Der erste Komplettumbau, zwei Jahre schrauben, unter erschwerten Bedingungen: Sigi Rödl gewann mit seinem Eigenbau-Bike unseren vorletzten CUSTOMBIKE-Wettbewerb und erwies sich als würdiger Sieger.

Dass das Motorrad mit der Startnummer 33 in unserem jährlichen Schrauberwettbewerb ein Wörtchen mitreden würde, war schnell klar. Dabei ist der gelungene Stilmix aus Chopper, Bobber und Cruiser gar nicht so eicht in eine Schublade einzuordnen.  Von Beginn der Voting-Phase an lag der Starrrahmen-Eigenbau durchgehend in den Top Fünf der Lesergunst, an den meisten Tagen sogar ganz vorn – und am Ende eben auch.

Ein Schraubertyp wie du und ich

Als wir Erbauer Sigi schließlich nach Auszählung aller Stimmen telefonisch über seinen Sieg informieren, sind Freude und Stolz hörbar groß. Und wir freuen uns mit. Nicht nur, weil sein Bike ein gutes ist, sondern auch, weil der Mensch dahinter uns überzeugt, wir die Story seines Umbaus mögen und er damit einen echten Schraubertyp wie du und ich repräsentiert.

Der Gooseneck-Starrrahmen kommt von Santee aus den USA, die Springergabel aus Würzburg von W&W. Der Cole-Foster-Tank ist sowieso ungebrochen beliebt

Seit er achtzehn Jahre alt ist, fährt Sigi Motorrad, am liebsten im Enduro- und Crossbereich, viele Bikes hat er besessen. Und trotzdem ist da der langgehegte Wunsch nach einem echten Custombike. Der wird allerdings immer mal wieder auf Eis gelegt – Heirat, Kinder, Hausbau, viele kennen die Gründe, die die Erfüllung eines Traums nach hinten verschieben. Untätig ist Sigi trotzdem nicht, er wälzt Magazine wie unseres, holt sich Anregungen, sammelt Ideen. Und dann ist die Zeit gekommen, endlich loszulegen.

Eigenbau-Bike: »Für die Kohle könnte ich auch komplett selbst bauen«

»Am Anfang wollte ich mir ein fertiges Bike kaufen und umbauen«, erzählt der Mann aus dem bayrischen Katzdorf. »Aber dann habe ich mal zusammengerechnet und kam schnell drauf, dass ich für die Kohle auch komplett selbst bauen könnte.« Sein Wunsch nach einer Harley im Starrrahmen beginnt pragmatisch – mit dem Kauf von Werkzeugen. »Ich hatte ja gar kein zölliges Werkzeug«, erklärt Sigi, dessen erster Komplettumbau gleichzeitig den Einstieg in die Harleyszene bedeutet.

Die hintere Ritzelbremse stammt vom schwedischen Oldschool-Spezialisten Tolle

Das zweite Problem ist ein zeitliches, denn da ist eine Familie mit zwei Kindern sowie der Vollzeitjob als Werkstattleiter in einer Autowerkstatt. Geschraubt wird also nur am Abend oder am Wochenende, vorab, zwei Jahre braucht Sigi so für seinen Umbau. On top kommen logistische Schwierigkeiten, Sigi besitzt keine passende Werkstatt oder Garage für sein Projekt. Also wird kurzerhand der Dachboden seines Hauses zweckentfremdet, »der Postbote hat jedes Mal gestöhnt, vor allem in der Anfangsphase, als ich doch einiges an Teilen bestellt habe«, schmunzelt der 41-Jährige.

Alle Modifikationen wurden im Vorfeld mit dem TÜV besprochen

Trotzdem, von keinem dieser Probleme lässt sich Sigi von seinem Vorhaben abbringen, andere schließt er im Vorfeld aus. So zum Beispiel die Sache mit der Zulassung, denn für ihn ist klar: »Ich baue ein Motorrad, das ich legal fahren werde. Gerade darin besteht doch die Kunst, gute Optik und trotzdem auch Spaß damit haben.« Er bespricht jegliche Änderungen und Modifikationen an seinem Umbau jeweils im Vorfeld mit dem TÜV-Prüfer. Der Prüfer selbst ist oft auf Sigis Dachboden, um auch wirklich alles genau zu überwachen.

