Wem die CUSTOMBIKE-SHOW in Bad Salzuflen zu nah ist, der kann am ersten Dezemberwochenende auch nach Japan reisen. Denn dann ruft Shige Suganuma, Chef der Traditionsfirma Mooneyes, zur Hot Rod & Custom Show nach Yokohama. Wie’s dort so ist? Fragen wir den Kölner Pinstriper und Tätowierer Maze, der von seiner ersten Reise nach Japan berichtet.

Wir sind immer ein bisschen traurig, wenn im Pacifico in Yokohama am ersten Sonntag im Dezember die Mooneyes Hot Rod- und Customshow steigt. Zu gerne wären wir einmal dabei, immerhin ist die Show eine der wichtigsten Car-Shows und Custom-Messen der Welt.

Yokohama Custom Show – XXXXXXXXXX

Blöd eben nur, dass hier in Deutschland jedes Jahr zum exakt gleichen Termin die CUSTOMBIKE-Show stattfindet und uns der Trip nach Japan damit verwehrt bleibt. Aber weil wir für euch natürlich trotzdem berichten wollen, hatten wir den deutschen Künstler, Pinstriper und Tätowierer Mathias Wagner aka Maze nach Yokohama geschickt. Hier sein Bericht …

Alberto (rechts) ist Mitglied der italienischen Sinners und Betreiber des Moon Eyes Cafés in Jesolo

Mooneyes wurde im Jahre 1950 von Dean Moon in Santa Fe in Kalifornien gegründet. Moon war ein Pionier der Hotrod- und Racing-Szene jener Jahre. Seine Firma spezialisierte sich auf Speedequipment und Teile, ähnlich dem bekannten So-Cal Speedshop. Und beide Firmen rannten mit großem Erfolg auf den Dragstrips und Salzseen rund um Los Angeles.

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Die wohl bekanntesten Parts, die Mooneyes produzierte, waren Aluminiumtanks und sehr spezielle aerodynamische Radkappen, auch Moon Discs genannt. Beides ist noch heute im Sortiment. Doch wie viele andere wurde Mooneyes eingeholt, von der Moderne mit ihren Bikes und Autos und neuen Customdesigns, bei denen die »alten« Parts kaum eine Rolle spielten.

Hauptsache alter Stil: Eine Yamaha XS oder SR funktioniert als Boardtracker genauso wie als 70er-Jahre-Sargtank-Chopper

Gegen Ende der 80er Jahre stand Mooneyes kurz vor dem Konkurs. Shige Suganuma, langjähriger Händler von Moon-Produkten in Japan, übernahm das Geschäft in den USA. Der Konkurs wurde abgewendet, Mooneyes erlebte einen neuen Höhenflug, auch weil Shige einen genialen Schachzug gespielt hatte. Als Rechteinhaber an Ed »Big Daddy« Roths Figur Rat Fink kann er auch ein erfolgreiches Merchandise-Unternehmen führen.

Kultursonntag – XXXXXXXXXX

Einmal im Jahr bringt dieser Mann nun also alle zusammen – renommierte Händler, Customizer, Pinstriper und Lowbrow-Künstler, allesamt aus dem traditionellen Old School-Bereich. Die Show dauert gerade mal einen Sonntag lang, 30.000 Besucher versammeln sich dann in der Halle, die in Yokohama direkt am Pazifik liegt.

Gene Winfield (links) ist eine amerikanische CustomCar-Legende

Unser Hotel liegt nicht weit davon entfernt, von meinem Fenster kann ich aufs Meer schauen. Ich bin mit Freunden aus Deutschland ein paar Tage vor der großen Show angereist, um alles mitzunehmen, was geht. Ich bin zum ersten Mal in Japan und furchtbar gespannt.

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Was Shige hier jährlich zusammentrommelt ist immerhin auch Ursprung meiner Kunst und Kultur. Am Samstag ist es so weit, wir treffen uns mit einer illustren Gesellschaft – darunter Shige persönlich, Nash (Burnout Magazine), Dan Collins (Old Gold Garage), Alberto von den italienischen Sinners, die japanischen Pinstriper, die amerikanischen Lowbrow-Künstler Max Grundy und Keith Weesner, Old-School-Ikone Cole Foster und die Schweden rund um LeBeef Metalworks – und dürfen das erste Mal das Pacifico betreten.

im »Play Shopan« wird auf Volkfest-Niveau gesungen

Es ist ein Flash, ein Overkill sondergleichen, als mir schlagartig bewusst wird, wie hoch die Messlatte an Cars und Bikes in dieser Halle ist. Von klassischen Hot-Rod-Roadstern, luftgekühlten VWs, abgefahrenen Kustom-Vans im Stil der 70er, Lowrider-Car Clubs bis hin zur schier unaufhörlichen Masse an umgebauten Bikes ist alles dabei.

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Old-School-Panheads, Shovels, Knuckles, Sporties und Bratstyle-Umbauten wohin ich schaue. Ich bin an einem Ort, der Kustom-Kultur lebt – Wahnsinn! Starrrahmen, Doppelscheinwerfer, für mich besonders interessant die Metalflake-Candy-Effektlacke, dazu baumhohe Sissybars und handgefertigte Details, nahezu jedes Bike wäre eine Cover-Story wert.

Stilbrüche ohne Worte: Alutank, Glimmerlack, Stufensitzbank und BMX-Griffe am Schmallenker vereint mit dem Zweitakter des 80er-Jahre-Albtraums Honda MB 8

Der Trend hier geht eindeutig weg vom klassischen Bobber-Umbau und zeigt stattdessen 70er-Jahre-Chopper-Kultur in Reinform. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die Japaner – und das ist wohl so üblich – immer noch eine Schippe drauf packen.

