Eilmeldung: Kürzlich wurde eine unbekannte Spezies in den unerforschten Wäldern um Wiesbaden abgelichtet. Nach Art des Erwachens und der Fortbewegung ward das possierliche Tierchen auf Basis einer Kawasaki W650 »Golden Longleg Kicker« genannt.

Manchem, von Fortuna und Schicksal mit Zunge geküsst, mag die Kriegskasse derart prall gepolstert sein, dass das eigene Custombike beim Profi in Auftrag gegeben werden kann. Und ist das Los auf eine knackig zu bauende Kawasaki W650 gefallen, gibt‘s in Deutschland eine Top-Adresse: das Schlachtwerk in Wiesbaden. Wo früher Filets aus dem Fleisch geschnitten wurden, schneidet Thomas Thöring heute beste Custombikes aus dem Stahl. Diese Kreation auf Basis des rührigen Königswellentwins mit 676 Kubik darf getrost in die Scrambler-Schublade gesteckt werden.

Kawasaki W650 mit echtem Offroad-Fahrwerk

Doch der Schlachtermeister Thöring macht keine halben Sachen: Einfach mal einen TKC-80-Pneu auf Kineos ziehen, den Auspuff hochsetzen und den Eimer vollmundig »Scrambler« nennen, ist nicht der Leitsatz des Hauses. Leider sind zu viele Serienkisten und Custombikes, die sich nach dieser Bauart schimpfen, in Sachen Fahrwerk nicht in der Lage, selbst den einfachsten Feldweg ohne schwere Bandscheibenvorfälle zu überholpern. Genau hier setzt Thomas an und baut der W ein echtes Offroad-Fahrwerk ein.

Mit offenem K&N-Filter, neuer Bedüsung und offener Auspuffanlage leistet die Kawa etwa 58 Pferde. Natürlich Kicker only

Aus Triumphs erster richtiger Enduro, der Tiger 885, kommt die schier endlos lange Gabel in die eigens gefertigten Schlachtwerk-Gabelbrücken. Die waren nötig, um die 43-mm-Tauchrohre der neuen Gabel ohne Offset und den damit ungünstig verlängerten Nachlauf verbauen zu können. Zuvor bekommt die Forke aber das große Wellness-Paket: eine komplette Überholung inklusive der güldenen Beschichtung aus Titan-Nitrit. Eben die bringt nicht nur die passende Farbe mit, sondern reduziert die Losbrechkräfte der Gabel auch um ein Vielfaches, was das Ansprechverhalten deutlich verbessert.

In Summe liegt das ganze Motorrad satte acht Zentimeter höher

Auch von der Triumph kommt die komplette Bremsanlage der Front mit der Doppelscheibe und kräftigen Zweikolbensätteln von Nissin. Um das wackelige Heck der Serie zu verstärken, arbeitet dort nun die angepasste Schwinge einer Zephyr 550 – dazu reichen leichte Anpassungen der Aufnahmepunkte. YSS baut der W passende Federbeine mit einer irrwitzigen Länge von 360 Millimetern, als Ausgleich für die deutlich hochgesetzte Front. In Summe liegt das ganze Motorrad satte acht Zentimeter höher, das reicht locker auch für gröbere Einsätze außerhalb urbaner Asphaltwüsten.

Die Gabel einer Triumph Tiger 885 legt die Front nach oben …

Von Haus aus ist die W650 kein Paradebeispiel für kraftvolle Leistung oder deren Entfaltung. Mit schlappen 50 PS und 220 vollgetankten Kilogramm ist selbst der gewonnene Blumentopf noch eine echte Trophäe. Für beide Spannungsfelder hat das Schlachtwerk die richtigen Mittel parat. Über die Einzelfilter, neue Vergaserbedüsung und den Scrambler-Auspuff des Hauses kommen ohne weitere Änderungen an Zündung oder Steuerzeiten gute acht Pferde hinzu.

Die Kawasaki W650 hat immerhin 40 Kilo abgespeckt

Bei der Diät der Kawa spielt die große Erfahrung von Tommy mit den W-Umbauten eine entscheidende Rolle, denn mit krassem Leichtbau kommen seine Mopeds schon mal auf 156 Kilo. Vollgetankt! Bei der Longleg-Kicker geht er aber nicht ganz in die Vollen. Nach Entschlackung des Rahmens, mit ausgedünnter Elektrik und ohne Anlasser (Kicker only!) kommt  sie auf immerhin 179 Kilo – all inclusive.

… die passende Doppelscheibe wurde ebenfalls übernommen

Somit wären als »Longleg« und »Kicker« der Nomenklatur erklärt. Bei »Golden« kommt der neue Eigner ins Spiel. Der ist nicht nur über 190 Zentimeter lang – was der zweite Grund für das Fahrwerk ist, sondern steht auch total auf den Tattoo-Style,  der eine der wenigen Vorgaben für  den Umbau war. So entwirft des Schlachtwerks Haus-und-Hof-Lacker ein Dekor mit vielen Stilelementen des Rockabilly, Oldschool und einiger Motorenteile. Darunter aber auch die Jubiläumsplakette »SW#20«, denn diese W ist der 20. Umbau des Schlachtwerks. An beide unseren Glückwunsch. An Tommy zum Jubiläum und an den Eigner für den Super-Scrambler in der Garage oder auf dem Acker.

Info | Schlachtwerk

Jens Kratschmar