Wie war das nochmal, als wir lernten, dass man sich auf einem Mofa einen verdammt wunden Hintern holen kann. Damals, als wir den Schwarzwald Moped Marathon besiegten – oder er uns?

230 Kilometer hat die IG Schwarzwald Moped Marathon abgesteckt, ihr Marathon ist ein Fanmagnet. Innerhalb kürzester Zeit waren die ersten fünfhundert Startplätze weg, zweihundert konnte die IG nach Absprache mit den Behörden dann noch mal nachlegen. Schon ein Jahr nach der Taufe wurde die IG aus begeisterten Ex- und Immer-noch-Mopedlern überrannt. Veranstaltungen wie der Ötztaler Mopedmarathon und das Red-Bull-Alpenbrevet machen es zusammen mit unzähligen weiteren Events seit Jahren vor, Mofa-Marathons sind der Shit der Stunde und wir mittendrin.

Schwarzwald Moped Marathon – Nix für Weicheier

Vom Startort Münchweier aus über Haslach, Hornberg, Hornisgrinde, Oppenau, Zell am Harmersbach und Lahr zieht sich der stattliche Streckenbogen. Für Weicheier wie mich gibt’s ’ne Abkürzung. Sie spart fünfzig Kilo- und etliche Höhenmeter. Doch was heißt hier eigentlich Weichei? Erlaubt ist alles, was fünfzig Kubik hat, vom Mofa bis zum Kleinkraftrad mit großem Kennzeichen. Und von denen hat am Vorabend des Starts auf dem eigens angekarrten Prüfstand so manches Exemplar unter dem tosenden Applaus der umstehenden Gaffer mehr als zehn Pferde auf die Rolle gedrückt. Sollen die sich mit der Höllentour plagen, nicht wir mit unserer 1,5-PS-Kreidler. Ab 6:00 Uhr werden die 700 Verrückten alle zehn Minuten scheibchenweise auf die Strecke geschickt, für uns geht’s zehn nach sechs los. Um diese Uhrzeit ist es arschkalt hier im Schwarzwald, auch wenn der Kalender Juni sagt. Darüber nachzudenken ist Zeitverschwendung, denn schon bald haben wir ganz andere Hürden zu meistern.

2018 hatte der Schwarzwald-Moped-Marathon zum ersten Mal stattgefunden, 2019 fuhren bereits 700 Starter an die Startlinie. 2022 wurden die Plätze auf 600 limitiert

Von Raumünzach zur Schwarzenbach-Talsperre hoch ist die MF4, auf der wir angetreten sind, gerade ziemlich am Abkacken. Erst steigt Rauch vom Zylinder auf. Für sich genommen kein Drama: nur Öl, das aus dem nicht mehr ganz dichten Benzinhahn zart auf die Kühlrippen träufelt und verdampft. Andererseits aber auch ein Zeichen, dass dem Motor langsam arg warm wird. Zu warm. Irgendwann wird das bisschen Leistung immer weniger und auch eifriges Mittreten der Pedalkurbel hilft nicht mehr: Der Zweitakter stirbt ab, aus, tot, Havarie. Keine Panik, das wird wieder. Die übermäßige Wärmeausdehnung hat die Zylinderpassungen durcheinandergebracht, Abkühlung – sprich warten – bringt sie wieder ins Lot.

Die MP1 hat am Berg mehr Biss – na ja, haben Schnecken Zähne?

Anderen geht es nicht besser, so verhaspelt sich unser Youngster Tim mit seiner MP1 zum Beispiel streckentechnisch. In Haslach hat er den falschen Abzweig genommen und sich bis rund fünfzehn Kilometer vor Schiltach gequält, wo sich die beiden Zweige der Strecke wieder vereinen. Doch statt durchzuziehen, hat er – orientierungslos, wie er ist – wieder rumgedreht in Richtung Haslach. Kilometer und Zeit satt hat das gekostet. Wir hatten uns vorgenommen, die Hardcore-Strecke zusammen zu fahren, doch das ist schwieriger als angenommen. Mit an die fünfundvierzig Sachen in der Ebene rennt die MP1 nämlich gute 15 km/h schneller als die MF4, und das Warten nervt ein bisschen. Außerdem hat die MP am Berg mehr Biss – na ja, haben Schnecken Zähne? Jedenfalls kapituliert sie vor den allermeisten Steigungen nicht. Im ersten Gang der Zweigangautomatik schafft sie es am Ende immer – irgendwie.

