André hat eine lange Reise hinter sich. Obwohl von Kindesbeinen an mit dem Motorradvirus infiziert, sollte es eine gefühlte Ewigkeit bis zum ersten Schwedenchopper dauern.

»Väter sind unsere ersten Vorbilder, im Guten wie im Schlechten. Sie prägen uns, und manchmal übertragen sie auch ihre Leidenschaft, die sich anschließend einem Virus gleich ausbreitet, bis sie uns völlig erfasst hat. Andrés Vater ist Moped gefahren und hat damit schon früh das Interesse seines Sohnes für motorisierte Zweiräder geweckt.

Klassische Schraubergeschichte: Von kleinen Zweitaktern bis zu Big Twins

»Ja, letztlich sind wir alle auf dem Moped groß geworden.« Was folgt ist die klassische Schraubergeschichte, die mit kleinen Zweitaktern beginnt, sich über erste Versuche mit Japan-Bikes à la Kawasaki Z440 LTD fortsetzt, kleine Abstecher zu den kultigen AWOs beinhaltet, um dann ihren Höhepunkt bei den Milwaukee-Twins zu finden.

Nicht zu schmal, nicht zu breit. Der 200er-Hinterreifen passte bestens zum Schwedenchopper

»Ich wurde mal auf einer Harley-Davidson Softail Heritage mitgenommen, danach war es dann um mich geschehen«, gesteht André. Doch der Weg dorthin führte erst einmal über seine Kawa. »Mit ihr bin ich auf ein Motorradtreffen gefahren und dort zum ersten Mal in Kontakt mit den Schwedenchoppern gekommen.«

Vor dem Schwedenchopper mussten AWOs herhalten

Nach einem Schaden verkauft er die Japanerin und ersteht seine erste AWO, die er zusammen mit einem Kumpel umbaut. »Leider war der Umbau auf einen Chopper bei den AWOs zu aufwendig. Dennoch bleibt er zunächst den Zweitaktern treu. »Teilweise hatte ich bis zu fünf Maschinen in der Garage stehen.« 

Der Tacho fand Platz an der linken Motorseite

Neben Studium und der Schrauberei taucht er auch noch in die Hot-Rod-Szene ein, kauft sich einen 1950er Ford Sedan und ist damit ein paar Jahre von den Bikes abstinent – bis er bei eBay den Schwedenchopper von Lars Beyer entdeckt. Das Teil hat 12000 Kilometer runter, Fußkupplung und Handschaltung und sollte nach Angaben seines damaligen Besitzers eine Art Anti-Harley sein, ganz in Schwarz getaucht, mit dem klangvollen Namen Beyerson, einem Kunstwort aus Beyer und Davidson.

Der Beyerson Schwedenchopper sollte eine Art Anti-Harley sein

Kurzentschlossen fährt André nach Bullenhausen und macht mit dem Schweden eine Probefahrt. Ab diesem Moment schlägt er endlich sein eigenes Kapitel in der Welt der Schwedenchopper auf. Die Kontakte dazu hat er über die Jahre geknüpft und sich somit bestens vorbereitet. Zurück in Berlin bringt er den Langgabler zu Cycle Design, wo er fortan Unterstützung für sein Projekt bekommt. »Wir mussten erst einmal eine Bestandsaufnahme machen, was alles zu reparieren und zu ändern war, um nicht gleich von den Behörden aus dem Verkehr gezogen zu werden. Außerdem wollte ich auf jeden Fall alles TÜV-konform haben.«

Den Gabelstabilisator hat er selbst konstruiert und anschließend fertigen lassen

Und so erfährt das Bike im Laufe der Zeit einige Veränderungen. Das Kennzeichen wandert an die Seite, der Motor erhält eine andere Primärbeltabdeckung, zudem verbaut André einen anderen Lenker, bessere Bremssättel sowie eine neue Elektrik und fährt nach einem Umbau auf Handkupplung und Fußschaltung erst mal durch die begonnene Motorradsaison. Nach einem Roadtrip zum 30. Jubiläum von SSCycle folgen weitere Umbauten.