Sigi entscheidet sich bei seinem Bobber für Big-Spoke-Räder und nimmt aufwendiges Speichenputzen damit in Kauf

»Das mag zuweilen etwas stressig sein, aber es hat mir sehr geholfen. So gab es erst gar keine umsonst gemachten Arbeiten oder unsinnige Lösungen«, erklärt der Schrauber, der sich auch von anderen Seiten gerne Tipps einholte. Von einem Harley-Schrauber aus dem Nachbarort, bei dem er auch viele seiner Teile bestellt, bekommt er konkrete Ratschläge, wie er seinen Umbau angehen und einzelne Probleme lösen kann. Zeichnungen und Ähnliches seines Projektes macht er im Vorfeld nicht, eine klare Vorstellung hat er dagegen im Kopf, »und dann hab ich einfach losgelegt«, erklärt er rückblickend.

Eigenbau-Bike: Bloßes Dranschrauben gibt es bei Sigi nicht

Zu seinen Vorstellungen gehören bestimmte Teile, die er auf jeden Fall verwenden will. Der Gooseneck-Starrrahmen von Santee in Verbindung mit einem dicken 113-cui-Harleyklon von S&S, eine Springergabel, Big-Spoke-Räder oder der immer wieder schöne Cole-Foster-Tank – nur einige der Teile, die Sigi verwendet. Bloßes Dranschrauben gibt es bei ihm trotzdem nicht. Sämtliche Buchsen, Achsen und Abstandshalter dreht und fräst er eigenhändig.

Den Öltank baut Sigi selbst, die »77« darauf verrät das eigene Baujahr

Auch Fender, Öltank, die gelaserte Beltabdeckung oder der Batteriehalter entstehen im wahrsten Sinne des Wortes unter dem Dach von Sigis Eigenheim. Mit viel Geschmack und Geschick setzt er so aus Kaufteilen und Eigenbauten sein Traummotorrad zusammen, »schlussendlich habe ich mich beim Bau leiten lassen, eines kam zum anderen und am Ende zu dem Ergebnis, das ihr jetzt seht.« Ein Finish in Braun und Elfenbeinweiß beendet 24 Monate Schrauberglück.

Das fertige Motorrad wird per Kran aus dem Haus befördert

Damit unendliches Fahrglück folgt, müssen nur noch zwei Hürden genommen werden. Zum einen muss das fertige Eigenbau-Bike irgendwie runter vom Dachboden. Zum Glück hat ein Freund von Sigi ein Abschleppunternehmen. Er hilft aus und befördert das fertige Motorrad per Kran aus dem Haus ans Licht. Die zweite Hürde, die Zulassung, nimmt Sigi aufgrund seiner Bemühungen auch beinahe im Vorbeigehen.

Alle Arbeiten am Motorrad spricht Sigi im Vorfeld mit seinem TÜV-Prüfer ab, mehrmals ist dieser in der Umbauphase beim Schrauber zu Gast. Unsinnige oder umsonst gemachte Arbeiten entfallen so, die begehrte Zu-lassung gibt es ohne Probleme

Da er bei der Kombination aus Zubehörmotor und -rahmen als Fahrzeughersteller im Brief stehen wird, wäre ein passender Name noch schön. Und weil »Katzdorf Cycles« irgendwie nicht ganz geil klingt, wird daraus schnell »Cat Village Choppers«. Unter diesem Namen darf Sigis Kiste auf die Straße und direkt in unseren Wettbewerb. 845 Punkte gibt es von unseren Lesern für das Eigenbau-Bike – verdienter Sieg!

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.