Durch eine Restaurierung erblühen Motorradteile nach jahrelangem Dämmerschlaf neu. Wie Profis arbeiten, zeigen wir am Radsatz einer Honda

Ein Vierteljahrhundert hatte die Honda XBR im Dornröschenschlaf verbracht – viel Zeit, um viel Patina anzusetzen. Aber gut, jammern bringt nichts, will man die alten Kisten zu neuem Leben erwecken. Deshalb fangen wir an, und zwar bei den schönen, klassischen Speichenrädern. Wir trauen uns deren Restaurierung nicht selbst zu, daher holen wir uns Hilfe vom Profi. Wolfgang Maiers Special Wheel Company, in Ditzingens Ortsteil Heimerdingen bei Stuttgart beheimatet, hat sich in Sachen Speichenrad in langen Jahren einen Namen gemacht.

Die Oberflächen der Originalräder hatten unter jahrzehntelangem Dasein in feuchter Umgebung arg gelitten

Heute ist das Know-how von SWC fast Alleinstellungsmerkmal, ernstzunehmende Konkurrenz ausgesprochen dünn gesät und der fachmännische Rat von Wolfgang in der Szene gefragt. Der Oldtimer- und Customboom hat die Auftragslage nicht geschmälert. Kurzum, in Heimerdingen hat man alle Hände voll zu tun. Dieses Mal mit unseren Honda-Rädern, deren Bestandteile wie die aller von SWC gebauten Räder zum Strahlen und Beschichten das Haus zwischenzeitlich verlassen.

Saubermachen und Entfetten ist der erste Schritt zur Restaurierung

Zunächst werden die Räder und im Anschluss deren Radnaben demontiert, gesäubert und entfettet. Bei den Felgenringen ist der Chrom teilweise unterrostet. Nach dem Strahlen ist die Oberfläche aber ausreichend glatt, um beim späteren Kunststoffbeschichten ein ordentliches Ergebnis zu erzielen. Das ist zumindest unsere Meinung. Perfektionist Maier aber tut sich schwer. »Selbstverständlich richte ich mich nach dem Wunsch des Kunden. Bei Felgen in diesem Zustand aber greife ich normalerweise auf neue Ringe zurück.« Die finden sich im großen Warenlager in Heimerdingen ebenso wie alles andere, was zum Räderbau nötig ist.

… die Chromschicht war großflächig abgeblättert oder unterrostet

Felgen und Speichen werden als Halbzeuge eingekauft und dann den jeweiligen Bedürfnissen angepasst. In die Stahlfelgen werden dazu die passenden Löcher gebohrt und diese dann gepunzt (Punzen nennt man die Einbuchtungen im Felgenring, in die sich die Köpfe der Schraubnippel hineinsetzen). Dabei müssen die Bohrwinkel unbedingt zum Speichenbild und zum Nabenmaß passen, sonst werden die Speichen gebogen, was im Betrieb auf Dauer zum Bruch führen kann.

Ordentliche Restaurierung ist, wenn Bohrwinkel zu Speichenbild und Nabenmaß passen

Auch die Speichen werden als Rohlinge aus Stahl oder V4A-Edelstahl in gängigen Durchmessern und Hakenwinkeln geliefert. Vor Ort werden sie abgelängt, die Gewinde für die Nippel werden zur Vermeidung von Kerbbrüchen aufgerollt statt aufgeschnitten. Für höhere Zugfestigkeit fertigt SWC auch Dickendspeichen mit größerem Durchmesser an einem (Einfach-Dickend) oder an beiden (Doppel-Dickend) Speichenenden an, wofür der Rest der Speiche maschinell reduziert werden muss.

