Vier Arbeitskollegen, die das selbe Hobby teilen. Gibt’s nicht? Doch, gibt’s – in der Deep Valley Garageim Schweizer Kanton Aargau.

Ein Deutscher, drei Eidgenossen, Hausherren der Deep Valley Garage, alle angestellt bei der »Schindler Aufzüge AG« und alle sowas von angefressen vom Thema Motorrad. Und weil das alles so passend ist, gründen die vier flugs eine kleine Garagengemeinschaft und schrauben glücklich bis in alle Tage. Nun, ganz so einfach war das natürlich nicht, deshalb etwas ausführlicher. Rouven ist Deutscher, lebt aber seit vielen Jahren in der Schweiz, des Jobs wegen hat er sich einst fürs Auswandern entschieden.

Ein tiefenenspannter Vermieter

Das mit den Motorrädern, das konnte er auch nach seinem Umzug nicht lassen. Weil keine eigene Werkstatt vorhanden war, schraubte er in seiner Tiefgarage, illegal und oft genug im diffusen Licht einer Handlampe. Absolut kein Dauerzustand und zum Glück findet Rouven einen, der mit ihm das Abenteuer »eigene Garage« angehen will. Marco ist ein Arbeitskollege, genauso motorradverrückt wie der Deutsche. Was man sich in der Folge einfach vorstellt – hey, wir suchen uns eine Garage und ziehen ein –, ist es natürlich nicht.

Irgendwann hing da eine mexikanische, später kam die US-Flagge dazu. Wichtiges Detail, der Grenzzaun – da sind die Jungs schon weiter als Donald

Denn erstens steht im Züricher Umland nicht allzu viel Mietbares zur Verfügung und zweitens ist es schlicht schweineteuer, wie so vieles in der Schweiz. Abgesehen davon machen die zwei Jungs nicht den besten Eindruck auf potenzielle Vermieter, wenn sie auf ihren alten, scheppernden Harleys zu Besichtigungsterminen vorfahren. Doch irgendwann ist das Glück mit ihnen, irgendwo im Nirgendwo finden sie das passende Objekt und einen tiefenentspannten Vermieter.

Deep Valley Garage – Mittlerweile zu viert

In einer Art Mehrzweckhaus aus Wohnungen und Lagerräumen steht ein großer Raum mit rund zweihundert Quadratmetern zur Verfügung, die auf zwei Ebenen verteilt sind – vollgemüllt bis unters Dach. »Ein Maler und Lackierer hatte das vorher genutzt«, erzählt Rouven, »seine Altlasten waren überall.« Die Jungs mieten trotzdem, achthundert Franken im Monat sind für Schweizer Verhältnisse fast ein Schnäppchen. Ein dritter Mann wäre trotzdem irgendwie nicht schlecht, sinnieren die beiden Jungs, fündig werden sie beim eigenen Arbeitgeber.

Die Yamaha XT ist fertig, die Bonneville im Hintergrund bekommt ein gekürztes Heck – insgesamt zwölf Motorräder nennen die Jungs ihr Eigen

Roger kommt dazu und hat einen zweiten Roger mit im Handgepäck. Um beide nicht zu verwechseln, haben sie ihre Spitznamen Rögu und Rosché schon lange weg. Ab sofort ist das Team also zu viert, es kann endlich richtig losgehen. Obwohl alle vier bei derselben Firma angestellt sind, gehen sie sich aber nicht vierundzwanzig Stunden täglich auf den Sack. »Wir arbeiten alle an verschiedenen Standorten und in verschiedenen Bereichen, da passt das schon«, erklärt Rouven.

Gemeinschaftsort

Als erstes Projekt in der noch ziemlich leeren Werkstatt entsteht ein Sportster-Umbau, wobei, auf Marken festgelegt sind die Deep-Valley-Jungs nicht. Insgesamt zwölf Bikes nennen sie ihr Eigen, in einem rotierenden System kommen sie in die Garage, je nachdem, welche Kiste gerade Zuwendung benötigt. Diverse Harleys, ein paar Triumphs, dazu Yamahas und KTM – zu tun ist immer irgendwas.

Viele Arbeiten machen die Deep-Valley-Freunde selbst, nur bei Metallarbeiten sind Limits gesetzt, eine Drehbank haben sie nicht

Auch andere Jungs mit Schrauberbedarf sind immer willkommen. Als Gegenleistung für den warmen Bastelplatz willigen sie ein, konstant von den vier Garagenhütern veräppelt zu werden. Spaß am Schrauben wird groß geschrieben, auch wenn die Werkzeuge gelegentlich den Bierbänken Platz machen müssen, weil die Jungs mal wieder zum gemütlichen Garagentalk geladen haben.

Deep Valley Garage – Migrationshilfe

Parallel mit dem Fuhrpark und den Leuten, die sich hier tummeln, wächst auch die Werkstatt. Eine feste Hebebühne haben die Männer, zwei kleine, tragbare außerdem. Dazu zahlreiches anderes Gerät. »Nur bei Metallarbeiten sind wir limitiert«, erzählen sie. Eine Drehbank oder Ähnliches würde den Platzrahmen sprengen, »in solchen Fällen machen wir nur die notwendigen Vorarbeiten und geben das dann zu Fachbetrieben.« Auf der unteren Ebene der Werkstatt wird geschraubt, auf der oberen ist mit der Sofaecke der gemütliche Part. Dahinter gibt es weiteren Lagerraum und – wichtig – die Toilette. 

Vorn eine fertige Yamaha XT, die Bonneville wartet noch aufs kürzere Heck

Tatsächlich bedeutet das Projekt »Deep Valley« aber vor allem für Rouven, den Deutschen, noch viel mehr als das bloße Nachgehen eines Hobbys. »Die Schweiz ist nichts für Sensible, Anschluss finden ist sehr schwer, man bleibt immer der Ausländer«, erzählt er, »viele gehen nach drei, vier Jahren wieder, weil sie damit nicht klarkommen.« Aber genauso weiß er: »Hobbys sind der Schlüssel«, mit dem Garagenprojekt hat er eine Schweizer Heimat auch abseits des täglichen Jobs gefunden, »und das wiederum ist unbezahlbar.«

Deep Valley Garage – Einfache Sache

Und sogar beim altehrwürdigen Schweizer Aufzugfabrikanten Schindler hat sich motorradtechnisch was getan. Fürs eigene Image machen sich so ein paar coole Jungs nämlich gar nicht schlecht, und so gründete die AG den firmeneigenen Club »SchindlerMotoRiders«. Die vier Jungs sind da natürlich dabei, auch wenn der Club mit ihrer Garage unmittelbar nichts zu tun hat. »Aber ein bisschen gepusht haben wir das natürlich schon«, grinsen sie. Sie haben halt Bock auf Motorräder, einfache Sache.

Info |  Deep Valley Garage

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.