Name: Richard Pollock, Alter: 69 Jahre, Beruf: Luft- und Raumfahrtingenieur, Nebenjob: Motorräder besser machen, Schauplatz: eine amerikanische Normgarage, Heimat von Mule Motorcycles.

Wer von Los Angeles nach San Diego fährt, kommt an einer Airbase vorbei. Meilenlang, direkt am Meer, von Stacheldraht umgeben. Staatsgeheimnisse werden hier gehütet, an Kriegsgerät gearbeitet, Killermaschinen, die aus der Luft kommen. Nicht schön, aber Tatsache. Richard Pollock kennt sich hier aus. Der Luft- und Raumfahrtingenieur arbeitet im Bereich Drohnentechnik, viel mehr darf er über seinen Job nicht sagen.

Über 200 Motorräder hat Richard Pollock umgebaut

»Aber er bringt gutes Geld, deshalb arbeite ich ja auch noch«, immerhin so viel von einem Mann, der 69 Jahre alt ist und keinen Gedanken ans Aufhören verschwendet, nicht in seinem Beruf und schon gar nicht, wenn es um Motorräder geht. Über zweihundert Motorräder hat Richard Pollock in seinem Leben umgebaut, in seiner nicht mal einhundert Quadratmeter großen Garage findet dieses Lebenswerk seinen Platz.

Wie in den USA üblich sind Garage und Wohnhaus direkt verbunden. Wer durch die weiße Tür tritt, landet in einem Leben, das Motorrädern gewidmet ist

Es ist ein Viertel, wie es amerikanischer nicht sein könnte. Jeder Grashalm in den Vorgärten auf selber Höhe, die amerikanischen Flaggen gehisst, eine der guten Gegenden. Hier, in einem kleinen Ort fünfundzwanzig Meilen nördlich von San Diego, ist die Welt sehr in Ordnung. Und wer durch die weiße Garagentür von Haus Nummer 13360 tritt, dem offenbart sich ein Leben für Motorräder. Drei schlichte Holzbühnen stehen in der Mitte des Raumes, auf jeder ein Projekt, an dem einen nur noch ein paar Kleinigkeiten zu machen, eines halbfertig, das dritte im absoluten Rohbau.

Mule Motorcycles – Zeichnungen überfluten die Werktische

An den Wänden der Garage Werkbänke und Regale bis unter die Decke, fein säuberlich beschriftet, alle möglichen Teile lagern hier, Zeichnungen und Ideen überfluten die Werktische, »ich mach mir für alles Zeichnungen«, erklärt Richard. Kaum Zeit sich umzuschauen, schon zieht uns Richard zum Hinterausgang seiner Garage wieder hinaus, »da hinten ist noch mehr.« Zwei weitere Räume hat er sich hinterm Haus geschaffen, »dafür hat meine Frau halt keinen Garten«, zuckt er mit den Schultern. In diesen Nebenräumen lagert er weitere Bikes und Teile, an den Wänden hängen Startnummerntafeln.

Mit Harleys Sportster fing die Custom-Karriere Pollocks in den Achtzigern an

Seit vierzig Jahren fährt Richard Flat-Track-Rennen, nimmermüde an beinahe jedem Wochenende, »meine große Leidenschaft.« Das Hobby erklärt auch seine Herangehensweise an Motorräder. »Im Prinzip bin ich kein Customizer«, mächtig tiefgestapelt für einen, der als einer der besten des Faches gilt, wenn auch eher unbeachtet in Zeiten von medialem Hype um die jungen Wilden der Szene. Aber wenn kein Customizer, was dann?

Mule Motorcycles – Motorräder besser machen

»Ich mache Motorräder nicht anders, sondern nur besser«, erklärt Richard. Einfachheit ist sein Faible, Leichtigkeit dazu und technisch höchste Performance, sowohl was Motoren angeht, aber eben auch in Sachen Fahrwerk oder Bremsverhalten – die Parallele zum Rennsport, hier wird sie deutlich. Street-Tracker nennt Richard das, was er aus Serienbikes entstehen lässt, bevorzugt auf Basis von Triumph-Modellen.

Der Anbau eines größeren Schuppens hinterm Haus bietet zusätzlichen Platz für Teile und Projekte

Angefangen hatte allerdings alles mit einer Harley. 1994 kam ein Freund zu ihm, wollte ein paar Änderungen an seiner brandneuen Sportster. Das fertige Bike bekam viel Aufmerksamkeit. Plötzlich riefen die Leute an, Richard soll aus ihren Serienkisten Custombikes bauen. Es ist die Geburtsstunde von »Mule Motorcycles«, wie sein Nebengewerbe bis heute heißt. Nach den Harleys beschäftigte er sich viel mit Yamahas, beide Hersteller finden auch heute noch Platz in Richards Garage, aber die Triumph-Vergaser-Modelle der Baujahre 2001 bis 2007, »die sind die besten Basisbikes für meine Vorstellung von perfekten Motorrädern.«

»Die Pläne für Bauteile entstehen in meinem Kopf«

Und so stapeln sich vor allem Teile für sie in der Mule-Garage, teilweise als fertige Bausätze, aber auch in Formen aus Holz und anderen Materialien. Richard erklärt: »Ich nutze keine CAD-Techniken, Pläne für Bauteile entstehen in meinem Kopf, dann zeichne ich, verwerfe vieles wieder, zeichne neu. Am Ende habe ich einen Bauplan, aus dem ich eine dreidimensionale Grundform baue. Erst damit erfolgen dann die Aufträge an Fachbetriebe, die alles nach Richards Plänen anfertigen. »Das könnte ich auch gar nicht selbst leisten, ich hab nicht mal den Platz für die benötigten Maschinen«, blickt er sich in seiner vollgestopften Garage um.

Drei Hebebühnen in der kleinen Werkstatt, alle immer belegt. Dazu einen Kopf dauerhaft voll mit neuen Projekten – eigentlich zu viel für ein Leben

»An zwanzig bis dreißig Motorrädern arbeitet mein Kopf manchmal parallel«, erklärt Pollock. Aufhören will er damit nicht. »Ich habe noch so viel vor und so viele Ideen«, spricht er zu uns runter, während er breitbeinig auf einer seiner Werkbänke steht und für uns unter der Garagendecke nach Schätzen wühlt, die er unbedingt zeigen möchte. »Immerhin, ich weiß genau, wo hier alles ist, trotz des wenigen Platzes.« Ein Vorteil, wenn man einer der Perfektionisten unter den Motorradbauern ist.

Info |  mulemotorcycles.net

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.