Kurz bevor der böse Virus die ganze Welt in die Knie zwang, wurde in Daytona Beach noch mal kräftig am Hahn gezogen. Die 79. Bike Week war ein ziemliches Brett: Volle Hütte, bestes Wetter und Biker in blendender Feierlaune. Gegen die Januar-Tristesse, hier nochmal ein Blick auf die letzte große Zusammenkunft der Motorradgemeinde.

Große Federn lassen musste die Bike Week nicht: Die Daytona 200 und das Flat-Track-Rennen sind ausgefallen. Indian hat Mitte der zweiten Woche sein Personal vom Stand in der Main Street abgezogen – das war’s auch schon. Ansonsten war Covid-19 kein Thema, im Gegenteil: Auf der diesjährigen Bike Week war die Hölle los, kein Vergleich zu den eher mauen Vorjahren.

Das Motto: Jetzt nochmal schnell raus und zeigen was man hat

In die Hölle wollten uns auch die beiden Irren auf der Main Street schicken. Sie buckeln einen Schilderturm, der wenig dezent darauf hinweist, dass bald Judgement Day sei und dann Gott über uns richten werde. Die Botschaft wird natürlich per Megafon aufs uninteressierte Bikervolk niedergebrüllt. Es geht dennoch komplett unter, nach Erlösung steht hier gerade keinem der Sinn.

Die Soundkulisse in der Main Street ist kaum auszuhalten

Die Harleys bollern wie blöd, die Langschwingen-Hayabusen röhren sich einen ab, jeder zweite Bagger sorgt noch für zusätzliche High-End-Beschallung, während in den Saloons die Coverbands Vollgas geben. Sweet Home Alabama versus Snoop Dog.

Endlich bleibt die Main Street während der Bike Week für Autos gesperrt und nicht nur wie bisher am ersten Wochenende

Wo wir gerade bei nerviger Scheiße sind: Was sollen diese Armaden aus Dreirädern auf der Bike Week? So viel Gebrechlichkeit kann es auf der ganzen Welt nicht geben, dass es dieses scheinbar unaufhörlich steigende Aufkommen an Trikes erklären könnte. Auch Leute, die das Gleichgewicht eigentlich noch halten können müssten, fahren offensichtlich freiwillig mit Stützrädern.

Am Schlimmsten sind diese Sling­shots mit einem Rad hinten und Autoachse vorn: Sehen aus wie ein Raumschiff aus einer Zeit, die niemals kommen wird. Verkaufen sich aber wie blöd. Immerhin verdient der Polaris-Konzern damit richtig Asche und kann sich so sein Motorradhobby leisten und schön fett in Indian investieren. Schon beeindruckend, wie sich die Marke in den paar Jahren seit dem Comeback etabliert hat. Kaum eine Bikerhood, in der nicht ein oder zwei Chiefs oder Scouts am Start sind.

BMW will demnächst mitspielen in Easy-Rider-Liga

Geht es nach BMW, wird sich da demnächst auch reichlich Big-Boxer-Wummern hinzugesellen. Mit ihrer neuen Cruiser-Linie wollen die Bayern ganz groß bei der Easy-Rider-Fraktion aufschlagen. Zur Einstimmung haben sie das aktuelle Concept-Bike auf einen alten Dodge-Pick-up geschnallt und kommentarlos an diverse Hot-Spots gestellt. Gelungene Aktion, die Mühle ist im Gespräch …

BMW hat sein R-18-Conceptbike huckepack auf einem alten Dodge-Pick-up vor der Werkstatt von Bling’s Cycles geparkt, wo am Abend fett Party ist

Apropos Trends: Der Clubstyle ist unübersehbar weiter auf dem Vormarsch und die Bagger-Mania hält an. Gerade sind wir bei 34-Zoll-Vorderrädern angekommen, zusätzlich geht es vorn jetzt auch in die Breite. Ein 180er darf gerne in der Forke klemmen. Die Vielfalt an Frontverkleidungen und spacigen Koffer-Topcase-Kombinationen scheint unermesslich. Das Ganze natürlich gerne mit einer ordentlichen Lightshow mit (farbigem) LED-Laser-Hastenichtgesehen-Licht kombiniert. Wem’s gefällt.

Wer kein Main-Street-Typ ist fährt einfach auf ein Event ins Umland

Wem’s nicht gefällt, der macht sich auf in Richtung Tomoka Farms zum Swap Meet. Dort gibt’s alles für Panheads, Shovels und Evos und es lässt sich stundenlang in alten Brocken stöbern, wenn einem der Bike-Week-Troubel auf den Sack geht.

Oder man besucht eines der unzählige Nester im Umkreis von gut hundert Kilometern, die mit Bikeshows, Swap Meets und »Special-Events« um das erlebnishungrige Bikervolk buhlen. Allen gemein sind vollmundigste Ankündigungen, vieles ist aber auch reichlich erbärmlich.

Einzige Ausnahme ist Willie’s Oldschool-Show, die er dieses Jahr in Chopper Time umbenannt hat. Damit ja keiner auf die Idee kommt, seinen Baggerhaufen anzukarren

Aber egal, Spaß haben kann man in Daytona so oder so reichlich und die diesjährige Week wird vielen lange in Erinnerung bleiben. Vielleicht auch, weil es für unbestimmte Zeit die letzte unbeschwerte Moped-Sause im Big-Twin-Format war. Also dann, hoffentlich bis zum Achzigsten im nächsten Jahr: 5. bis 14. März 2021.



Carsten Heil, hat die typische Zweiradkarriere der 80er-Jahre-Jugend durchgemacht: Kreidler Flory (5,3 PS), 80er-Yamaha DT und mit achtzehn dann die erste 250er Honda. Nach unzähligen Japanern über Moto Guzzi ist er dann schließlich bei Rohrrahmen-Buell gelandet. Seit 1992 mit Fotoapparat und Schreibgerät in Sachen Kradkultur unterwegs.