Neue Motorräder erfordern vom Zubehörhandel ein schnelles Bereitstellen von neuen Anbauteilen. Wir haben TXT-Customparts über die Schulter geschaut, wie ein neuer Heckfender entsteht.

Für den Zubehörhandel ist es immer wieder eine Herausforderung, neue Teile zu entwickeln, herzustellen und zu zertifizieren. Erst recht wenn die Motorradhersteller in schöner regelmäßigkeit Evolutionen bestehender oder gar gänzlich neue Modelle auf den Markt bringen. Dann heißt es, keine Zeit zu verlieren und möglichst schnell entsprechend neue Parts zu präsentieren, denn die Käufer neuer Modelle belassen in der Regel nur selten ihr neu erworbenes Fahrzeug im Serienzustand.

Heckfender mit integrierten Struts und Kabelinnenverlegung

Wer sich also nicht rechtzeitig mit der Entwicklung befasst, ist ganz schnell hinten dran. Wir haben TXT-Customparts bei der Herstellung eines Heckfenders mit integrierten Struts und Kabelinnenverlegung für Harley-Davidsons Breakout über die Schulter geschaut und uns den gesamten Entstehungsprozess erklären lassen. 

Zu Beginn der Entwicklung neuer Anbauteile, wie zum Beispiel für die neue Breakout von Harley-Davidson, steht der dreidimensionale Scan des Motorrads

Im Falle der neuen Softail-Modelle macht es der amerikanische Motorradhersteller dem Aftermarket in letzter Zeit sogar etwas leichter. Durch den Wegfall der Dyna-Baureihe müssen nicht mehr für dutzende unterschiedliche Modelle Teile produziert werden, den bei den Softails ist der Rahmen inzwischen einheitlich, wenn man vom Heckteil, das unterschiedliche Reifenbreiten aufnehmen kann, einmal absieht.

Knapp 15 Jahre Entwicklung von Customparts

Ein Vorteil, gerade auch für kleinere Betriebe wie das Familienunternehmen von Harry Thibaut, seiner Frau Christine und Sohn Timo, das sich seit knapp fünfzehn Jahren mit der Entwicklung und dem Vertrieb von Customparts für Harley-Davidson und anderer Motorradhersteller befasst. 

Der komplette Scan eines Motorrads ermöglicht anschließend die exakte Entwicklung von Teilen am computergenerierten 3D-Modell

Zu Beginn der Entwicklung eines neuen Bauteils wie den Heckfender für die Breakout, steht die Digitalisierung des Motorrads. »Wir entwickeln und entwerfen unsere Umbauteile in der Regel an dreidimensionalen Modellen am Computer.« Zu diesem Zweck erfasst eine hinzugezogene Spezialfirma das Motorrad, in unserem Fall eben die Breakout, mit einem dreidimensionalen Scan, der anschließend auf den PC übertragen wird. 

Fertigung der Heckfender quasi ohne Toleranzen

Am virtuellen Modell können so verschiedene Teile entwickelt und ausprobiert werden. Aus den ermittelten Werten für die Abmessungen werden anschließend Teile wie Frontfender, Struts oder andere Halterungen mittels Laser aus dem erforderlichen Material geschnitten werden. »Der Vorteil besteht für uns darin, dass wir exakt gleiche Teile bekommen, was gerade im Hinblick für die Passgenauigkeit sehr wichtig ist. Daher haben wir auch kaum Toleranzen«, erklärt uns Harry. 

Erinnert tatsächlich an einen Donut aus Metall. Mittels präzisem 3D-Laserschnitt werden den Rohlingen die neuen Frontfender entnommen

Der Produktionsablauf selbst ist für die Pfälzer inzwischen Routine. Aus Einzelteilen wie Struts, Schutzblech, Verstrebungen und  Halterungen für die Kabelinnenverlegung entsteht der neue Heckfender, der der Breakout einen knackigeren und dynamischern Look verleihen wird. Alles beginnt mit den Struts, die Harry in einer Schweißlehre fixiert. »Die haben wir extra entwickeln und anfertigen lassen, damit sich das Material bei der beim Schweißen entstehenden Wärmeeinbringung nicht verziehen kann.

Heckfender – Vom Rohling zur fertigen Radabdeckung

Außerdem haben wir für die verschiedenen Reifenbreiten, die bis zu 260 Millimeter reichen können, unterschiedliche Schweißlehren.« Sind die Struts vermessen und ausgerichtet, schneidet Harry aus einem Rohling ein entsprechend langes Stück für die Radabdeckung heraus. »Wir verwenden dafür 2,5 Millimeter starkes Material, das wir ausschließlich von deutschen Unternehmen beziehen.

