Die Born Free Show in Kalifornien ist legendär und hat weit mehr zu bieten als ein paar hübsche Oldschool-Karren und bärtige Typen. Wie fast alle anderen Events musste sie letztes Jahr abgesagt worden. Ende August 2021 soll nun die 12. Auflage steigen und wir wollen Euch mit unserem Rückblick ein bisschen Appetit machen. Also machen wir uns auf den Weg und tauchen ein, vier Tage lang, in den Kult rund um Born Free.
Donnerstag: The Stampede
Uns steckt der Jetlag noch in den Knochen, erst vor knapp 24 Stunden sind wir in Los Angeles gelandet. Zeit zum Ausruhen bleibt wenig, unser Ziel ist die Born Free Show – Mekka für Oldschool-Fans und Schrauberkultur, zu dem die Veranstalter Mike und Grant ihre Schäfchen an die Westküste der USA rufen.

Die Show selbst ist für Samstag und Sonntag angesetzt, los geht es nach einem Jahr Vorbereitung aber schon am Donnerstag, auf einem Speedway-Track. Auch das ist typisch, die staubigen Ovale gehören zu Kalifornien wie Surfstyle und Skate-Attitude.
Präsentation der der Invited-Builder-Bikes
Auf dem »Speedway at the Grand« in Industry sollen heute im Rahmen der »Stampede« nicht nur zahllose Rennen gefahren werden, sondern auch die Bikes der »Invited Builder« zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert werden. Um die wird immer ein besonderes Getöse im Vorfeld der Veranstaltung gemacht.

28 Customizer, die jeweils ein Bike für die Show bauen sollten, wurden im Herbst bekannt gegeben, 25 Motorräder stehen heute vorm Eingang zum Racetrack. Drei Bikebuilder sprangen unterwegs ab und bauten ihre Motorräder nicht fertig. Gründe? Das interessiert hier keinen, volle Konzentration auf die, die da sind. Und daran kann man einiges ablesen.
Die Bikebuilder sind nicht mehr ganz so bekannt wie noch vor ein paar Jahren
Zwei Triumphs, eine Honda CB 750, eine Indian, alles andere hier ist im Ursprung eine Harley, und das sicher nicht nur, weil die Company Hauptsponsor der Born Free Show ist. Lediglich ein Europäer ist unter den eingeladenen Customizern, Vincent Summers aus London zeigt einen cleanen Knucklehead-Umbau. Das Zweite, was uns auffällt, ist, dass die Namen der Bikebuilder nicht mehr ganz so bekannt sind wie noch vor ein paar Jahren.

Ist das wichtig? Nein, im Gegenteil. Die Szene wandelt sich in den USA wie auch anderswo. Junge Bikebuilder treten in die Fußstapfen von alten Hasen, erarbeiten sich ihre Plätze in der Gemeinschaft der Schrauber. Und die Bikes? Alle schön, keine Frage, manches Geschmacksache, wie immer. Was wir sehen, ist in vielen Fällen fast zurückhaltend und einfach, denkt man an die teils extremen Bikes der vergangenen Jahre zurück.
Kein einziger Cafe Racer auf der Born Free Show
Sicher, lange Gabeln machen wir aus, das Speedway-Racingbike von Patrick Til-bury aus New Orleans ist rund um einen historischen Motor aus dem Besitz von Jesse James gestrickt und der schwarze verkleidete Racer, der da hinten steht, ist das vielleicht aufwendigste Bike, das wir heute sehen. Ansonsten einfach einige schöne, saubere Chopper und tatsächlich kein einziger Cafe Racer – dieser Trend scheint hier so schnell vorbei gewesen, wie er gekommen war.

So kann die Born Free in ihrer Bikeshow rein motorrad-technisch vielleicht nicht ganz mithalten mit der Vielfalt von aufstrebenden Events wie der »The One Show« in Portland oder dem »Bike Shed« in London, aber – und das ist das Schöne – sie will und muss es auch nicht. Denn tatsächlich geht es hier neben den Motorrädern noch um was anderes.
Alle Customizer an einen großen Tisch, freundschaftlich, lässig
Um das Zusammensein mit Gleichgesinnten, das Gucken, das Ideen holen, den Austausch. Deutlich wird das auch am Abend, als die eingeladenen Customizer im Hotel zusammensitzen. Alle um einen großen Tisch, freundschaftlich, lässig. Sollte das nicht eine Szene ausmachen?

Ach ja, Rennen wurden natürlich an diesem Donnerstag auch gefahren, alle möglichen Klassen, unzählige Fahrer, darunter viele Bikebuilder wie Bratstyle, Noise Cycles, Chopperdave und andere. Besonders beeindruckt hat uns dabei die Chopper-Klasse. Schmale, coole Shovels und Panheads mit langen Gabeln und engen Lenkern.
Hier werden Chopper durch den Dreck gescheucht
Die würden in Deutschland Bikeshows rocken und Blicke auf sich ziehen. Hier werden sie durch den Dreck gescheucht, mit dem Risiko, viel Arbeit und Schönheit in den Sand zu setzen … finden wir irgendwie ziemlich gut. Und sehen uns morgen an Cook’s Corner, wenn Born Free richtig Fahrt aufnimmt.

