Die Kawasaki LTD 440 von Felix ist ein Sammelsurium aus Teilen aller möglichen Marken und Epochen und ein wirklich ehrliches Motorrad.
Flanders Chopper Bash, der Tag begrüßt die Custombike-Community mit Nieselregen. Im Klubhaus des holländischen Rattlesnakes MCs, der sein Gelände für diese Veranstaltung zur Verfügung stellt, treffe ich auf Johannes und Felix aus Deutschland.
Kawasaki LTD 440 – XXXXXXXXXX
Den über den Boden verteilten Werkzeugen, Kabeln, Reglern und Abdeckungen nach zu schließen, gibt es ein Problem mit Felix’ Kawa LTD. Der Präsi des MCs hat bereits einen Blick auf die Baustelle geworfen und selbstlos einen Kanister Benzin zum Abfackeln angeboten.

Felix lässt das Angebot unkommentiert und macht weiter. Kabel um Kabel wird ans Licht gezerrt und begutachtet, von hinten wird schweigend ein Spannungsprüfer durchgereicht und schnell festgestellt, dass Felix auf Grund eines Massefehlers seinen Spannungsregler gegrillt hat.
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Die Tatsache, dass sich ein Ersatz für dieses seltene Teil hier sicher nicht besorgen lassen wird, vermag Felix in seinem Glauben an sein Bike nicht zu erschüttern. Wer braucht schon einen Spannungsregler, wenn sich das Problem auch über ein, zwei volle Batterien lösen lässt – und zumindest die sollten sich doch wohl in jedem noch so kleinen Kaff auftreiben lassen.

Johannes und Felix werden mir erst Stunden später wiederbegegnen. Hinter Johannes auf dessen Trude thronend, reckt Felix triumphierend eine kleine Batterie in die Luft, die er einem Bootsbauer im Ort aus dem Kreuz geleiert hat.
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Darüber hinaus hat er dem guten Mann die Zusage abgerungen, ihm neben der neuen auch seine alte Batterie zu laden. Zwei Tage später erhalte ich über Facebook die Nachricht, dass er es mit Hilfe dieser beiden Batterien tatsächlich ohne Probleme zurück in den Ruhrpott geschafft hat.

Auf einem anderen Event treffen wir uns wieder. Felix und seiner Kawa scheint es ausgesprochen gut zu gehen. Er genießt die Veranstaltung und damit auch das Leben in vollen Zügen und zum ersten Mal wird mir klar, was die Faszination ausmacht, die der junge Mann auf mich ausübt.
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Er erinnert mich an die längst vergessenen Träume und Erfahrungen eigener Jugendjahre. Dass er diesem Lebensgefühl auf zwei Rädern folgt, ist seiner mangelnden Kompromissbereitschaft bei gleichzeitig anhaltend klammer Finanzdecke geschuldet.

Für ein Auto hatte er nämlich kein Geld, sah sich deshalb nach einer geeigneten Basis mit zwei Rädern um und stieß schnell auf den Paralleltwin der LTD 440. Felix entschied, dass der an sich unschöne Softchopper der 80er durchaus Potential hat, für 500 Euro sichert er sich eine LTD in fahrbarem Zustand.
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Er fährt sie ohne Veränderungen ein Jahr lang, dann ist der Motor am Ende. Mit der anstehenden Überholung soll nun auch der Rest umgebaut werden. Unterstützung sucht er sich bei einer Bochumer Schraubergemeinschaft.

Unter dem Einfluss dieser Jungs geht der Griff beherzt zur Flex. Neben dem Heckrahmen fallen alle überflüssigen Halterungen dieser Aktion zum Opfer. Der gesamte Verkleidungskrempel wandert auf den Müll. Was bleibt beschränkt sich auf das extrem gechoppte Gerüst des Rahmens und einen neu aufgebauten Motor.
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Da sich Felix auf Low Budget beschränken muss, stehen die teuren Teile namhafter Bolt-On-Produzenten zu keinem Zeitpunkt des Aufbaus auf seiner Liste. Er zieht sich die meisten Teile, die er an sein Bike schraubt, aus Haufen, die die Mehrheit der Biker als Schrott bezeichnen würde.
Die Liste der Teile ist lang und läuft wie ein bunter Faden durch Marken und Epochen der Motorradgeschichte. Der seltene Tank, der bereits einiges durchgemacht haben dürfte, bevor ihn Felix in die Finger bekommt, versorgte ursprünglich eine 1933er Wanderer mit Treibstoff.
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Der Lenker stammt von einer Honda MTX 80. Den innenliegenden Gasgriff spendet eine frühe Honda Monkey – und weil es mit diesem Griff so gut geklappt hat, wurde der Zug der Vorderradbremse mit einem zweiten Drehgriff dieser Art ebenfalls innenliegend auf die linke Lenkerseite verlegt.
Dass das Bike dazu auf Fußkupplung und Handschaltung umgerüstet werden muss, versteht sich von selbst. Natürlich hat Felix alle zu diesem Umbau benötigten Teile wie auch alle anderen Hebeleien, Gestänge und Abstandshalterungen in Eigenregie hergestellt und sich das dazu erforderliche Basismaterial, woher auch sonst, aus dem Schrott besorgt.
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Auspuff und Sissybar entstehen ebenfalls im Eigenbau. Die Lampe, eine Electroline 54, die inzwischen als sündhaft teurer Nachbau im Zubehörhandel angeboten wird, kann er sich für kleines Geld als altes Originalteil über die amerikanische ebay-Plattform sichern.
Das Rücklicht entsteht aus der Kombination einer Triumph-Krümmerklemme und der Begrenzungsleuchte eines alten Trailers. Zur Unterbringung der Elektrik werden zwei alte Wasserkessel aus DDR-Zeiten miteinander verbunden.
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Alles in allem kann Felix mehr als zufrieden auf seine geleistete Arbeit blicken. Einzig bei der Sitzbank sieht er noch Handlungsbedarf. Wie so oft musste er diese unter Zeitdruck, quasi auf dem Weg zu einem Treffen, mit der heißen Nadel stricken.
»Da muss ich nochmal ran«, sagt Felix – und dann gibt es da ja auch noch die kleine Suzi, die inmitten des »Schrotts« auf dem Gelände seiner Schrauberkumpel vor sich hindämmert. »Ein Scrambler wäre gut«, sagt Felix.

