In der holländischen Umbauszene als Custom-Punk gefeiert, polarisieren Chris Dekkers Bikes mit rohen Streetstyle. Grund genug, uns seine abgeranzte Honda CB 550 genau anzuschauen.

Der Grat zwischen Genie und Wahnsinn ist schmal und Chris Dekker flirtet gerne mit ihm. Jung ist der Customizer aus Amsterdam, als große Nachwuchshoffnung gilt er schon jetzt. In der kurzen Zeit, in der er seine Werkstatt »Tin Can Customs« betreibt, hat er für einiges Aufsehen gesorgt und wurde schnell zum gehypten Star. Als er auf der Bikeshow in Rosmalen einen Pokal bekam und auf die Bühne musste, nahm er schnell ein schwarzes T-Shirt, klebte mit Duct Tape den Namen seiner Firma vorne drauf, nur um anschließend immer wieder gefragt zu werden, wo man das Shirt kaufen könne.

Ein Trendsetter mit Ideen für die nächsten zehn Jahre

Chris ist Trendsetter und hat den Zeitgeist erkannt. Nicht umsonst ist er vor allem in der Skate-, Tattoo- und Punkszene von Amsterdam kein Unbekannter. »Genau die Leute aus diesen Subkulturen stehen auf den rohen Streetstyle, den ich baue«, da ist Chris sich sicher. Und seine Honda CB 550 ist ein Paradebeispiel für diesen Stil, die Schönheit des Unvollkommenen, die Ästhetik des Verschleißes«, erzählt Chris unserem Reporter, als sie sich zum Nachtshooting zunächst in einer Pizzeria in Amsterdam treffen.

Gehypter Trendsetter: der junge Amsterdamer Chris Dekker

»Das Motorrad sieht aus, als wäre jemand tausende Meilen darauf gefahren, dabei habe ich es gerade eben erst fertig gebaut«, erzählt er weiter. Vor sich auf dem Tisch zahllose Zettel mit Zeichnungen. »Ich habe zu viele neue Projekte im Kopf, die zeichne ich gerne auf. Ach, eigentlich habe ich Ideen für die nächsten zehn Jahre«, entschuldigt er sich.

»Ich will wissen, was den Kunden inspiriert und begeistert«

Einer von denen, die Chris’ Stil so gut finden, ist Coen Ruijter, Pizzabäcker und Teilzeitbiker. Er lieferte das Spenderfahrzeug für den Umbau, den ihr hier seht. Die Honda CB hatte Coens Vater gehört, war irgendwann gestohlen worden und in einer wilden Verfolgungsjagd mit der Polizei wieder aufgetaucht. Nun sollte die Honda umgebaut werden, Coen zeigte Chris ein Foto eines Umbaus, exakt genau so wollte er seine Honda haben.

»Die Leute aus den Subkulturen stehen auf den rohen Streetstyle«

»Es ist allerdings nicht meine Art, so bei einem Aufbau vorzugehen. Ich will was über den Kunden wissen, erfahren, was ihn inspiriert und begeistert. Und so haben wir uns zusammen viele Bilder angeschaut. Bei einem Boardtracker aus den 30er-Jahren blieben wir hängen. Der gefiel uns beiden sehr, die Entscheidung war gefallen«, erzählt Chris. Und er bekam von Coen den Freifahrtschein, das Bike so zu bauen, dass es passt.

Honda CB 550 mit der Girdergabel einer BSA M20

Sofort begann Chris im Netz und auf Swapmeets nach geeigneten Teilen zu stöbern. So fand er zum Beispiel den schönen, alten Scheinwerfer, der wiederum auf der Girdergabel einer BSA M20 verschraubt war. Das Gesamtbild passte so gut, dass Chris entschied, die antike, englische Gabel zu verbauen. Es war einiges nötig, das Frontend mit dem japanischen Rahmen zu vereinen, mit Hilfe der Jungs bei FFM Racing gelang es dem Niederländer am Ende.

Herrlich: Zündapp-Tank mit Schaugläsern

In einer Nachtaktion baute er außerdem den Rahmen auf ein starres Heck um, verwendete dafür Achsplatten aus einer Harley. Nachdem der Motor von der Überholung bei »Pancake Customs« zurück war, kümmerte Chris sich um den Auspuff. »Aus vielen kleinen Einzelsegmenten zusammengeschweißt, ihr wisst schon, wegen dem rauen Look«, schmunzelt er.

Im Netz und auf Swapmeets findet Chris geeignete Teile

Da das Bike ansonsten recht clean ist, mutiert der Zündapp-Tank zum Eyecatcher, roh wie er ist. Dafür schweißte Chris den Tunnel neu und passte seitlich am Tank jeweils kleine Schaugläser ein. »Und gerade wegen des Tanks fragen ständig Leute, ob das Bike überhaupt schon fertig ist«, lacht der Customizer.

Wegen der rauen Optik aus vielen Einzelsegmenten zusammengeschweißt: der Tin Can Look

Die Elektrik bringt Dekker in einem alten Öltank unter, der direkt unterm Federsitz montiert ist. Sitzbankplatte, gepolstert wird später bei Silver Machine, und Lenker entstehen im eigenen Haus, ebenso wie die schön auf alt gemachten Hebel und Griffe. Das für ihn größte Kompliment bekommt Chris dann auf der Show in Rosmalen, als ein Zuschauer zu ihm sagt: »Der Motor wurde 1976 gebaut, das Bike drumrum 2014 – aber es sieht aus wie ein Motorrad aus den 30er-Jahren.«

 

Floris Velthuis