Der Herbst steht vor der Tür – Zeit, sich demnächst mal wieder vor dem Fernseher lang zu machen und einen Chopper-Streifen reinzuziehen. Zum Beispiel »Ride on – The Movie« aus Italien. Ihr Hauptprotagonist allein wäre einige Storys wert und ein Blick hinter die Kulissen lohnt.

Zwei Prozent – diese Zahlenangabe hat sich inzwischen zu einem Begriff, vor allem in der Chopperszene, entwickelt. Wenn sie stimmt, dann bauen und fahren eben nur jene zwei Prozent, also sehr wenige Motorradfahrer, ihre eigenen Custombikes.

Auf allen Kontinenten haben sich Gleichgesinnte gefunden

Allerdings ist diese »Randgruppe, vor allem begünstigt durch die diversen sozialen Medien, weltweit vernetzt und für Interessierte weitaus transparenter geworden, als noch vor einigen Jahren, wo im stillen Kämmerlein und ohne große Aufmerksamkeit geschraubt wurde. Auf allen Kontinenten haben sich nun Gleichgesinnte gefunden und gehen gemeinsam ihrer Leidenschaft nach. Darunter viele kreative Menschen, die ihre Ideen in den verschiedensten Bereichen ausleben. Künstler aller Disziplinen, Handwerker, Fotografen und eben auch Filmemacher.

Luca Mazza heißt der unabhängige, italienische Filmemacher, der »Ride on« auf den Weg brachte. Zehn Jahre lang begleitete er dafür den Customizer Frankino Chop Works mit seiner Kamera

So erscheinen gelegentlich dokumentarische Filme oder Videos, die über die sozialen Medien oder Streaming-Dienste kurzzeitig in der Zielgruppe verbreitet werden. Aber leider sind das selten europäische Produktionen und allzu häufig bestehen sie nur aus schnell gestrickten Momentaufnahmen. Nur wenige Filme heben sich davon ab und haben durch ihren Stil und Qualität die notwendigen Eigenschaften, um langfristig auch ein größeres Publikum zu unterhalten. Umso erstaunlicher, wenn eine solch seltene Ausnahme ausgerechnet aus Italien kommt, das nicht direkt als Wiege europäischer Chopperkultur bekannt ist. 

Die Bikes sind geprägt durch die Faszination für die 60er und 70er Jahre

Der unabhängige Filmemacher Luca Mazza hat über die letzten zehn Jahre den italienischen Bikebuilder Francesco Torredimare, besser bekannt als Frankino Chopworks, mit der Kamera begleitet und so eine einmalige Dokumentation geschaffen. Sein Filmmaterial, ergänzt durch ältere Aufnahmen, bildet den Grundstein von »Ride on – The Movie«. Frankinos außergewöhnliche Motorräder sind geprägt durch seine Faszination für die 60er und 70er Jahre.

Foto: Andrea Mazzon

Und jedes dieser Motorräder bekommt im Film seine eigene Geschichte, seine eigene Reise und, was wir besonders gelungen finden, seinen eigenen Soundtrack. Dazu führt die Doku den Zuschauer nicht nur durch »Motor City Torino«, die Heimat von Frankino, sondern auch durch den Rest Italiens, durch Europa und bis nach Japan. Gastauftritte von Freunden aus den USA, wie dem Deathtraps MC, oder aus Australien, wie die Ruiners, zeugen vom Zusammengehörigkeitsgefühl der weltweiten Chopper-Gemeinschaft.

Empfehlenswert: Ride On – The Movie

Ein anderer langjähriger Wegbegleiter von Frankino und Luca hat dazu beigetragen die verschiedenen Elemente des Films in ganz besonderer Weise miteinander zu verbinden. Der hauptberufliche Illustrator Giampo Coppa gilt zu Recht als der Kurator der psychedelischen Kunst der 60er Jahre und des B-Movie-Genres.

Dokumentarfilme wie »Ride on« gab es seit dem Erfolg von »Choppertown« einige. Den hier finden wir aus zwei Gründen spannend. Zum einen weil ein langer Zeitraum abgedeckt wird, zum anderen weil jedes Bike im Film seinen eigenen Soundtrack hat. Und psychedelische B-Movies sind sowieso was ziemlich Geiles

Sein Alter Ego Bafantu überrascht mit bizarren Szenen, kaleidoskopischen Farben und Träumen, die in Erfüllung gehen. Und ja, die Dialoge im Film sind vorwiegend in italienischer Sprache, unterlegt mit englischen Untertiteln. Und nein, das ist kein Hindernis, denn eine »Randgruppe« versteht sich trotz sprachlicher Hürden. Choppertalk ist schon immer international. Anschauen!

Info |  rideonthemovie.com

Zur Person Frankino Chop Works

Frankino Chop Works stammt aus einer Handwerkerfamilie, die bereits seit Generationen in der Metallbearbeitung tätig ist. Schon als Kind gings ran an die Materie, er lernte von der Pike auf und sollte die Tradition der seiner Familie fortführen. Es kam anders. Als Jugendlicher entdeckte Frankino seine Leidenschaft für Motorräder. Und wie viele von uns, erfuhr er durch einschlägige Filme und Magazine, welche Welt sich öffnet, wenn man die festgefahrenen Wege verlässt.

Alles, was ihm unter die Finger kam, wurde umgebaut

Alles, was ihm unter die Finger kam, wurde umgebaut. Zu Beginn nur für sich selbst und Freunde. Aber die Anerkennung für seine Arbeit kam schnell und er eröffnete seine erste »Schrauberbude«. Seine Familie war davon zunächst gar nicht begeistert, aber heute ist Vater Pasquale der wichtigste Helfer bei der Produktion der handgefertigten Teile, die bei »Chopworks« im Turiner Vorort Chivasso in Kleinserien produziert werden. Neben der Teileproduktion baut Frankino hier genauso spektakuläre Custombikes, wie er sich auch um kleinere Umbauten kümmert oder Brot-und-Butter-Service anbietet.

Foto: Leah Arwen

Inzwischen haben nicht nur seine traditionellen Chopper international große Aufmerksamkeit bekommen. Auch der äußerst gelungene Umbau im Auftrag von Moto Guzzi oder die Triumph-Customs »Strychnine« und »Golden Pagan« beweisen die unbegrenzten Möglichkeiten und die hohe Qualität, für die sein Name nicht nur in Italien steht.

Info |  chopworks.it

 

 

Lutz Tiemann