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Sie haben die Kustom-Kulture zwar aus anderen Ländern adaptiert, setzen ihr aber uneingeschränkt die Krone des Höher, Weiter, Mehr auf und katapultieren sich in eine Liga, in die selbst ich kaum folgen kann. Also geh ich lieber einkaufen.

»der feste Vorsatz steht: Ich werde nach Yokohama zurückkehren«

Würde ich auf »Heulender-Wolf-Bikerkram« stehen, hätte ich jetzt ein Problem. Tue ich aber nicht, und so wird das Pacifico für mich zum Yen- beziehungsweise Euro-Grab. Neben den Stücken der Pinstriper- und Lowbrow-Artisten ist vor allem die Qualität der kleinen Messestände jeden Blick wert.

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Obwohl die Messe auf eine große Besucherzahl ausgerichtet ist, punkten die Händler nicht mit Schnickschnack, sondern ausschließlich mit Individualität: Vintage-Mode, Lederjacken, T-Shirts und Handgemachtes – mit vollen Tüten schleppe ich mich später zurück ins Hotel. Bereit für das nächste ultimative Abenteuer: Karaoke!

Die größte Ehre für einen Tätowierer wie Maze: Ein Tigerkopf von Tattoo-Legende Horiyoshi III ziert fortan den Arm des Kölners (unten)

Wir treffen uns auf Nashs Einladung in der »Play Shopan«-Karaokebar. Es gibt jede Menge Bier und Frittiertes und es wird gesungen. Dan Collins und Keith Weesner beweisen sich als glänzende Performer diverser Rock-Klassiker.

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Und spätestens wenn sich die Insider der Kustom Kulture-Szene in den Armen liegen und »We are the World« anstimmen, mag das skurril aussehen. Ist aber ehrlich gesagt ziemlich geil gewesen. Auf geht’s zur nächsten Party, das Independent-Magazin »DiCE« hat geladen, hier ist es schon muffiger als in der Karaoke-Hölle.

Yokohama Custom Show

Nicht nur, dass DiCE-Gründer Dean Micetich mit seiner Band »The Black Tibetans« anständig auffährt. Nein, auch ein Nacktauftritt meinerseits sorgt für angenehmes Gelächter und einen Skandal am Rande der Kustom Show – einen ganz kleinen nur, keine Angst. Ich muss ins Bett, aber die Party war super.

Bier und BBQ, dickes Japan

Der Sonntag zieht an mir vorbei, ich genieße wie alle Besucher die Show, freue mich immer wieder über die Gastfreundschaft, die uns hier entgegengebracht wird. Ein Familientreffen kann kaum schöner sein, und Yokohama ist ja eigentlich auch nichts anderes als genau das.

Yokohama Custom Show

Montags lädt Shige uns ins Moon Café ein, einer Art Diner im Style seiner Firma, mit nebenstehendem Verkaufsraum. Es gibt wieder Bier und Barbecue, Japan macht dick. Alle können sich hier nochmal austauschen, das Erlebte verarbeiten.

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Und dann ein ganz besonderer Moment. Ich erstarre ehrfürchtig, alle anderen auch. Gene Winfield ist eine amerikanische Customizing-Legende – für Autos wohlgemerkt. Und er ist hier, in Yokohama, im selben Café wie ich. Ich darf ihm die Hand schütteln, ich bin im Himmel.

Yokohama Custom Show

Die Veranstaltung wird offiziell mit einem Gruppenbild beendet. Grüppchenweise ziehen wir davon in die Bars der Stadt, um den Ausklang der diesjährigen Show anständig zu begießen und den ein oder anderen »Salamander zu reiben«.

Unter die Haut

Doch der Trip unserer kleinen deutschen Gruppe ist noch nicht vorbei. Denn wenn ich schonmal hier bin, dann will ich auch einen Künstlerkollegen der außergewöhnlichen Art treffen. Und so kommen wir auf die glorreiche Idee, Tattoolegende Horiyoshi III aufzusuchen.

Yokohama Custom Show

Es gestaltet sich ganz schön umständlich, den ansässigen Taxifahrern – des Englischen kaum mächtig – unser Anliegen mitzuteilen. Mit Händen und Füßen können wir uns letztlich irgendwie verständlich machen und nach einiger Suche tatsächlich an des Meisters entlegener Hinterhof-Adresse anklopfen.

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Es erstaunt uns, dass der Mann relativ allürenfrei ist und uns fragt, ob wir nicht auch gerne von ihm tätowiert werden wollen. Eine Chance, die sich nur Idioten entgehen lassen würden. Und so verlassen wir, je um einen klassischen Tigerkopf reicher, die legendäre Adresse.

Yokohama Custom Show

Der anschließende Besuch des nicht weniger verwinkelten Tattoo-Museums und dessen über Jahrzehnte gesammelten Ausstellungsstücke versetzt mich bis heute in wohlige Verzückung. Zum Abschluss besorgen wir es uns dann nochmal richtig.

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Bevor der Flieger Richtung Deutschland abhebt, stürzen wir uns für einen weiteren Shopping-Trip ins Herz von Tokyo. Es ist der krönende Abschluss meiner Reise, die mit dem festen Vorsatz endet, immer wieder zur Customshow nach Yokohama zurückzukehren. Go with Moon!«

Info |  www.yokohamahotrodcustomshow.com

 

Mathias Wagner