Mindestens einmal im Jahr zieht es Johannes nach Schweden – um Urlaub zu machen und Customluft zu schnuppern. Nur konsequent, welchen Stil er seiner Harley-Davidson Shovelhead verpasste.

Eigentlich fährt Johannes einen 49er-Shovel-Bobber, »meine Fahrmaschine«, wie er sagt. Doch das Schwedenfieber lässt den Mann aus Hannover nicht los, ein klassischer Langgabler muss noch her. Durch Zufall erfährt er vom geplanten Verkauf einer passenden Shovel. Die Maschine wird angeboten, weil der Vorbesitzer verstorben war und die Witwe beschlossen hat, sich davon zu trennen.

Harley-Davidson Shovelhead mit wertvollen Eintragungen

Die Kiste wurde in den neunziger Jahren schon aufwendig zum Langgabler umgebaut, inklusive Rahmenänderung und mit wertvollen Eintragungen in den Papieren. Außerdem war die Shovel schon auf Elektrostarter umgerüstet. Der Besitzer hatte keine Kosten gescheut, alle Arbeiten waren in anerkannten Fachwerkstätten durchgeführt worden. Einziger Wermutstropfen: Das Bike sieht so überhaupt nicht aus, wie Johannes es sich vorstellt. Und er muss der Witwe versprechen, es nicht zu zerlegen. Eine Gratwanderung beginnt.

Lange bevor die Reifenindustrie auf die Customszene aufmerksam wurde und entsprechende Breitreifen entwickelte, behalf man sich mit Schlappen aus dem Automobilsektor. Einschränkung bei der Performance wurden zugunsten der Optik in Kauf genommen

Johannes ist eigentlich gelernter Zweiradmechaniker, aber das ist gut zwanzig Jahre her. Heute arbeitet er als Versicherungskaufmann und baut als Einzelkämpfer in seiner kleinen Garage seine Mopeds um. Die Arbeit an der Shovel beginnt mit einer Teilüberholung des Motors, samt Zylinder und Top End. Dabei kommt mehr Chrom als bisher vorhanden zum Einsatz – nicht durch billige Reproduktionen, sondern durch das Neuverchromen vorhandener Originalteile. Die Fat-Bob-Tankhälften müssen einem Diamond-Tank weichen. Eine der alten Hälften hängt heute in der Küche der Vorbesitzerin.

20-inch-over – Harley-Davidson Shovelhead mit Tolle-Gabel

Unabdingbar für den geplanten Schwedenchopper ist natürlich die »Tolle«-Gabel, also eine verstärkte, lange Gabel in 20-inch-over-FL-Länge mit verbessertem Feder- und Dämpfersystem, benannt nach ihrem Konstrukteur Tolle. Heute werden diese Gabeln nur noch von Unique Custom Cycles in Schweden und SSC in Deutschland vertrieben. Die Standrohre an Johannes’ Shovel stecken in einer Alu-Verstellbrücke, ebenfalls von Tolle und den originalen Harley-Gespann-Verstellbrücken nachempfunden.

Die 80-Speichen-Räder waren in den 90er Jahren Standard und sind auch heute noch immer schön anzusehen. Wohl dem, der Zeit und Muße hat, die Speichen regelmäßig von Hand zu reinigen

Die kleine 220er-Bremsscheibe kommt von Rick’s, hier in einfacher Ausführung mit Vierkolben-PM-Bremssattel. Hinten übernimmt das Bremsen eine original hydraulische Trommel, geschraubt auf ein 80-Speichen-Chromrad in der Dimension 7 x 15 Zoll und gepaart mit einem 205er-Autoreifen. Diese Viel-Speichenräder waren in den 90ern Standard in Customprojekten. Mittlerweile sind sie etwas aus der Mode gekommen, obwohl die Festigkeit des Breitrades um ein Vielfaches höher ist als bei den original Harley-40-Speichenrädern.

Öltank, Fender und Sitz entstehen in der eigenen Garage

Neben den Kaufteilen legt Johannes aber natürlich auch selbst Hand an, so entstehen Öltank, Fender und Sitz in seiner eigenen Garage. Eine kleine Sissybar auf dem Fender muss außerdem sein, falls doch mal Gepäck transportiert werden muss. Der »Rabbit Ear«-Lenker kommt von der gleichnamigen Firma aus den USA. Ein offener BDL-3-Zoll-Belt übernimmt die Verbindung zwischen Motor und Getriebe, weiter übertragen auf die Sekundärkette.

Locker und lässig, typisch Schwedenchopper halt. Johannes hat die Shovel nach seinen Vorstellungen modifiziert

Für den Lack hatte Johannes ganz klare Vorstellungen, der Auftrag für die Arbeit geht an Chiko aus Pforzheim, »und falls ich den zu sehr mit meinen Wünschen gequält habe, so bitte ich auf diesem Weg um Entschuldigung«, grinst er. Das Endergebnis ist genau so wie er es sich vorgestellt hatte … green, clean und glitzernd!

Gar nicht so einfach, das Bike angemessen zu versichern

Wichtig ist Johannes am Ende noch eines zu erwähnen: Selbst ihm als Versicherungsfachmann war es nämlich fast nicht möglich, das Bike angemessen zu versichern. »Nach wie vor ein echter Missstand für Besitzer von Custombikes«, sagt Johannes. Schließlich gelingt es ihm aber doch, das Bike auf die Straße zu bringen – der nächsten Fahrt in den hohen Norden steht nichts entgegen.

 

Customizerkurt
Kustomizerkurt bei

Kurt Goller, Jahrgang 1965, schreibt als »Kustomizerkurt« für die CUSTOMBIKE. Der Zweiradmechanikermeister arbeitet im Hauptberuf bei SSCycle und steht auf alte Motorräder mit Charakter. So befindet sich eine 1977er Harley-Davidson Shovelhead FXE ebenso in seinem Besitz, wie eine 1991er EVO-Softail und eine 1994er Kawasaki ZR 550.