Der ganze Stolz eines italienischen Youngsters Anfang der 60er war eine sportliches Moped. Heiko Haupt lebt in Deutschland und ist auch keine sechzehn mehr. Ein bisschen stolz auf seine 50er von Benelli und MV Agusta ist er trotzdem.

Nötig hatte Heiko die beiden 50-ccm-Rennerle nun wirklich nicht. Aber wer von uns ist auf die Schnapsglasheroen, die sich da in den hinteren Ecken unserer Garagen tummeln, schon ange­wiesen? Und so war’s auch mehr Zufall, dass er die MV in die Finger bekam. Für seine Frau Sonja war er auf der Suche nach einem coolen kleinen 50-Kubik-­Wheeler, sie wollte ein wenig ums Haus oder in die nahege­legene Stadt flitzen. Eine Vespa sollte es werden, aber hat die mittlerweile nicht jeder? Und weil Italien als Begriff schon im Suchfeld stand, erschien auf dem Bildschirm auf einmal die kleine rote Bella. Das Paar war elektrisiert – und schlug zu.

Die beiden 50er von Benelli und MV Agusta sind heute rar

Welch eine Linie: Liberty 50 Sport heißt die Kleene und ist ein seltenes Ding. Nur rund 3300 Mal wurde sie zwischen 1962 und 1969 gebaut. Anfang der Sechziger hatte sich das italienische Führerscheinrecht geändert, alles, was mehr als fünfzig Kubik hatte und schneller als vierzig Sachen lief, brauchte jetzt eine „patente di guida“, eine Pappe. Doch was tun, wenn man dafür zu jung war?

Auf dem 50-Kubik-Motor der Benelli 49 Sport ist der stolze Benelli-Löwe etwas ­deplatziert. Hier ist er noch mehr ­Löwchen als in dem Erfolgsmodell der Nachkriegszeit, der 125er ­Leoncino

Also legten sich die Motorradbauer kräftig ins Zeug und versuchten, den Youngstern Material vor die ­sabbernde Unterlippe zu schieben, das nach richtigen Motorrädern aussah. Schließlich gab es auch in Italien immer mehr erschwingliche Kleinwagen. Man brauchte neue Erwerbsquellen genauso wie neue Kundschaft. MVs Antwort war die Liberty. Die gab es nicht nur als Sport, sondern auch als weniger dynamisch gestylte Turismo und gegen Ende ihres Lebenszyklus auch als America. Im Gegensatz zur erwachsenen Optik sah es in Sachen Dynamik eher mau aus: 1,5 PS holte der Zweiventil-Viertakter aus seinen knapp 50 Kubik.

Heiko zerlegte das Paketchen und ­arbeite seine Bestandteile nach

Laut Steuermarke war das 1963er-Baujahr 1973 zum letzten Mal bewegt worden –  Zeit genug, um Patina aufzubauen. Und genau die wollte Heiko unbedingt ­erhalten. Er zerlegte das Paketchen und ­arbeite seine Bestandteile nach und nach milde auf. Dabei zeigte sich, dass der Viertakter von innen zwar ölverschlammt, sonst aber in einem soliden Zustand war. Dichtsatz und Ersatz für das verbrauchte Ritzel gab es in Italien, das defekte Ölsieb konnte Heiko richten und das MV-Agusta-Museum in Cascina Costa lieferte sogar einen Originalitätsnachweis, mit dem die Beschaffung neuer Papiere kein Problem mehr war.

So patiniert wie das Motorrad selbst sind auch die Originalpapiere der Benelli von 1965

Etwas mehr Mühe machten der ehemals verchromte, nun aber rostige M-Lenker und die Sitzbank. Ersteren ließ Heiko schließlich aus Edelstahl nachfertigen, die Sitzbank wurde gestrahlt und ­gepulvert. Dann durfte der Sattler die ursprüngliche rot-weiße Pracht wieder herstellen. Nun hatte Sonja also ihren Spaß und wenn er ganz lieb fragte, durfte Heiko zwischendurch auch mal ran. Die Zweisamkeit aber litt. Mit einer seiner großen ­Custom-Monster hinterherschleichen? Never ever! Und so kam die Benelli ins Spiel, auch sie in der in den Sechzigern beliebten Version namens Sport.

