Motorradelektrik ist kein Hexenwerk. Wir haben einem Fachmann bei der Neuverkabelung eines Custom-Choppers über die Schulter geschaut. Neben einem neuen Kabelbaum bekam das Bike auch eine neue Elektronikbox samt Bluetooth-Schnittstelle.

Das alte Lied von der verrückten Fahrzeugelektrik, die macht, was sie will – wer kann es nicht singen? Gerade bei umgebauten Bikes oder kompletten Custom-Aufbauten spielt die richtige Verkabelung eine wesentliche Rolle. Eine schlechte oder falsche Fahrzeugelektrik sorgt nicht nur für Dauerfrust und genervte Besitzer, sie kann mitunter auch die mühsam aufgebaute Kiste abfackeln oder zumindest den Fehlerteufel freisetzen.

Endlose Stunden in der heimischen Werkstatt

Endlose Stunden in der heimischen Werkstatt sind dann die Folge. Wer sich bei der Verkabelung unsicher ist, keinen Plan oder im besten Fall keine Lust drauf hat, kann auch direkt den Weg zum Fachmann antreten. Natürlich kostet das Geld und reißt Löcher ins Budget, aber das ist bei jeder Arbeit so, die man von einem anderen erledigen lässt. Dafür spart es aber Stress, schont die Nerven und die Gewährleistung vom Fachmann gibt es oben drauf.

Das war der Ist-Zustand der alten Elektrik, bevor Arnd sich daran machte, einen neuen Kabelbaum zu ziehen und die M-Unit zu installieren

Wir haben Arnd Schuhmann bei der Neuverkabelung eines Custombikes über die Schulter geschaut. Für den Inhaber der Firma Kradkontakt ist Elektrik eine Leidenschaft und nicht selten hilft er verzweifelten Bike-Besitzern zum frustfreien Genuss ihres geliebten Ofens. So auch in diesem Fall, als Arnds Kunde mit seinem Langgabler in der Werkstatt erschien und um Erlösung vom alten Kabelwirrwar bat. Ein kurzer Blick unter die Sitzbank offenbarte, dass der Fahrzeugelektrik nicht immer das Maß an Ordnung zu Teil wird, das sie verdient hätte.

Modernisierung tut manchmal Not

»Mein Kunde war mehr als unzufrieden mit dem, was an Kabeln am Bike verlegt war. Außerdem wollte er modernisieren, eine Bluetooth-Schnittstelle, einen LED-Scheinwerfer und einen anderen Tacho«, erzählt Arnd. Für den Routinier eine alltägliche Aufgabe. »Allerdings vergessen viele, die sich für eine neue Elektrik entscheiden, dass das Bike in Teilen auch zerlegt werden muss. Mit Fachwissen über Fahrzeugelektrik alleine ist es nicht getan. Du musst auch ein Bike zerlegen und wieder zusammenbauen können.« 

Neben dem Fachwissen sind das richtige Werkzeug und Material natürlich Grundvoraussetzung für eine neue Verkabelung

Arnd strippt das Bike, entfernt Anbauteile und trennt den alten Kabelbaum heraus. Danach folgt die Bestandsaufnahme. »Ich verschaffe mir zuerst einen Überblick, wo die Kabel gelaufen sind und wie die neuen platziert werden sollen. Oft findet man dabei bessere Lösungen als vorher.« Denn ein wichtiger Punkt, auf den viele Kunden bestehen, ist die möglichst unsichtbare Verlegung der neuen Kabel und der Elektronikbox. Deshalb ist ein Gesamkonzept wichtig, bei dem vor allem auch die Wünsche des Kunden miteinfließen. Gleichzeitig lässt sich schon im Vorfeld klären, was machbar ist und was nicht. Unangenehme Überraschungen lassen sich auf diese Weise relativ einfach vermeiden. 

