Auch Marcus Walz hat schon mehrmals für Yamaha zum Schraubenschlüssel gegriffen und Yard Builts auf die Räder gestellt. CUSTOMBIKE begleitete den Umbau einer Yamaha XSR 700.

Vor elf Jahren entdeckte Motorradhersteller Yamaha die Welt der Customizer. Von sinkenden Absatzzahlen geschüttelt, mussten neue Ideen her, sollte ein frischer Wind im Umgang mit dem Thema Motorrad die schwindende Kundschaft zurückholen. Mit dem Projekt »Hypermodified« wurden 2011 die Customizer Walz, Lazareth und Sands beauftragt, eine Vmax völlig frei ohne Vorgaben zu gestalten. Der Erfolg muss so durchschlagend gewesen sein, dass Yamaha kurz darauf den Yard Built ins Leben rief.

Der erste Entwurf sah einen Cafe Racer auf Basis der XSR 700 vor: flach und mit kurzem Heck

Seitdem haben sich zahlreiche und namhafte Bikebuilder den Modellen von Yamaha angenommen und gezeigt, was man auf Basis der Serienmotorräder alles auf die Räder stellen kann. Für den XSR-700-Yard Built wurden Customizer aus neun Ländern beauftragt, dem populären Mittelklasse-Allrounder ein neues Outfit zu verpassen. Yamaha Deutschland hat sich für eine Zusammenarbeit mit Marcus Walz entschieden. Für die beiden Partner ist es, wenn man das Hypermodified-Projekt mit einbezieht, die mittlerweile vierte Zusammenarbeit.

Yamaha XSR 700 Yard Built – Präsentation in Biarritz

»Yamaha kam auf mich zu und hat angefragt, ob ich Deutschland beim Yard Built vertreten wolle. Ich sollte ein kurzes Konzept zusammenstellen, das anschließend Yamaha Europe in Amsterdam vorgelegt wurde, und die haben sich dann für eine Zusammenarbeit entschieden«, erläutert Marcus Walz. Die Zeitvorgabe ist begrenzt, denn pünktlich zum »Wheels and Waves«, das immer Mitte Juni im französischen Biarritz stattfindet, müssen alle Yard-Built-Bikes fertig sein. Dann nämlich präsentiert Yamaha die Ergebnisse der teilnehmenden Customizer, die ebenfalls vor Ort sein werden.

Marcus entschied sich dann aber für den Tracker, da Cafe Racer momentan überpräsent sind

Dem Hockenheimer schweben zwei Versionen der XSR 700 vor. Ein Cafe Racer und ein Tracker. Marcus beauftragt den spanischen Designer Nuno Capelo zwei Grafiken von seinen Entwürfen anzufertigen. Nachdem beide vorliegen fällt die Entscheidung zugunsten des Trackers. »Jeder baut zurzeit Cafe Racer«, räumt Marcus seine Bedenken ein, »deshalb habe ich mich letztlich für den nicht so populären Tracker entschieden.« Anfang März wird das Motorrad original verpackt in seiner Werkstatt angeliefert. Es folgt der Abbau der überflüssigen Teile.

Das Hauptaugenmerk liegt in der Verbesserung der Performance

Die markantesten Änderungen werden das Heck und die Tankcover betreffen und optisch den größten Effekt erzielen. Doch das Hauptaugenmerk von Marcus liegt in der Verbesserung der Performance. So tauscht er die serienmäßig etwas weich ausgelegten Federelemente der Gabel gegen voll einstellbare von Wilbers. Am Heck kommt ebenfalls ein Wilbers-Federelement zum Einsatz. »Das Serienfederbein ist nicht verstellbar, deshalb habe ich mich für dieses Federbein entschieden, das nun in Zug- und Druckstufe sowie der Vorspannung einstellbar ist.«

Die Yamaha XSR 700 im Originalzustand. Im ersten Umbauabschnitt nahm sich der Hockenheimer Customizer vor allem der Fahrwerkskomponenten an, die im Serienzustand doch recht weich ausgelegt und nicht einstellbar sind

Am Frontend tauscht er zudem die Hebeleien, montiert eine neue Fußrastenanlage, ein neues Kettenblatt, ein neues Ritzel und ersetzt die Kette durch eine leichtere und stabilere 515er. Um weiter Gewicht zu sparen werden auch die Felgen ausgetauscht. Marcus arbeitet dabei mit dem slowenischen Spezialisten Rotobox zusammen, der auf Basis der Serienräder neue aus Karbon fertigt. Auch die Auspuffanlage muss weichen. Hier springen die italienischen Auspuffbauer von SC-Project ein und konstruieren eine neue und leichtere Abgasanlage.