Zweitakter mit 1,5 PS und Dreiganghandschaltung

Dem Bedarf an günstigen Transportmitteln im Nachkriegsitalien war Benelli mit seiner 125er-Leoncino ­begegnet, die es als Zwei- und Viertakter gab und die sich in großen Stückzahlen verkaufte. Mitte der 50er schließlich beschloss man, auch ins Mopedgeschäft einzusteigen und legte so den Grundstein der nächsten ­Erfolgsgeschichte. Während die frühen Mopeds aber in ihren Sportversionen bis zu drei PS aufboten und bis zu achtzig Sachen schnell waren, kam man Anfang der 60er an der neuen Führerscheinregelung nicht mehr vorbei.

Nicht nur den angeschabten Lack hat Heiko erhalten, sondern auch die ­Aufkleber auf dem Tank der Benelli

Ende 1961 schließlich erschien die 49 Sport, von Benelli gebaut, aber zunächst unter dem ­Markennamen Motobi vermarktet. Das erklärt sich so: 1950 schon ­hatte einer der sechs Benelli-Brüder, Luigi, der Familie im Zorn den Rücken gekehrt und sich mit eigener Marke ­selbstständig gemacht. Zwölf Jahre später kehrte er damit wieder unters Dach des Stammhauses zurück. Die später nachgeschobene Benelli 49 Sport war mit ihrem 1,5-PS-Zweitakter mit Dreiganghandschaltung und Doppelschleifenrahmen auf staksigen 19-Zoll-Rädern weitestgehend identisch mit der Motobi 48 Sport. Abseits der Einerstelle im Modellnamen unterschieden sich die beiden vor allem in Formdetails von Tank, Schutzblechen und Sitzbank.

Spuren eines langen und harten Lebens erhalten

Was bei der MV noch Patina ­gewesen war, grenzte bei der Benelli schon an ­Gammel. Doch wieder gab sich Heiko alle ­Mühe, die Spuren eines langen und harten Lebens zu erhalten. Ersatzteile wie den Dichtsatz für den Motor, einen Kettensatz und Griffgummis fand er beim Benelli-Spezialisten Bauer in Rehburg, beim Zerlegen half ihm Junior Joona, mittlerweile durch die MV schon ausreichend angefixt.

Trommelbremsen müssen vorn wie hinten reichen. Angesichts ­deren Bremsleistung kommen dir die 40 km/h Höchstgeschwindigkeit dann doch wieder arg schnell vor

Unterm stark fetthaltigen Schmodder auf den verchromten Felgen kam nach der Reinigung und dem Bearbeiten mit der Messingbürste noch allerhand Glanz zum Vorschein. Mittels ein paar neuer Speichen wurden die Räder neu zentriert und schließlich der Motor entschlammt und zu neuem Leben erweckt.

50er von Benelli und MV Agusta – Das Duo ist komplett

Und so ist das Duo jetzt auch in der Garage komplett: distinguiert und très chic die viertaktende MV, etwas abgerockter und mit Auspufffahne die Benelli – Parallelen zu Heiko und seiner Holden rein zufällig. Die ziehen jetzt des Öfteren vertraut ihre kleinen Runden, während der Junior daheim schon unge­duldig mit den Füßen trappelt. Das fünfzehnte Lebensjahr ist nicht mehr so weit. Dann wird er endlich den gerechten Lohn für seine Mühen einfordern.   

 

Guido Kupper
Redakteur bei CUSTOMBIKE

Guido Kupper, fährt praktisch seit seiner Geburt in grauer Vorzeit Motorrad, hat mit dem Schreiben aber erst angefangen, als er schon sprechen konnte. Motorisierte Zweiräder hat er nur acht Stück zur Zeit, Keller und Garagen sind trotzdem voll. Sein letztes Ziel im Leben: Motorrad fahren und mal nicht drüber schreiben