2000 Kilometer, 500 Kubik, zehn Tage, zwei Typen und eine kompromisslose Feststellung: Schottland ist eines der schönsten Ziele für einen Roadtrip mit dem Motorrad.

Der Plan, mit unseren 30 Jahre alten Einzylindern im Frühsommer eine Tour durch Schottland  unternehmen zu wollen, löste allgemeine Heiterkeit aus. »Ihr wisst schon, dass es dort oben nicht grundlos so grün ist?«, war nur eine der ironischen Bemerkungen, die wir zu hören bekamen, doch das bestärkte uns nur in unserem Vorhaben. Allen hämischen Kommentaren und dilettantischen Wetterprognosen zum Trotz, luden wir unsere beiden SR 500 in den VW-Bus und ließen die Spötter hinter uns. Bis nach Glasgow, wo wir dann auf die Zweiräder umsteigen wollten, standen uns etwa 1500 Kilometer bevor; die einzigen Termine, an die wir uns in den nächsten Tagen halten mussten, waren die Abfahrtszeiten der Fähre von Dunkerque nach Dover und wieder zurück. 

Schottland mit dem Motorrad – Trocken und sonnig!

Der erste Morgen in Glasgow war trocken und sonnig – so viel zu den heimischen Wettervorhersagen. Wir hatten einen sicheren Stellplatz für den Bus gefunden und nun ging es also los Richtung Highlands, erstes Tagesziel waren die Cairngorm Mountains im Nordosten Schottlands. Auf unseren betagten Einzylinder-Damen durchfuhren wir ein weites, grünes Land, das immer wieder von kleinen Seen durchsetzt war. Am Einstieg der Highlands angekommen, suchten wir uns einen Platz zum Nächtigen, schlugen unser Zelt auf und beendeten den Tag am Lagerfeuer mit schottischem Beef und Bier.

Die Landschaft ist so idyllisch, dass Raucherpausen zu Brokeback-Mountain-Szenen werden

Am nächsten Morgen weckte uns prasselnder Regen, der unaufhörlich auf der Zelthaut trommelte, aber das war noch lange kein Grund, irgendwelche Tagespläne abzuändern – ganz im Gegenteil. Gerade dieses Wetterszenario ließ die Landschaft des Cairngorm National Parks erst so richtig authentisch wirken – kahle Felsen, braune Moorlandschaften und hin und wieder dunkelgrüne Tannenwälder. Als wir das kleine Städtchen Brora, unser heutiges Tagesziel an der schottischen Nordseeküste, erreicht hatten, entschieden wir uns aufgrund unserer nun doch durchgefrorenen Gliedmaßen für ein landestypisches Bed & Breakfast.

Schottlands Nordküste – Schafe, Schafe, Lämmer und Schafe

Am folgenden Tag war das nasse Wetter Geschichte. Bei schönstem Sonnenschein und milden Temperaturen bewegten wir uns von der Ostküste durch das Hinterland an die Nordküste Schottlands. Flüsse, Seen, Hügel, deren saftiges Grün einem Samtbezug glich, und unzählige grasende Schafe, Schafe, Lämmer und Schafe, die überraschend schreckhaft auf uns vorbeifahrende Motorradfahrer reagierten. Nicht weniger überrascht waren wir selbst vom Zustand so mancher Straße; so befuhren wir aktuell eine in der Straßenkarte gekennzeichnete Bundesstraße, die sich aber letztlich als Single Track Road offenbarte, als ein besserer Feldweg.

Custom-Singles: Die beiden SR sind alles andere als original, was ihrer Reisetauglichkeit keinen Abbruch tut

Die Landschaft an sich war so idyllisch und makellos, dass die Raucherpausen zu Brokeback-Mountain-Szenen wurden: Zwei Typen, in einem weiten, unbesiedelten Land allein auf sich gestellt, wobei die Motorräder die Pferderolle übernahmen. Erschreckend kitschig! An der Nordküste angekommen wurde das Landschaftsbild durch Klippen und karibikähnliche Strände ergänzt, die uns ohne zu zögern wieder auf das in Schottland bestehende Jedermannsrecht zugreifen ließen – wir schlugen unser Zelt direkt am Strand von Durness auf. 

Mit dem Motorrad durch Schottland – Viele Kurven, wenig Kilometer

Der vierte Tag, und somit das Bergfest der Motorradtour, stand vor der Tür. Es war inzwischen so frühsommerlich, dass wir morgens von der Sonne im Zelt aufgeweckt wurden. Unglaublich viele Kurven und wenige Kilometer waren an der Nordküste an der Tagesordnung. Gegen Abend schlugen wir unser Zelt abseits der Straße an einem der unzähligen Seen im Hinterland der Highlands auf. 

Interessierte Hochlandrinder …

Der darauffolgende Tag war nicht einfach ein weiterer Tag: Den Weg in Richtung Applecross bereitete uns eine alte, steile Passstraße namens »Bealach na Ba«, die mit ihren 626 Metern als eine der höchsten Straßen Schottlands gilt. Den kahlen Pass mit seinen zahlreichen Spitzkehren im Rückspiegel, die Isle of Skye im Scheinwerfer vor uns, diente uns nach dem Passieren der Skye Bridge nicht mehr die Karte zur Orientierung, sondern die am Straßenrand verteilten Werbeschilder der hier ansässigen Destillerien. »Distillery Talisker«, die in Carbost beherbergt  ist, sollte es also sein. Motorräder abgestellt, Zelt aufgestellt, zwei Bier und zwei Scotch bestellt. Zufriedengestellt!

Schottland mit dem Motorrad – In Richtung Glasgow nach Süden

Am vorletzten Tag umrundeten wir schneller als gedacht die überschaubare Isle of Skye und gerieten noch schneller wieder in Richtung Glasgow nach Süden. Mit jedem Kilometer, mit dem wir der Zivilisation näher kamen, machten sich die zunehmenden Verkehrsteilnehmer auf den immer breiter werdenden Straßen bemerkbar. Die letzte Nacht neben unseren alten 500ern verbrachten wir in der Nähe der Touristenstadt Fort William, die mit dem nahegelegenen Ben Nevis, dem höchsten Berg der Britischen Inseln, eines der Must-sees Schottlands ist.

… und mildes Strandwetter: Beides ist in Schottland nichts Ungewöhnliches

Stück für Stück näherten wir uns wieder den normalen Alltäglichkeiten. Mittlerweile waren es nur noch vierzig Kilometer bis zu unserem Startpunkt, wo wir die Zweiräder erneut in den VW-Bus einladen würden. Doch irgendetwas lag in der Luft, was mich daran hindern sollte, die Heimreise anzutreten – der Motor! An einem kleinen Stück bergauf folgte die zweifellose Erkenntnis, dass ohne jede Leistung und dafür mit lautem Klappern einfach nichts mehr geht! Glück im Unglück war die kurze Distanz zum Bus, aber deprimierend war die Tatsache, dass ich die Tour nicht auf dem Zweirad zu Ende bringen konnte, dann doch. Eine Tour über eine Insel, die weiter weg zu sein scheint, als sie tatsächlich ist.

 

Adrian Gloss