Mit dem Einfädeln der -Speichen in die mattschwarz beschichteten Radnaben beginnt der Zusammenbau der Komponenten zum vollständigen Rad

Zur genauen Identifikation einer Speiche sind mit Gewindegröße, Schaftstärke, Länge vom Ende bis zur Hakeninnenseite, Hakenwinkel, Hakenlänge und Nippelmaß eine ganze Reihe an Maßen erforderlich. Nach Fertigstellung wird auf die Stahlspeichen abschließend eine Vernickelung oder Verchromung aufgebracht. Chromatierte oder glanzverzinkte Speichen bietet Maier nicht an, »denn die rosten mit der Zeit oder bilden unschöne Oxidationsflecken aus«.

Explodierende Kosten beim Umau oder der Restaurierung

Da die Kosten bei Umbauten oder Restaurierung ohnehin gern aus dem Ruder laufen und in unserem Falle für die Arbeiten selbst ohne Verwendung neuer Ringe Kosten von gut 500 Euro auflaufen werden, beschließen wir, auf diese Zusatzkosten von 200 Euro (Stahlfelgen verchromt) bis 320 Euro (Alufelgen) zu verzichten. Das Gleiche gilt fürs Vorbereiten der Naben. Hier lassen wir zwar die Bremstrommel ausdrehen und neue Radlager einsetzen, mit Ausnahme des Bremshebels an der hinteren Felge, der verchromt werden soll, verzichten wir aber auf eine Politur als Untergrund der Kunststoffbeschichtung. Das spart weitere 200 Euro.

Oberflächenvergleich: hinten der von uns gewünschte Kompromiss, vorn die Perfektion, die man bei SWC gewohnt ist

Und das Ergebnis? Das gibt Skeptikern wie Zuversichtlichen gleichermaßen recht: Vergleicht man die Kunststoffschicht auf Felgen und Naben mit Maiers Musterstücken, sind natürlich Makel erkennbar. Dafür allerdings muss man schon sehr genau hinschauen. Auf der Website hat SWC alle potenziellen Arbeiten mit Preisen akribisch aufgelistet. Dort kann sich jeder Interessent im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten an seinen individuellen Perfektionsgrad selbst herantasten. Nachdem die beschichteten Teile schließlich in aller Pracht vor uns auf der Werkbank liegen, geht es ans Einspeichen der jeweils vierzig Speichen pro Rad.

Nicht günstig, aber trotzdem fast 400 Euro gespart

Ausgesucht haben wir uns dafür Standard-Edelstahlspeichen mit vernickelten Nippeln. Hat man sich die Anordnung der Speichen gemerkt, ist das kein größeres Problem. Knifflig jedoch wird es, wenn es Schritt für Schritt daran geht, die eingesetzten Speichen auf die erforderlichen 1500 bis 2000 Newton vorzuspannen und dabei das Rad perfekt zu zentrieren, was einiges Know-how voraussetzt. Selbst wenn auf allen Speichen gleich viel Zug ist, kann das Rad dennoch einen Seiten- oder Höhenschlag aufweisen.

Das fertige Resultat ist mit 500 Euro kein Schnäppchen, doch neue Felgenringe mit polierten Naben hätten, je nach ausgesuchtem Felgenring, mindestens 900 Euro gekostet

Das Resultat, das schließlich vor uns liegt, ist mit rund 500 Euro für alle anfallenden Arbeiten kein Schnäppchen, aber sein Finish rechtfertigt den finanziellen Aufwand durchaus. Mit neuen Felgenringen und polierten Naben wären wir je nach ausgesuchten Felgenringen bei mindestens 900 Euro gelandet. Das einzige Problem: Der Rest des Neuaufbaus wird sich an der Erscheinung dieser Räder messen lassen müssen.

Info | swc-maier.de

 

Guido Kupper
Redakteur bei CUSTOMBIKE

Guido Kupper, fährt praktisch seit seiner Geburt in grauer Vorzeit Motorrad, hat mit dem Schreiben aber erst angefangen, als er schon sprechen konnte. Motorisierte Zweiräder hat er nur acht Stück zur Zeit, Keller und Garagen sind trotzdem voll. Sein letztes Ziel im Leben: Motorrad fahren und mal nicht drüber schreiben