Yamaha XSR 700 Yard Built – Es läuft nicht rund

Im nächsten Umbauschritt erfolgen dann der Heckumbau und die Neukonstruktion der Tankcover. Seit dem Start zum Yard-Built Anfang März sind Wochen vergangen. Es ist inzwischen Ende Mai, Vatertag um genau zu sein, und die Sonne brennt über dem badischen Flecken, wo Marcus seine Werkstatt hat. Während Horden von Feiertagsanhängern auf ihren Fahrrädern den freien Tag genießen und längst in den Feiermodus geschaltet haben, treffen ich mich mit dem Heidelberger, um den Umbaufortschritt zu begutachten.

Eigentlich sollte ein völlig neu konstruierter Tank an die XSR 700. Doch Marcus war mit Entwürfen unzufrieden und entschied sich, beim Originaltank zu bleiben

Die Zeit drängt und die Tage fliegen, zumindest gefühlt, gerade so dahin. Es bleiben nur noch gut drei Wochen bis zum Wheels & Waves in Biarritz. Marcus kennt den Druck noch aus seiner Hardcore-Zeit und will natürlich liefern. Doch bei dem Perfektionisten, der penibel jeden Aufbau bis ins Detail plant, läuft es nicht rund. Es ist die Abhängigkeit von Fremdfirmen, die ihn plagt, das Gefühl, nicht alles unter Kontrolle zu haben und keinen Einfluss auf das Ergebnis nehmen zu können.

Heck, Seitenteile, Frontfender und Lampenmaske sind montiert

Die XSR 700 steht auf der Hebebühne und die in Auftrag gegebenen Arbeiten sind soweit abgeschlossen. Doch der Customizer läuft, einem eingesperrten Tiger gleich, unruhig durch die Werkstatt. Unzufriedenheit liegt in seinem Gesichtsausdruck, während ich das Projekt in Augenschein nehme. Das neue Heck, die Seitenteile sowie Frontfender und Lampenmaske sind montiert, alles aus leichtem Aluminium gefertigt. Ich rufe mir die Entwürfe von Designer Nuno Capelo ins Gedächtnis. Passt, denke ich mir, doch Marcus reißt mich aus meinen Gedankenspielen zurück: »Lonngggaaa, fällt dir was auf?«

Feinarbeiten: Für die zwei Ellipsoidscheinwerfer muss die Lampenmaske nachgearbeitet werden

Zuerst verstehe ich nicht ganz, was er meint, doch dann sehe ich es auch. »Wo ist der Tank?«, frage ich zurück. »Das ist ja das Problem«, schnauft Marcus aufgeregt. »Wir haben mehrere Entwürfe angefertigt, aber ich war mit dem Ergebnis nicht zufrieden und habe deshalb entschieden, den Originaltank mit den Abdeckungen zu verwenden. Letztlich passt er in meinen Augen am Besten zu dem Konzept, auch wenn das Design von Nuno, zumindest von der Seitenansicht, perfekt gewesen wäre. Für mich ist auch wichtig, das man immer noch erkennen kann, dass es eine XSR 700 ist – und der original Tank ist da sehr charakteristisch.«

Der Tank ist immer ein zentrales Element bei jedem Customprojekt

Das Problem ist nun mal, dass der Tank immer ein zentrales Element bei jedem Customprojekt ist, da er optisch in der Regel hervorsticht und die Blicke auf sich und damit auf die Bike-Mitte lenkt. »Und jetzt fehlt die Zeit?«, murmele ich vor mich hin. »Wie immer bei solchen Projekten, die auf Termin fertiggestellt werden müssen«, grummelt Marcus. Er hasst es, unter Druck zu arbeiten, obwohl er nach fast 30 Jahren in diesem Geschäft damit vertraut sein müsste. Nicht immer läuft alles rund, werden Termine eingehalten, sind Partner so zuverlässig wie man selbst. Es ist eine permanente Gratwanderung in der sich Frust und die Erleichterung, es doch noch geschafft zu haben, ständig abwechseln.

Das originalinstrument wird durch ein Teil von motogadget ersetzt, das deutlich weniger Platz einnimmt

Dazu kommt die eigene Anspruchshaltung, selbst kleinste Unregelmäßigkeiten bei den ausgeführten Arbeiten extrem kritisch zu betrachten. Und Marcus scheint an diesem Morgen extrem unzufrieden. Viele Arbeiten sind noch zu erledigen und der Lackierer muss auch noch ran, das Bike also sofort wieder zerlegt werden. In dem Moment geht die Werkstatttür auf und der Pinselteufel steht wie gerufen auf der Matte. Chris Rupaner aka Chiko ist nämlich auch gleich vorbeigekommen, um die Lackierung zu besprechen und die Teile gleich mitzunehmen. Gemeinsam gehen er und Marcus noch einmal die Entwürfe des Designers durch, diskutieren über letzte Details, bevor er auch schon wieder verschwunden ist. 