Freitag: Cook‘s Corner – Eine Kreuzung an der staubigen Oak Canyon Road – hier liegt Cook’s Corner, eine Bikerkneipe, wie sie sich Quentin Tarantino nicht besser ausdenken können. Burger und Bier gibts für kleines Geld, jede Menge Outlaw-Rockerflair obendrauf. Am Abend vor Born Free wird Cook’s Corner zum Hot Spot für viele.
Beim »People’s Champ« wird der letzte Teilnehmer der Bikeshow gewählt
Hier stehen im Rahmen der »People’s Champ« noch mal sechs Bikes, aus denen alle ihren Favoriten wählen dürfen. Der Sieger wird morgen im Kreis der Invited Builder auf der Show stehen. Das Rennen macht Josh Sheehan mit seiner Shovel im Starrrahmen. Für uns ist das an diesem Abend aber eher eine Randnotiz, wir streifen lieber an der Straße entlang, wo aufgereiht zahllose Motorräder stehen.

Die Luft ist erfüllt von Auspufflärm und Harley-Sound, es ist ein steter Strom an Bikern, die ankommen und wegfahren. Zwischen den Motorrädern so einiges, was anderswo Bikeshow-Pokale gewinnen würde, aber eben auch endlos viele Kisten, denen man ansieht, das sie gefahren werden. Rost, Patina und abgerotzter Lack als Statement – fuck the fakes.
Die USA sind Motorradland und am Ende jeder willkommen
Zwischen dem ganzen Oldschool-Geraffel gibt es aber auch viele neue Harleys, ein paar hochbeinige Crossbikes, GSX-Rs und andere Supersportler, gar unsere erste BMW des Wochenendes sehen wir hier – die USA sind Motorradland und am Ende jeder willkommen. Ob Rocker, HOG-Member, Jungspund oder Mitglied im gottesfürchtigen Motorradclub, Unterschiede werden nicht gemacht.

So nervig die Amis mit ihrem übertriebenen »That‘s awesome« für uns oft sind, hier wissen wir den Respekt und die neidlose Anerkennung untereinander zu schätzen. Nicht selbstverständlich, kennen wir es aus der Schrauberszene doch auch anders. Über den Oak Canyon bricht die Nacht herein, und ab morgen früh dann die Lautstärke hunderter Motorräder, die Spannung steigt.
Die Parkplätze sind brechend voll, das Innenareal sowieso
Samstag: Showtime im Oak Canyon. Stundenlang donnern Motorräder aufgereiht wie an einer Perlenschnur vorbei und stauen sich am Ende vor dem Eingang. Erst gegen zwei Uhr mittags hat auch der Letzte ein Plätzchen für seine Karre gefunden, da läuft Born Free bereits seit vier Stunden. Die Parkplätze sind brechend voll, das Innenareal sowieso und fast sind es zu viele Menschen, die sich in Schlangen vor den Fressständen drängen oder für ein Acht-Dollar-Bier anstehen.

Was das in offiziellen Zahlen heißt, wissen wir nicht. Auch wegen möglichem Behördenstress gibt es keine genauen Angaben über die Menge an Besuchern und Motorrädern. Tausende sind es allemal, bei beidem. Unter ihnen auch Rainer und sein Sohn Philipp. Der Junior ist zum Praktikum im Rahmen seines Maschinenbau-Studiums in den Staaten, der Vater betreibt eine Werkstatt in Thüringen und ist extra für Born Free über den Teich geflogen. Mit zwei Mietharleys sind die Jungs die Küste von San Francisco runtergedonnert und stehen jetzt völlig perplex inmitten der Show.
Born Free ist zum fast reinen Harley-Treffen mutiert
»Der Wahnsinn«, sagt Rainer, »so viel Input, so viele Motorräder.« Dass davon nahezu alle Marke Harley-Davidson sind, stört ihn nicht. Was sich bei den Bikes der Invited Builder schon angedeutet hatte, wird jetzt brachial sichtbar. Born Free ist zum fast reinen Harley-Treffen mutiert. Nur ein paar Triumphs und Indians halten dagegen, die japanischen Bikes können wir an einer Hand abzählen.

Und eine BMW entdecken wir nur am Stand von Roland Sands. Born Free muss damit zwingend als eines der größten Harley-Treffen der Welt gelten. Und die Gerüchte, dass Harley die Veranstaltung längst gekauft hat, werden sicher nicht leiser werden.
Harleys FXR hier schon länger ein riesiges Thema
Neben der regulären Bikeshow und den Invited Bikes gibt es übrigens seit drei Jahren noch eine dritte Show während Born Free. Organisiert von San Diego Customs darf jeder, der will, seine FXR hier ausstellen und um Pokale ringen. In Deutschland lange Zeit zu Unrecht wenig beachtet, ist die Harley FXR hier schon länger ein riesiges Thema.

