Holy Banana – ein Chopperlenker, wie er klassischer nicht sein kann. Wer steckte hinter seiner Entstehung? Wie weit geht seine Geschichte zurück und wer hat sie neu geschrieben?

Wenn es den amerikanischen Traum gibt, dann hat Tom Rudd ihn gelebt. Am Anfang standen sein Job als Auto- und Motorradmechaniker, seine Fingerfertigkeit bei Reparaturen und Sonderanfertigungen und natürlich sein Interesse am Dragracing. Als Mechaniker und professioneller Dragracer, der mit seiner Top-Fuel-Sportster ganz vorn mitfuhr, betrieb er zunächst ein Business für Vergasermodifikationen – für hubraumgesteigerte Motoren und Alkoholbetrieb. Nebenbei reparierte er auf Rennstrecken die Fahrzeuge anderer Fahrer. Mit solchen Arbeiten wird man aber nicht reich, sagte sich der damals 25-Jährige, borgte sich 1.000 Dollar und startete zusammen mit zwei Partnern mit der Nachfertigung von Tuningteilen.

Einen Drag-Specialties-Katalog hatte jeder Händler unterm Ladentisch

1968 gründeten sie die Zubehörfirma »Drag Specialties« in Minneapolis. Schnell war ersichtlich, dass der Markt für Chopperteile ordentlich was einbrachte. 1969 übernahm er die Geschäftsanteile seiner Partner, zeigte Prototypen seiner Chopperteile während der Daytona Bike Week und fand Händler aus den ganzen USA, die gierig waren diese Teile zu verkaufen. Er wurde quasi über Nacht zu einem der größten Zubehörlieferanten für den Choppermarkt. Einen Drag-Specialties-Katalog hatte jeder Händler unterm Ladentisch.

Die Chopperwelle rollt los, die Biker schrauben immer wildere Kisten zusammen – und Drag Specialties hat die Teile dafür. Den Bananenlenker wollte jeder haben

Rudds Teile waren anständig gefertigt und besser verchromt als so manches Serienteil der großen Motorradhersteller. »Das Malteserkreuz-Rücklicht habe ich für neun Dollar das Stück verkauft«, meint er zu uns rückblickend – viel Geld in den 1970er Jahren. Rückleuchten und gelochte Fußrasten standen damals ziemlich am Anfang. Auch diverse Lenkerkreationen wie beispielsweise der »Holy Banana«, der hier im Fokus steht. Ein Lenker mit Alleinstellungsmerkmal und tausendfach verkauft, bis weit hinein in die 1980er. Heute ist der Holy Banana zweifellos der absolute Klassiker unter den Chopperlenkern. Tom Rudd verkaufte Drag Specialties übrigens Mitte der Achtzigerjahre. Seinen frühen Ruhestand beendete er durch die Gründung der Firma Küryakyn 1989.

Holy Banana – Z-Lenker mit nach hinten geschwungenen, gelochten Streben

»Holy Banana«, das ist im amerikanischen Englisch ein Ausruf für etwas Unglaubliches. In Deutschland würden wir vielleicht stattdessen »Heiliges Kanonenrohr« ausrufen. Ein Wortspiel macht aus der Heiligen Banane durch das fast gleich ausgesprochene »holey«, das für »löchrig« steht, eine »löchrige Banane«. Hier und da schrieben Journalisten in US-Zeitschriften auch schon mal »Holy-Z-Bars«. Aber egal wie, streng gesehen handelt es sich um einen Z-Lenker mit nach hinten geschwungenen, gelochten Streben. Erstaunlicherweise tauchte der Lenker auch oft im »Jammers«-Katalog auf – eigentlich an Choppern, die dort zur Referenz angebotener Teile abgebildet waren. Auf der Jammers-Lenkerseite selbst wurde er damals allerdings nicht angeboten.

Weil sich Kabel und Züge bei dieser Bauart nur bedingt im Innern verstecken lassen, ging die Nachfrage in den Keller

In Deutschland war diese Lenkerform damals kaum bis gar nicht an Choppern zu sehen. Er wurde früher eben nie mit dem Segen des TÜVs verkauft. In Belgien war das anders. Meisterschrauber Danny Frannsen berichtete uns, dass bis in die Achtzigerjahre der Holy Banana der am meisten verkaufte Chopperlenker in seiner Region war. Er bestätigt auch, dass es die Lenker in 7” und 10” (178 und 254 mm) Höhe sowie in 7/8” und 1” (22,6 und 25,4 mm) Durchmesser gab. Jim Preisler, der seit der Gründung von Drag Specialties eng mit Tom Rudd zusammenarbeitete, war Entwickler und Macher dieser Lenker.

Beim Holy Banana lassen sich Kabel nur schwer verstecken

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass verschiedene kleinere amerikanische Firmen sich mit dem Nachbau versuchten. Jeff Acal von der Middlesex Motorcycle Company in Kanada fertigte sie zum Beispiel in den 1990ern für einen kanadischen Kataloganbieter. Sie wurden unter fremdem Namen verkauft. »Unsere Lenker waren nicht so sehr nach hinten gezogen wie die von Drag Specialties und unser Rohr war dicker«, erzählt er, »wenn es weiterhin Bedarf gegeben hätte, ja, dann könnten wir die noch heute fertigen.« Jeff beendete die Fabrikation, weil sein bisheriger Hauptabnehmer – auch für andere Teile – in Asien fertigen ließ. Auch weil sich Kabel und Züge bei dieser Bauart nur bedingt im Innern verstecken lassen, ging die Nachfrage in den Keller.

Die Neuauflage von Runaway Choppers kommt mit Gutachten für die TÜV-Eintragung

So weit eine Historie, die eigentlich längst als abgeschlossen galt. In den letzten Jahren gab es jedoch eine faszinierende Fortsetzung, tauchten im Zuge der Oldschool-Faszination wieder Lenker auf, die mehr oder weniger das Thema neu definieren. Thorsten Mellein von Runaway Choppers dürfte einer der ersten deutschen Hersteller neuzeitlicher Lochflacheisenlenker gewesen sein. Er bietet seine Kreation unlackiert oder schwarz gepulvert an – und mit Festigkeitsgutachten. Und auch bei Rocket Inc. und anderen Aftermarket-Anbietern gibt es mittlerweile wieder löchrige Bananen – heiliges Kanonenrohr!

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.