»Der Zeitfaktor ist immer ein Problem«

Auch Marcus drückt wieder auf die Tube. »Wenn alles klappt bin ich heute Abend mit dem, was ich mir vorgenommen habe, fertig.« Fertig heißt für ihn: der Einbau von Lenker, Armaturen, Hebeleien, die Verkabelung, motogadget-Mini-Tacho, Scheinwerfer, Powercommander und noch ein paar Kleinigkeiten. »Der Zeitfaktor ist immer ein Problem«, sinniert Marcus. »Dazu kommen auch noch räumliche Distanzen zu Partnern, die Auftragsarbeiten für mich erledigen und manchmal auch schlechte Kommunikation. Es ist halt doch was anderes, wenn man täglich mit den Leuten zu tun hat und Probleme direkt vor Ort besprechen kann.«

Beim Lack hat er sich für eine klassische Yamaha-Farbe aus den Siebzigern entschieden

Die Sache mit dem Tank scheint tief zu sitzen, denke ich mir. Aber was läuft bei einem Customprojekt schon perfekt? Marcus wird das Yard-Built-Projekt totzdem pünktlich fertig stellen, darauf kann man sich bei ihm verlassen. Schließlich steht am Ende sein Name drunter, und wenn die Teile vom Lackieren zurück sind und das endgültige Ergebnis in seiner Gesamtheit vor ihm steht, wird der Frust längst vergessen sein. Wie immer.

Präsentation von acht Yamaha XSR 700 Yard-Built-Bikes

Und wieder sind zwei Wochen ins Land gezogen, seit ich das letzte Mal was vom Yard-Built-Bike gesehen habe. Die Teile sind beim Lackieren und sollten eigentlich schon zurück sein. Jetzt bin ich es, der Druck hat. Es ist Mittwoch, das Wetter beschissen und die Kiste soll noch fotografiert werden. Schon am Montag wird Yamaha sie abholen und nach Biarritz bringen, wo die Präsentation der insgesamt acht Yard-Built-Bikes im Rahmen des Wheels-and-Waves-Festivals stattfinden wird. 

»Und am Ende, wenn das fertige Bike vor dir steht, sind alle Scherereien vergessen und du freust dich nur noch«

Nervös greife ich zum Telefon und erfahre, dass das Bike noch nicht ganz fertig ist. Dennoch vereinbaren wir für Sonntag ein Shooting auf dem Hockenheimring. Bis dahin sollte auch das Wetter passen. Dann am Freitag die Planänderungen. Marcus kann am Sonntag nicht, ob wir auf Samstag vorziehen können? Shit, schnell umplanen, den Streckenmeister der nordbadischen Rennstrecke anfragen, ob das überhaupt geht.

Die Yamaha wird gerade noch rechtzeitig fertig

Die Zusage kommt prompt, obwohl gerade der Aufbau für ein fettes Konzert begonnen hat. Aber wir brauchen nicht viel Platz. Dafür dürfen wir auf die Rennstrecke, genialer Zug. Endlich eine passende Location, um die umgebaute XSR 700 abzulichten. Noch dazu passt das Wetter, die Sonne knallt vom Himmel, und Wunder, oh Wunder, das Bike ist auch fertig geworden. 

Die Spezialisten des italienischen Herstellers SC-Project lieferten eine maß- gefertigte Auspuffanlage mit kernigem Klang, der den Charakter des Paralleltwins beeindruckend untermalt. Erst recht, wenn man den Einsatz entfernt

Als Marcus die Yamaha aus dem Bus holt, funkelt mich der Lack an. Tiefrot bis orange-golden leuchtet die Farbe. Chiko hat mal wieder ganze Arbeit geleistet. Zusammen mit dem schlichten, klassischen Design der 70er Jahre Yamahas wirkt das extrem gut. Überhaupt ist die XSR ein kleines Schmuckstück geworden. Vergessen die Strapazen, die Scherereien und Abhängigkeiten von Fremdfirmen.

Yamaha XSR 700 Yard Built im natürlichen Habitat

»Es ist, wie ich gesagt habe. Am Ende, wenn das fertige Bike vor dir steht, freust du dich einfach nur noch«, erinnert sich Marcus an seine Worte. Und so ziehen wir ungestört unser Fotoshooting durch. Während am anderen Ende in der Sachskurve die letzten Vorbereitungen fürs Open-Air-Konzert laufen, genießen wir das, wie ein Kollege zu sagen pflegt, natürliche Habitat, in dem sich die XSR jetzt befindet.

