Der Markt ist groß, der technische Fortschritt bei Materialien und die Versprechen bei Haftungseigenschaften enorm. Modellfortschritt in Aussehen, Gestaltung und auch Dimension macht die Wahl der richtigen Reifen kompliziert und weckt Begehrlichkeiten. What about Reifenbindung beim Motorrad?

Was aber, wenn in den Papieren der originalen Typenbezeichnung des Motorrads eine Reifenbindung eingetragen ist, die man nicht akzeptieren will, z.B. weil aus Gründen des Customizings eine ganz andere Rad-/Reifendimension erreicht werden soll? Hartnäckig schwirrt das Gerücht, diese Reifenbindung sei aufgehoben. In den Wirren des Netzes stößt man auf widersprüchliche Meinungen in Artikeln und Foren oder gar auf veraltete EU-Richtlinien. § 36 StVZO hilft bei konkreten Fragen ebenfalls nicht weiter und verweist immer noch auf die Richtlinie 97/24/EG. In dieser waren Einzelheiten zu Reifen geregelt, die Hersteller derselben und Motorradhersteller im Zusammenhang mit diesen zu beachten hatten. Ab dem 01.01.2016 wurde diese Richtlinie jedoch durch die Verordnung (EU) Nr. 168/2013 ersetzt. In dieser Verordnung werden nur noch allgemeine Anforderungen an »die Hersteller«, also an die der Motorräder und der Reifen, festgelegt.

Also, was ist nun mit der Reifenbindung beim Motorrad – gibt es sie noch?

Für Reifen findet die UN-ECE Regelung 75, die einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Luftreifen für Krafträder und Mopeds bestimmt und sich an die Inhaber der Fabrik- oder Handelsmarke richtet, hierüber direkte Anwendung. Also, was ist nun mit den Reifenbindungen – gibt es sie noch? Wenn man es genau nimmt, nein. Da es ein Genehmigungsprotokoll wie in Richtlinie 97/24/EG nicht mehr gibt, wonach z. B. ein vom Fahrzeughersteller aufgestelltes Verzeichnis aller relevanten Versionen und Varianten (sofern vorhanden) des Fahrzeugtyps und der dafür jeweils zu benutzenden Reifen beizufügen war, kann grundsätzlich jeder E-geprüfte Reifen aufgezogen werden. Was, wenn eine Reifenbindung beim Motorrad trotzdem eingetragen ist, oder gar die eines mittlerweile nicht mehr hergestellten Reifenfabrikats in meinen Papieren steht? Aufgezogen werden können alle Reifen gleicher Dimension, für die der Hersteller eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt. Angefragt werden kann diese sowohl beim Motorradherstellers, als auch beim Reifenhersteller. Beide sind nach Art. 9 Abs. 1 VO (EU) Nr. 168/2013 verpflichtet, darauf zu achten, dass: » … Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten … gemäß den Anforderungen dieser Verordnung und der gemäß dieser Verordnung erlassenen delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte hergestellt und genehmigt wurden«.

Liegt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vor, ist diese von den Prüfinstanzen zu akzeptieren!

Bei einem umfangreichen Customizing mit Veränderungen der Fahrwerksdimensionen und Rad-/Reifendimensionen und -kombinationen wird man dagegen um eine Voll- bzw. Teilabnahme nach § 19 StVZO nicht herumkommen. Hier wird sich die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu der Kombination etwaiger Teile von den Herstellern schwierig konstruieren lassen, da diese vom Hersteller des Motorrads nicht vorgesehen war. Die Zulässigkeit der Einzelreifen ist nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 durch das E-Prüfzeichen zugesichert. Problematisch wird es, wenn die Prüfinstanzen meinen, dass das Aufziehen von Reifen anderer als in der Zulassung angegeben Hersteller oder Dimension trotz Unbedenklichkeitsbescheinigung zum Erlöschen der Betriebserlaubnis führen soll. Dem ist das Verkehrsministerium laut Angaben des ADAC (https://www.adac.de/_mmm/pdf/Reifenfreigaben_Motorrad_794KB_29840.pdf) entgegengetreten. Liegt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vor, ist diese von den Prüfinstanzen zu akzeptieren! Die Veränderung am Bike führt nicht zum Erlöschen der BE. Eine Einzelabnahme zur Wiederherstellung der vermeintlich erloschenen BE ist nicht erforderlich. In Übereinstimmung mit § 19 Abs. 3 Nr. 2 StVZO ist dies stimmig. Danach erlischt die BE nicht, wenn für die Reifen eine E-Prüfnummer erteilt worden ist und eventuelle Einschränkungen oder Einbauanweisungen beachtet worden sind. Sollte es dennoch zu Problemen kommen, insbesondere, wenn trotz vorliegender Unbedenklichkeitsbescheinigung das Erlöschen der Betriebserlaubnis bescheinigt wird, sollte dringend die rechtliche Begleitung in Erwägung gezogen werden.

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Romy Kreisel
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht bei Kreisel-Jena Rechtsanwaltskanzlei | Website

Romy Kreisel ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht. Seit Juni 2018 analysiert sie für die CUSTOMBIKE präzise Gesetzestexte, klärt in ihrer Kolumne »Recht und Info« Rechtsfragen rund um das Custombike-Thema und macht juristische Formulierungen für den Leser verständlich.