Beyerson Schwedenchopper – Auch nach der zweiten Saison noch nicht am Ziel

Der Motor bekommt Xzotic-Rockerboxen im Panhead-Style, der Tank wird umlackiert und mit Pinstripes versehen. Eine Arbeit, die André selbst übernimmt, nachdem er einen Pinstripe-Kurs belegt hat. Und er installiert am Hinterrad eine Kettenblattbremse. Doch in der zweiten Saison mit seinem Schwedenchopper ist André noch immer nicht zufrieden. »Ich bin halt immer mehr in das Thema reingewachsen und der Anblick des Bikes war nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte.« Über seine Kontakte bestellt er eine Järnhärsten-Gabel, will das aktuelle Teil von SJP ersetzen. »Ein Geduldsakt, denn es hat rund sechs Monate gedauert, bis die Gabel endlich da war.«

Der Lenker kommt dem Fahrer sehr weit entgegen und entspannt die Sitzposition

Zwischenzeitlich verkauft er seinen Hot-Rod-Ford und erhält somit die nötigen Ressourcen, um endlich ein »richtiges« Motorrad aus seinem Dauerprojekt zu machen. Dabei kommt ihm auch entgegen, dass er inzwischen mit seiner Familie ein Haus bewohnt und endlich seine eigene Garage zum Schrauben hat. »Ich habe mich dann darangemacht, alle notwendigen Teile zu organisieren und mich natürlich nach Leuten umgeschaut, die mir entsprechende Maschinen zur Verfügung stellen konnten, denn einen Großteil der verbauten Teile, insbesondere die Drehteile habe ich selbst hergestellt.« 

Beyerson Schwedenchopper – Zylinder und Kolben stammen von S&S

Auch der Motor erfährt eine Überarbeitung. Da der Zweizylinder komplett in Schwarz getaucht ist, wird er mit Trockeneis gestrahlt und erhält neben der neuen Optik auch ein neues Innenleben, bestehend aus Zylindern und Kolben von S&S. In Schweden bestellt André eine neue Abdeckung für seinen drei Zoll breiten Primärbelt. »Diese Abdeckung ist aus Glasfaserkunststoff und wurde nur in einer limitierten Auflage hergestellt.«

Kicker only! Einen E-Starter sucht man an Andrés Bike vergebens

Dass die Farbe derart heraussticht hat einen besonderen Grund, wie André erklärt: »Ich stehe auf Grau. Für mich ist das die Farbe zu der man einfach alles kombinieren kann, und ich stehe auf harte Kontraste, da es sonst zu langweilig wird. Also habe ich mir überlegt, was einen Gegensatz zum Gunmetal Grey des Bikes bilden könnte.« Schließlich bleibt er bei einer Triumph-Farbe namens Apple Green hängen. Ein wirklich krasser Kontrast, doch als Kind der 90er Jahre, in denen alles irgendwie bunt war und knallte, sollte es genau dieser Farbton sein.

Nach rund acht Jahren ist das Bike nun im gewünschten Zustand

»Eigentlich wollte ich ja noch viel mehr Teile in Apple Green lackiert haben, doch mein Lackierer hat irgendwann gestreikt.« Und so bleibt es bei der knalligen Primärbeltabdeckung, genug, um ein wenig zu provozieren, wie André augenzwinkernd erzählt. Nach rund acht Jahren ist der Schwedenchopper nun in einem Zustand, wie er schon immer sein sollte, obwohl weitere Veränderungen nicht ausgeschlossen sind. Doch André ist mehr als zufrieden mit seinem rudimentären Bike, dem neben der fehlenden Hinterradfederung sogar der Elektrostarter abhanden gekommen ist.

Bietet mehr Komfort, als es auf den ersten Blick erscheint. Trotz Starrrahmen taugt der Schwedenchopper auch für Langstrecken erstaunlich gut

»Sowas brauche ich nicht. Der Kicker in Verbindung mit der Dyna-Single-Fire-Zündung funktioniert einwandfrei. Das Motorrad ist überhaupt sowas von zuverlässig, ich bin noch nie damit liegengeblieben. Der Fahrkomfort ist ausgezeichnet, die Fahrwerksgeometrie stimmt und selbst für Langstrecken ist es perfekt geeignet.« Die Schweden wussten halt schon immer, wie man einen funktionierenden Langgabler baut. 

 

Christian Heim