Im diffusen Schein der Nachtlichter bei Triumph Hamburg schleicht Andreas Mecke um eine Triumph Thruxton R herum. Was soll er aus dem klassisch-perfekten Cafe Racer nur machen? Na klar, einen echten Tracker – ähh, Thracker.
Hamburg, irgendwann im letzten Jahrtausend. Eine zweitaktneblige Zeit, in der sich Mods und Rocker regelmäßig die Zylinderköpfe einschlagen. Andreas Mecke steht an der wohl wichtigsten Kreuzung seines jungen Lebens: Wie wird seine zweirädrige Zukunft aussehen? Subkulturell glaubt er sich längst eingespurt, sieht seine Zukunft auf Rollern. Den Göttern sei Dank ist da noch Papa Mecke.
»Der Junge kriegt keinen Roller, der wird nicht schwul!«
So subtil wie diplomatisch lenkt er das Treiben seines Sohnes in andere Bahnen: »Der Junge kriegt keinen Roller, der wird nicht schwul!«, überliefern die Chronisten die väterliche Argumentationskette – ein Spruch, zu dieser Zeit noch deutlicher unter der Gürtellinie als heutzutage. Viel gewichtiger sind dagegen die folgenden Taten einzustufen: In der Nacht zu Meckes sechzehntem Geburtstag wuchtet Vater Mecke eine Yamaha DT 80 LC durchs Treppenhaus in die Wohnung und liefert gleich noch eine Prophezeiung mit: »Wenn du das Ding tunst, flex ich es in drei Teile.«
Und hier fängt die Geschichte erst richtig an. Natürlich ist Mecke auf der Suche nach Leistung bei der DT. Warum sich mit achtzig Sachen zufriedengeben, wenn die Mühle mit frisiertem Kolben auch neunzig fahren kann. Einen kollegialen Rat später feilt er den Kolben platt, das soll Leistung bringen. Am Ende fährt die DT sagenhafte siebzig Sachen und Mecke lernt zwei Dinge. Erstens: Er hat keine Ahnung von Motoren. Zweitens: Die bei Louis in Hamburg haben sie und so fährt die Yam mit neuem Kolben und frisch abgedichtet wieder ihre 80 km/h. In Folge lernt der junge Bursche zwei weitere Dinge: Mopedmechaniker auf Kawa und »Strippe« Strohmann kennen. Der zeigt ihm mit seinem Rennsportteam, wie wichtig ein Fahrwerk ist und wie Tuning beim Motor funktioniert – oder eben nicht.
Triumph Thruxton R – Nahezu kein Umbaupotenzial
Irgendwann Mitte der 1990er liefert Mecke Mopedteile bei Triumph in Hamburg ab, macht eine Probefahrt mit der brandneuen Daytona 900 und bleibt danach gleich da. Er nistet sich in den üppigen Werkstätten ein und gründet zusammen mit Chef »Päppi« Hanse Qustom. Gut zwanzig Jahre und zahllose Twin- und Triple-Umbauten später kommt Hinckleys neue Thruxton auf die Straße. Als großer Fan und erfahrener Tuner der Baureihe erkennt Mecke nahezu kein Umbaupotenzial – allenfalls was völlig anderes könnte man aus dem Cafe Racer machen. Scrambler sind zu der Zeit schon en vogue, Tracker indes aber noch kein Mainstream. Die Würfel fallen: Ein Thracker soll’s werden.
»Mit dem 180er hinten kommt die Traktionskontrolle etwas später«, mahnt mich der Meister, als er mich auf dem hochbeinigen Ding losschickt. Worte, die sich spontan in Erinnerung rufen, als sich die Mühle beim Ampelsprint gegen was Flaches aus Stuttgart noch im dritten Gang aufbäumt, während die Kombi aus leichter Pirelli-MT60-Stolle, üppigem Drehmoment und feuchtkalten Straßen hinten immer wieder für freudig querbeschleunigte Erregung sorgt.
Der britische Gentleman-Motor gibt den Hooligan
Eine Freude, die ich mit Hamburgs Einwohnern gern teile, lässt die (eingetragene) Eigenbau-Auspuffanlage doch keinen akustischen Zweifel daran, dass hier ein britischer Gentleman-Motor den Hooligan gibt. Auch Ansprechverhalten und Leistungsentfaltung hat die Entfernung des Katalysators nach vorn gebracht. Der 1200er rennt deutlich freier, läuft aber wie die Serie nach wie vor eher gähnend in den Begrenzer. »Die Steuergeräte von Triumph sind extrem gut gegen Zugriff geschützt. Gehst du da falsch ran, sperrt sich das Teil komplett und wird unbrauchbar«, erklärt Mecke die bisher ausgebliebene Leistungssteigerung.
»Auf dem Prüfstand siehst du gut, dass die Drosselklappen schon bei 6500 Touren zu schließen beginnen, auch wenn du noch voll am Gas hängst. Wo kein Vollgas anliegt, brauchste über Tuning erst gar nicht reden.« Scharfe Nockenwellen allerdings liegen schon bereit und auch der Zylinderkopf ist – typisch Triumph – mit Reserven gebaut worden, die mechanisches Tuning sehr begünstigen. Mecke denkt, 115 PS sollten drin sein.
Die Showa-Gabel ist 25 Millimeter länger als das Original
Beim Fahrwerk hat er schon geliefert. Die Federbeine von Öhlins an der Schwinge sind gute fünf Millimeter länger als original, die Showa-Gabel wuchs gar um 25 Millimeter, was das hohe Bein beim ersten Aufsteigen erklärt. Neu abgestimmt wurden die Federelemente natürlich auch. So sprechen die Federbeine jetzt deutlich harmonischer an als die Seriendämpfer. Den Hauptgewinn hat Mecke indes in den Lenkkopf geschraubt. Die neue Gabel ist ein Gedicht. Sie vereint feines Ansprechverhalten mit straffer Dämpfung und ordentlichen Reserven, sollte man mit dem Tracker doch mal offroad gehn. In Hamburg ist das leider nur machbar, wenn man über Bürgersteige springt. Infantil zwar, aber spaßig.
Zu sehen gibt es selbstredend auch einiges: Stilprägend natürlich das kurze Heck im Storz-Style mit den fließend integrierten Endtöpfen an hochgezogener Krümmeranlage, beides von Mecke ebenso selbst gefertigt wie die Lampenmaske mit dem kleinen Projektionsscheinwerfer und der seitliche Kennzeichenhalter an der Schwinge. Das originale Zündschloss hat er gegen ein M-Lock von Motogadget getauscht. Wer schon mal Blinker an einer neuen Triumph montiert hat, weiß, dass es hier den ein oder anderen Kniff braucht, um die Blinkfrequenz einzuhalten.
»Wenn du die entdrosselst, flex ich sie in drei Teile«
Das mit dem „Tuning“ der DT hat Papa Mecke übrigens nie herausgefunden – bis jetzt jedenfalls. Viele Jahre später hat es ihm der Sohn dann noch mal heimgezahlt. Als der Herr Papa im mittleren Alter frisch den Stufenführerschein bestanden hatte und zum ersten Mal auf einer gedrosselten GPZ 900 R im Topzustand Platz nahm, konnte sich Mecke folgende Worte nicht verkneifen: »Wenn du die entdrosselst, flex ich sie in drei Teile.«
Info | hanse-qustom.de