»Die Angst gehört dazu. So war das früher schon, als du mit fünfzehn und der alten Kreidler auf dem Weg zur Schule des Öfteren hängengeblieben bist, um eine Stunde zu spät und nach Zweitaktmischung stinkend einzu­laufen. Mit fünfzehn warst du dann der King, mit 50 bist du es wieder«

Die Strecke zieht sich. Je weiter wir uns durchschlagen, desto mehr Leichen pflastern den Weg, desto öfter wird der Straßenrand zur Werkstatt. Ohne Werkzeug und Ausrüstung unterwegs zu sein, ist riskant. Beim technischen Defekt bist du dann chancenlos und dir bleibt nichts anderes übrig, als auf die Rettung durch Freunde oder den Lumpensammler zu warten – und nicht überall gibt’s Handynetz, schließlich sind wir in Deutschland. Ist der Notruf dann abgesetzt, kann die Wartezeit lang werden. Nur 632 Mopeds werden am Ende des Tages mit eigener Kraft über die Ziellinie rollen. Auch am Abend nach Schließung des Ziels werden die Leichensammler mit ihrem Anhänger noch lange unterwegs sein.

Das Ziel? Möglichst nah an der Durchschnittszeit zu liegen

Im Laufe des Tages werden wir immer weiter nach hinten durchgereicht. Nicht schlimm, denn schließlich wollen wir ankommen, nicht gewinnen. Gewinner ist ohnehin nicht der, der die Strecke in Bestzeit absolviert. Möglichst nah an der Durchschnittszeit zu liegen, ist der Schlüssel zum Erfolg. Dass die bei knapp zehn Stunden liegt, zeigt, dass die Tour auch eine Enduranceveranstaltung ist, nicht nur das reine Zuckerschlecken. Dass die Ärsche schmerzen und die Sonne mittlerweile brennt – ach, irgendwann ist auch das egal. Und gerade als sich das Gefühl einschleicht, es könnte bald geschafft sein, zweigt in Löcherberg die Straße nach rechts ab und uns schwant nichts Gutes.

Da war die Welt noch in Ordnung, einträchtig fahren Kreidler MF4 und MP1 nebeneinander … bis ein Defekt den Traum von der gemeinsamen Zieldurchfahrt vereitelt

Vor uns liegt der Löcherberg, und da müssen wir wohl hoch. Mopeds haben Pedalkurbeln, Fluch und Segen zugleich. Jetzt eher Fluch. Aus dem Sattel geht es in den Wiegetritt, wir versuchen, dem Motor zu geben, was ihm fehlt. Hinter jeder Biegung geht es weiter bergan, die Tour de France ist ein Scheißdreck dagegen. Wir packen es. Auf dem Gipfelparkplatz erst stirbt der Einzylinder im Hitzekollaps ab. Das Runterrollen auf der anderen Seite des Berges kühlt ihn schnell wieder runter. Zehn Kilometer vorm Ziel, Tim hatte mal wieder auf uns gewartet, springt seine MP plötzlich nicht mehr an. Werkzeug raus, Check, kein Zündfunke. Als das Schwungrad runter ist, sehen wir die Misere: Der Unterbrechernocken ist ausgebrochen. Das war’s, Tim ist raus, alle Qual umsonst.

Den nächsten Schwarzwald Moped Marathon gibt’s 2024

Dafür kommt jetzt noch die große Zeit der am Berg gedemütigten MF4. Stoisch brummend fährt sie uns durchs Ziel, das man gerade schon dicht machen wollte. Mehr als dreizehn Stunden waren wir unterwegs. Für Abenteuer braucht es keine zweihundert PS und keine Fernreisen. In unserem Fall genügten keine zwei PS im Schwarzwald. Danke an die Truppe aus Münchweier, die da tatsächlich ein Megading auf die Beine gestellt hat, das 2024 das nächste Mal stattfinden wird. Große Empfehlung!

Info | schwarzwald-moped-marathon.de

 

Guido Kupper
Redakteur bei CUSTOMBIKE

Guido Kupper, fährt praktisch seit seiner Geburt in grauer Vorzeit Motorrad, hat mit dem Schreiben aber erst angefangen, als er schon sprechen konnte. Motorisierte Zweiräder hat er nur acht Stück zur Zeit, Keller und Garagen sind trotzdem voll. Sein letztes Ziel im Leben: Motorrad fahren und mal nicht drüber schreiben