Gerade in Kalifornien werden zahllose dieser FXRs und Dynas gefahren und umgebaut, bevorzugt im angriffslustigen Clubstyle. Mittlerweile ist dieser Hype ja auch längst nach Europa geschwappt, aber da die FXRs hierzulande nicht gerade in hohen Stückzahlen verkauft wurden, ist es eher bei einem Hypchen geblieben.
Wir lassen uns vom Sog Born Free einlullen
Während wir über Trends sinnieren, hunderte Fotos knipsen und uns vom Sog Born Free einlullen lassen, werden auf der Bühne schon die ersten Pokale übergeben. Die Invited Builder konnten den besten unter sich wählen, ein Trip nach Japan zur Mooneyes-Show und ein fettes Preisgeld sind der Gewinn.

Den streicht Hawke Lawshe von Vintage Technologies aus Montana ein – sein roter Knucklehead-Chopper ist aber auch eine verdammte Augenweide, wir können verstehen, warum die versammelten Bikebuilder ihm den Pokal für den Besten der Ihren gegeben haben. Für alle anderen gibt es morgen noch genug Chancen, Ruhm, Ehre und Preise einzusacken. Dann, wenn Born Free auf die Zielgerade einbiegt.
Sonntag: Das große Finale
Wie der Mythos um die Born Free Show entstanden ist, kann heute eigentlich keiner mehr so genau sagen. Da war wohl die aufkommende Oldschool-Welle auf der einen, eine seinerzeit fehlende, passende Show in Südkalifornien zum anderen. Dazu ein ausgeklügeltes Marketingkonzept und eine perfekte Location, die Freiheit und Unabhängigkeit inmitten wilder Natur und ohne den Stress der nahen Großstadt bietet.

Born Free ist Kult und Kult muss man einfach geschehen lassen. Das haben übrigens auch zwei deutsche Aussteller getan, W&W-Cycles aus Würzburg pflegt hier schon länger die Kontakte zur amerikanischen Oldschool-Szene.
Wer hier Gespräche und Kontakte sucht, wird sie auch finden
Überhaupt herrscht bei Born Free eine offene Stimmung. Wer hier Gespräche und Kontakte sucht, wird sie auch finden. Ein netter Smalltalk ist sowieso immer drin. Auch wenn einige noch vor Jahren gehypte Customizer der Show mittlerweile fernbleiben, fällt das nicht negativ auf. Sie haben Platz gemacht für neue, junge Typen, die gute Motorräder bauen. Was sich bei der Erstsichtung der Invited Bikes schon gezeigt hat, bestätigt sich damit.

So ist es am Abend auch einer dieser jungen Wilden, der den Pokal für den Best of Show mit nach Hause nimmt. Es handelt sich um das Bike, das uns bereits bei der ersten Präsentation fasziniert hatte. Justin Walls hat in den vergangenen Monaten akribisch an seiner Version eines Salzsee-Racers rund um einen 1948er Harley-UL-Motor gebaut.
Einladung zur Mooneyes-Show nach Japan
Die Belohnung für die Mühen kommt von oberster Stelle. Shige Suganuma, Eigner von Mooneyes, lädt auch ihn nach Japan zu seiner eigenen Show ein. Die Gerüchte, dass Mooneyes Born Free gekauft hat, halten sich übrigens ebenso tapfer wie die über Harley-Davidson.

Und dann ist es 17 Uhr und aller Zauber vorüber, die Biker machen sich in Scharen auf die Heimreise, viele von ihnen haben noch tausende Meilen vor sich und ihr sowieso schon knapper Jahresurlaub ist mit der Teilnahme an der Show auf einen kläglichen Rest geschrumpft. Es ist ihnen herzlich egal, denn sie können sagen, sie waren dabei, bei Born Free.
Born Free Show – Das Woodstock der Motorradszene
Irgend jemand bezeichnete die Show mal als das Woodstock der Motorradszene. Wir finden, das kommt der Sache verdammt nahe. Born Free hat neben zahllosen Bikern, die im alten Stil fahren und feiern wollen, auch der Masse an unbekannten Garage-Buildern und Privatschraubern eine Heimat gegeben und ist nicht zuletzt dadurch ein mächtiger Gegenentwurf zu Daytona, Sturgis und anderen klassischen Motorradevents in den Staaten.

Viele ähnliche Shows, auch in Europa, hat Born Free nach sich gezogen. Doch nirgendwo ist es so authentisch wie hier in Südkalifornien, wo in den 50er Jahren der Kult um die Custombikes und vor allem die Chopper überhaupt erst begonnen hatte.
Born Free Show 2021: 28. und 29. August
Wir ziehen uns ein letztes Bike aus der Show an den Rand des Canyons, fotografieren es hastig inmitten abreisender Biker. Dann ist Born Free auch für uns vorüber, Wiederholung nicht ausgeschlossen.
Info | bornfreeshow.com

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.