Nicht nur für Harley-Davidson werden in Bellheim Parts entwickelt, auch andere Marken kommen nicht zu kurz

Die Qualität ist einfach besser. Wir hatten auch Rohlinge von ausländischen Unternehmen, doch unsere Erfahrungen waren sehr durchwachsen.« Im weiteren Ablauf wird zwischen den Struts eine Verstrebung eingeschweißt, anschließend der Fender eingepasst. Die Nacharbeiten halten sich in Grenzen. Nach ein bisschen Dengeln bilden Fender und Struts eine Einheit, die durchgeschweißt und somit dauerhaft verbunden wird. Immer wieder wird kontrolliert und gemessen, schließlich verlassen nur einwandfreie Heckfender das Haus. 

Jedes Bauteil kann identifziert und zugeordnet werden

Die Lücken zwischen Struts und Verstebung werden mit Blechen geschlossen und verschweißt. Zum Abschluss wird die Rundung des Heckfenders geschnitten, die Halterungen für die Kabelinnenverlegung an der Unterseite befestigt und abschließend alles sauber verschliffen. Zu guter Letzt am neuen Heckfender noch eine Seriennummer in die Struts geschlagen. So kann jedes Bauteil identifziert und zugeordnet werden.

Zwei Fenderstruts sind in der Schweißlehre festgeschraubt und für den nächsten Arbeitsschritt vorbereitet worden

Soweit als der reine Herstellungsprozess. Doch bevor ein neue Customparts in den Verkauf gehen, steht die Erstellung eines fahrzeugspezifischen Teilegutachtens an, damit der Heckfender bei den Prüforganisation auch abgenommen und in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden kann. »Wir sind ein zertifiziertes Unternehmen und lassen ein Bauteil, wie diesen Heckfender, in einem Zerstörungsverfahren vom TÜV prüfen.«

Heckfender mit Teilegutachten

Fertig verschweißte und verschliffene Heckfender werden bei TXT-Customparts übrigens mit einem Teilegutachten ausgeliefert, mit dem der Bike-Besitzer sein neues Heck bei den zuständigen Prüforganisationen eintragen lassen kann. Doch die Pfälzer bieten ihre Heckfender auch als Umbau-Kits an. Dann werden alle erforderlichen Bauteile einzeln geliefert.

Erste Anprobe: Harry überprüft, ob die Kanten des Heckfenders mit den Struts abschließen. Gegebenenfalls wird korrigiert

Fender, Verstebungen, Struts, die Kabelinnenverlegungen – alles muss dann vom Käufer oder der Werkstatt seines Vertrauens selbst angepasst, geschweißt und in Form gebracht werden. »Diese Umbau-Kits werden ohne Teilegutachten verkauft, da wir für fremde Schweißarbeiten, also das Zusammensetzen des Kits, keine Gewährleistung übernehmen können. Die Eintragung erfolgt in diesem Fall durch eine Einzelabnahme.« 

Mehrere tausend Euro Entwicklungskosten

Betrachten wir nun rückblickenden den Aufwand, der unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben und den eigenen Qualitätsansprüchen betrieben werden muss, um neue Customparts an den Markt zu bringen, realtiviert sich der Kaufpreis auch wieder schnell. Mehrere tausend Euro müssen bei jedem Bauteil als Entwicklungskosten in der Vorleistung veranschlagt werden, bis es in den Verkauf gelangt. 

Wichtiges Werkzeug: das Schweißgerät. Mit einem Magnet fixiert Harry die Bleche, mit denen die Öffnungen geschlossen werden

Rund 860 Euro verlangt der Fachbetrieb für einen fertigen Heckfender für die Breakout. Das Heckfender-Kit kostet etwa die Hälfte, doch dann muss man auch selbst Hand anlegen und auch beim TÜV etwas tiefer in die Tasche greifen. Die Pfälzer bieten übrigens ihre Heckfender und auch die Kits für alle aktuellen Softail-Modelle an, haben aber auch ein umfangreiches Sortiment für ältere Modelle.

Anfertigungen nach Kundenwunsch

»Der Teilebau macht inzwischen rund drei Viertel unseres Volumens aus«, klärt Harry auf. Dazu bietet das Unternehmen auch Anfertigungen nach Kundenwunsch an, denn manche wollen es tatsächlich komplett individuell. Doch auch das leistet man in Bellheim, wo neben Heck- und Frontfendern, Auspuffanlagen, Tanks und vielen weiteren Customparts, noch ganz nebenbei ein feines regionales Bier herkommt.

Info | txt-customparts.de

 

 

 

Christian Heim