückte er die Telefonnummer eines Kollegen raus, der Sonderumbauten aufgeschlossen gegenüber steht. Der gab schließlich grünes Licht für Udos Pläne – es konnte richtig losgehen. Getriebe und Zündmagnet mussten her, ebenso ein Vergaser in Form eines klassischen Amals. Auch die Blecharbeiten wie Tank, Seitenbleche und Fender wurden in Angriff genommen. Das Frontend wurde mit Tauchrohren samt Rad und Bremse aus Hondas VT 600 komplettiert, freilich nicht ohne vorher auf VA-Speichen umzubauen.

Der Autoreifen sowie die Sissybar mußten wieder runter

Das Hinterrad wurde aus einer auf 104 Speichen umgearbeiteten Honda-Nabe und einer Audi-Felge gefertigt. »Ich wollte die Möglichkeit haben, hinten einen Autoreifen zu fahren«, erklärt Udo. Der TÜV machte dem später einen Strich durch die Rechnung. Als Udo das Rolling Chassis nach mittlerweile über zwei Jahren Bauzeit fertiggestellt hatte, wurde er erneut beim Prüfer vorstellig. »Zwei Stunden saßen wir zusammen und er machte mir klar, was nicht geht.

Herzstück ist der Einzylindermotor aus englischer Fertigung. Die Panther-Bikes wurden nie nach Deutschland exportiert, was die Suche nach Ersatzteilen, Know-how und Zubehör zusätzlich erschwert

Unter anderem der Autoreifen, meine schöne Sissybar mit dem Teufelsschwanz und noch ein paar Kleinigkeiten mehr. Ich sah das natürlich anders«, Udo musste trotzdem Kompromisse machen. Zurück zu Hause und ein paar Bier später war ihm aber klar, er würde das Ding mit ein paar Abstrichen auf die Straße bekommen. Genug Motivation für die zweite Phase des Umbaus, die noch mal ein Jahr kosten sollte.

Endlich hatte Udo alle TÜV-Gutachten

In Kurzform liest sich das dann so: Motor raus, komplett überholt, neue Ventile, Bleifreiumbau, Zylinder gehont, neuer Kolbe, neue Lager, Kurbelwelle gewuchtet. Zylinder- und Zylinderkopffarbe wurde im heimischen Backofen eingebrannt. Das Getriebe wurde aufgemacht und war zum Glück in Ordnung. Aber eine neue Lichtmaschine musste sein, außerdem die Umrüstung auf 12 V. Dazu baute Udo eine neue, moderate Sissybar, integrierte einen Kawa-Tank in die Seitenbleche.

2006 hat Udo seine erste Panther gebaut, ebenfalls mit starrem Triumph-Zubehör-Heckteil, dazu Springergabel und Flyerbar-Lenker. Auch Teile von Kawa, Guzzi, Suzuki oder Harley fanden Wiederverwendung. In der Klassiker-Szene erntete er mit seinem Vorhaben damals schon viel Kopfschütteln, fand aber anderswo verständnisvolle Schrauber, die ihn unterstützten. »Und natürlich lernte ich selbst jede Menge, was mir nun bei zweiten Umbau zugutekam.«

Dazu konstruierte er eine Kettenumsetzung 1:1, das breite Hinterrad hatte es nötig gemacht. Den Auspuff mit innenliegendem Dämpfer fertigt er aus VA-Stahl selbst, dazu unzählige Kleinigkeiten. Und dann der große Tag, mit der Kiste zum TÜV. »Vier Stunden hockten wir vor dem Chopper bis soweit alles geklärt war«, erinnert sich Udo. Die anschließende Geräuschmessung bestand er ebenfalls, 103 dB. Das langersehnte Gutachten war der Lohn für viel Mühe.

Insgesamt standen viereinhalb Jahre auf dem Umbautacho

Einen Sommer fuhr Udo die Panther, bevor er sie noch einmal komplett zerlegte und ihr den letzten Schliff gab. Rahmen, Rahmenteile und Felgen wurden beschichtet. Tank, Fender und Seitenbleche gingen zum Lackierer. Den Tank folierte Udo selbst, der Sitz wurde zum Sattler gebracht. Die Sissybar und der selbstgebaute Auspuff gingen zum Polierer. Und dann war es nach viereinhalb Jahren plötzlich geschafft und der Traum vom Panther-Chopper eine fahrende Realität.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.