Den Serientankdeckel ersetzt Marcus durch ein Fräßteil

Zu gerne würde ich mich jetzt draufsetzen und das Ding durch die Nordkurve brennen. Doch nicht mal Marcus traut sich das. Noch sind wir vor der offiziellen Präsentation. Bloß kein Risiko eingehen und in Übermut verfallen. Meine Aufforderung nach einem Burnout fürs Foto quittiert Marcus mit seinem für ihn inzwischen typischen: »Longaaa, der Motor hat noch null Kilometer, der muss erst eingefahren werden. Nicht, dass das Ding verreckt.« Recht hat er, das wäre oberpeinlich. Nach zwei Stunden verziehen wir uns wieder aus der sengenden Sonne. Alles im Kasten.

Die XSR 700 ist unbeschadet an Frankreichs Südwestküste angekommen

Ortswechsel: Donnerstag, Fronleichnam, bundesweiter Feiertag. In Biarritz empfangen uns tiefhängende Wolken und leichter Nieselregen. Unfassbar, drei Stunden zuvor hatten wir bestes Wetter und fast dreißig Grad. Verkehrte Welt. Dafür ist die XSR 700 unbeschadet an Frankreichs Südwestküste angekommen. Wir fahren mit den Motorrädern von unserer Unterkunft in Bayonne nach Biarritz ins »Village«, wie das Festivalgelände auch genannt wird.

Der Lenker stammt von LSL, das Instrument von Motogadget. Das wirkt alles sehr aufgeräumt

Hier werden am Donnerstagnachmittag erstmals die Yard-Built-Bikes präsentiert. Am Freitag geht es dann rüber nach Spanien, wo das Punks-Peak-Sprintrace stattfindet. Die Yard-Built-Teilnehmer treten mit ihren Umbauten im K.-o.-System gegeneinander an. Ein echter Härtetest, den alle Bikes trotz ihrer nagelneuen Motoren ausnahmslos bestehen.

Yamaha XSR 700 Yard Built – »Karma is a bitch«

Es gibt keine Ausfälle. Marcus kickt im ersten Lauf die Engländer von Down & Out raus. Ausgerechnet. Was hatten wir zuvor mit ihnen noch rumgescherzt, dann aber den Gedanken an so eine zufällige Auslosung verworfen. Doch dann schlägt das Schicksal zu und die englische Yard-Built-Maschine hat beim Sprint das Nachsehen. Doch »Karma is a bitch«. 

Yard-Built-Line-up fürs gemeinsame Foto an der Promenade. Nur die Griechen von Jigsaw Customs fehlen. Anscheinend haben sie sich irgendwo in Biarritz verfahren

Im zweiten Lauf dreht sich alles zu Ungunsten von Marcus und seiner Yamaha. Die Starterin verzögert einen Moment und der Gegner kommt einfach einen Tick schneller weg. Raus im zweiten Lauf. Anyway, ein Riesenspaß vor beeindruckender Kulisse war es trotzdem. Samstag dann endlich keine Termine mehr. Zeit, auch die anderen Yard Builts genauer anzuschauen.

Die Yard-Built-Regeln werden nicht von allen so genau genommen

Es sind tolle Entwürfe darunter, bei denen so mancher grenzwertig erscheint. Die Yard-Built-Regeln werden nicht von allen so genau genommen. Yamaha Europe scheint es auch egal zu sein. Den Besuchern sowieso, die interessieren sich nicht für irgendwelche Regeln. Für die Bikes dafür umso mehr. Yard Built, das ist für Yamaha ein Erfolgskonzept und für die Customizer fast so etwas wie eine Verkaufsgarantie.

Der Herr Customizer völlig relaxed und in bester Laune

Marcus jedenfalls strahlt am Samstagabend über beide Backen. Sein Bike ist bei den Besuchern eingeschlagen. Besonders der knackige Heckumbau zieht Aufmerksamkeit und die Anfragen nach dem markanten Teil häufen sich. Ob er über eine Kleinserie nachdenkt? »Das werde ich jetzt wohl müssen. Hätte nicht gedacht, dass die XSR so gut ankommt.« Vielleicht ist es diese Schlichtheit, die den Reiz ausmacht. Und die Basis gibt es sowieso zum günstigen Kurs. Da bleibt viel Luft für Umbauteile.

Info | Walzwerk Motorcycles | yamaha-motor.eu

 

Christian Heim