Motorradelektrik – Festlegung des Kabelverlaufs

Nachdem der Kabelverlauf festgelegt ist, macht sich Arnd an die Verlegung, zieht die dünnen Drähte durch Rahmen, Rahmenoberrohr, Lenker, Riser und so ziemlich jede Öffnung, die sich dafür eignet und führt alles unterm Sitz zusammen, wo am Ende auch- die M-Unit von Motogadget ihren Platz finden soll. Im Zuge der Neuverkabelung fertigt er auch ein neues, deutlich kleineres Tachogehäuse aus Aluminium an. Der »Strippenzieher« kann tatsächlich mehr als nur Fahrzeugelektrik. Schließlich baut er schon seit einer gefühlten Ewigkeit Motorräder um und fräst auch kleinere Parts selbst. Das neue Gehäuse wird anschließend poliert und dezent zwischen den Lenkerrohren platziert.

Weil Arnd nicht nur Elektrik kann, fräste und polierte er gleich ein neues Gehäuse

Ein besonderes Augenmerk widmet Arnd bei der Neuverkabelung nicht nur dem unsichtbaren Verlegen der Kabel, sondern vor allem den Verbindungen. »Grundsätzlich sollten Steckverbindungen nur dort verwendet werden, wo sie Sinn ergeben. Und es sollten so wenig wie möglich sein, denn gerade sie bilden Fehlerquellen, korrodieren gerne und tragen auf.« Sein wichtigstes Werkzeug neben Kabel und Multimeter ist deshalb der Lötkolben, mit dem Arnd die entsprechenden Verbindungen herstellt, die anschließend in Schrumpfschläuche aus Kunststoff gepackt werden, um Feuchtigkeit fernzuhalten. Alte Hasen wissen, dass Wasser und Elektrik niemals Freunde sein können und Probleme vorprogrammiert sind. 

Motorradelektrik – Kein Quetschen, kein Scheuern

Nachdem alle Kabel verlegt und ihren Verbrauchern zugeordnet sind, wird das Bike wieder zusammengebaut. Anschließend wird der neue Kabelbaum noch einmal geprüft. »Bei der Planung sollte man vor allem darauf achten, dass die Kabel nirgends gequetscht werden können, scheuern oder durch bewegliche Fahrzeugteile unter Zug stehen«, weist Arnd auf ein Problem hin, das nachträglich für Ärger sorgen könnte.

Die Zugdrähte für die neuen Kabelstränge sind bereits durch das Rahmenoberrohr sowie Lenker, Riser und Gabelbrücke gezogen

Nicht selten kommt es vor, dass gequetschte Kabel zu unerwünschten Massekontakten und somit zu temporär auftretenden Aussetzern führen. Hat man sich so einen Fehlerteufel eingefangen, kann das nicht nur seinen Besitzer schnell in den Wahnsinn treiben. Auch der Fachmann liebt solche Fehlerquellen- ganz und gar nicht, sorgen sie doch in der Regel für stundenlanges Suchen, bis die Ursache gefunden ist. 

Anschließen der Elektronikbox

Doch am Langgabler des Kunden ist alles in Ordnung. Zum Schluss folgt die augenscheinlich angenehmste Arbeit: das Anschließen der Elektronikbox. Die Kabel hat Arnd vorher gekennzeichnet und muss sie nur noch anbringen. 

Die wohl angenehmste Arbeit, die fast schon etwas Meditatives hat: Die M-Unit von Motogadget wird verkabelt, gemäß ihrer Verbraucher angeschlossen und getestet

Dazu werden sie gekürzt, die Stecker angelötet und mit der M-Unit verbunden. Kabel um Kabel wird aus dem bunten Allerlei ein sauber zusammengefügter Kabelbaum, der zum Abschluss ein letztes Mal getestet wird. Funktionieren alle Schalter, leuchten Verbraucher wie Scheinwerfer, Rücklicht oder Blinker? Reagiert die Bluetooth-Schnittstelle? »Alles in Ordnung«, meint ein entspannter Arnd und gibt uns einen letzten Tipp mit auf den Weg. »Bitte auch auf Servicefreundlichkeit bei einer neuen Fahrzeugelektrik achten. Das spart Zeit, Geld und Ärger.«

Übrigens: Wie so eine Elektronik-Box funktioniert, erklären wir in CUSTOMBIKE 06-21, die ab 29. Oktober am Kiosk steht und ab 22. Oktober hier versandkostenfrei bestellt werden kann.

 

INFO | www.kradkontakt.de

 

Christian Heim